Spatenstich für Fraunhofer CBP in Leuna
Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe bald im Pilotmaßstab möglich
Mit dem feierlichen Spatenstich am 8. Dezember 2010 wurde der Beginn der Bauarbeiten für das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse am Chemiestandort Leuna eingeleitet. Nahezu 90 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Forschung nahmen an der Veranstaltung teil. Auf mehr als 2000 Quadratmetern sollen ab Sommer 2012 modulare Anlagen bereitstehen, mit denen Partner aus Forschung und Industrie die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe im technischen Maßstab bis zu marktreifen Produkten entwickeln können.
»Das neue Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP schließt die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe, verknüpft Chemie und Biotechnologie und ist damit ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zu einer Bioökonomie«, sagt Professor Thomas Hirth, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart, der die Idee eines Chemisch-Biotechnologischen Prozesszentrums in technischen Dimensionen konsequent bis zur Finanzierung und Realisierung verfolgte. »Wir haben von vorneherein alle relevanten Akteure aus Industrie, Wissenschaft und Politik eingebunden, so dass wir bereits Projekte beginnen konnten, bevor das eigentliche Gebäude fertig gestellt ist«.
Das Fraunhofer CBP wird von den Fraunhofer-Instituten für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB sowie für Chemische Technologie ICT gemeinsam errichtet und betrieben. In das Kernprojekt des Fraunhofer CBP werden 45,3 Millionen Euro investiert. Davon stellt das Land Sachsen-Anhalt 20,1 Millionen Euro zur Verfügung sowie die Anschubfinanzierung der Projektgruppe. Die Fraunhofer-Gesellschaft übernimmt 11,6 Millionen Euro aus der Grundfinanzierung des Bundes. Auch Projektfördermittel der Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz fließen in die technische Ausstattung. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beteiligt sich über die Förderung von Forschungsprojekten. Für den Neubau am Chemiestandort Leuna sind 11,5 Millionen Euro für das Gebäude und 33,8 Millionen Euro für die technische Erstausstattung vorgesehen. Durch das Engagement sollen neue, hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und die Ansiedlung von Biotechnologiefirmen gefördert werden. Nach der Aufbauphase werden ca. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Fraunhofer CBP tätig sein.
Jens Bullerjahn, Finanzminister und Stellv. Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt anlässlich des feierlichen Spatenstichs: »Die knapper werdenden Finanzmittel müssen gezielt dort eingesetzt werden, wo die Entwicklung des Landes besonders nachhaltig vorangebracht werden kann. Dazu gehören vor allem eine Konzentration auf Schwerpunkte und die stärkere Nutzung von neuen Finanzierungslösungen. Genau das ist bei der Umsetzung des Fraunhofer CBP exemplarisch gelungen. Damit werden die Voraussetzungen für die Entstehung qualifizierter und zukunftsfähiger Arbeitsplätze geschaffen, die im Wettbewerb der Regionen entscheidend sind, um die demografische Entwicklung unseres Landes positiv zu beeinflussen.«
»Nachwachsenden Rohstoffen gehört die Zukunft. Das gilt auch in der Chemieindustrie, in der die stoffliche Nutzung von Biomasse schon aufgrund der Endlichkeit fossiler Rohstoffe auf lange Sicht eine viel größere Rolle spielen muss. Mit dem bundesweit einmaligen Fraunhofer CBP stellen wir die Weichen dafür, dass Sachsen-Anhalt beim Umstieg von der Erdölbasis auf die regenerative Rohstoffversorgung technologisch in der ersten Liga spielt. Als wichtiger Teil unserer Innovationsstrategie wird das CBP gerade die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land bei ihren Forschungsprojekten zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in industriellen Dimensionen unterstützen. Dabei ist der heutige Spatenstich auch sichtbarer Erfolg der Arbeit des Wirtschaftsministeriums, das sich beim Bund erfolgreich für das Projekt und seine Umsetzung in Sachsen-Anhalt eingesetzt hat. Ich bin mir sicher, dass das Fraunhofer CBP dem Chemiestandort Leuna zusätzliche Schubkraft im internationalen Wettbewerb bringt und neue Ansiedlungen befördern wird«, betont Dr. Reiner Haseloff, Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt, in seinem Grußwort.
»Die Entwicklung einer biobasierten Wirtschaft ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Mit diesem Spatenstich für das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP gehen wir einen weiteren Schritt auf diesem Weg«, sagt Bernt Farcke, Leiter der Unterabteilung »Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe« im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Farcke appellierte zugleich an die Verantwortlichen des Fraunhofer CBP, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen: »Ich wünsche allen Beteiligten viel Erfolg und versichere Ihnen an dieser Stelle: Die Bundesregierung wird Sie in Ihren Bemühungen weiterhin unterstützen.«
»Die ganzheitliche Nutzung von Biomasse, das heißt eine umweltgerechte, optimierte Produktion und ihre bestmögliche stoffliche und energetische Nutzung, kann einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz leisten. Innovative Prozessschritte und Produktionsverfahren müssen hierzu entwickelt und umgesetzt werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP eine solche Herausforderung meistern wird«, sagt Dr. Gordo Jain, Leiter des Referates »Internationale Chemikaliensicherheit, Nachhaltige Chemie« des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Professor Dr. Alfred Gossner, Vorstandsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft, erläutert: »Damit nachwachsende Rohstoffe in Zukunft im industriellen Maßstab Erdöl ersetzen können, sind ausgefeilte Verfahren notwendig. Mit dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP beschleunigen wir die Umsetzung der Biotechnologie in die Anwendung. Das Zentrum in Leuna steht allen Kooperationspartnern für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. In der Pilotanlage können die Unternehmen künftig Bioraffinerie-konzepte entwickeln, die Verarbeitung der nachwachsenden Rohstoffe erforschen und marktreife Produkte entwickeln. Damit sind wir auf dem Weg zu einer nachhaltigen chemischen Industrie einen entscheidenden strategischen Schritt weitergekommen.«
Andreas Hiltermann, Geschäftsführer der Standortbetreibergesellschaft InfraLeuna GmbH, schließt den Reigen der Grußworte: »Mit dem Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP entsteht am traditionellen Chemiestandort Leuna eine bisher einmalige Plattform zur Entwicklung neuer Verfahren bis in produktrelevante Dimensionen mit direkter Anbindung an die chemische Industrie. Mit dem Fraunhofer CBP wird ein wichtiger Schritt getan, dass sich Leuna zum bio- und petrochemisch integrierten Standort entwickelt und eine Vorreiterstellung bei der industriellen Nutzung nachwachsender Rohstoffe einnimmt.«
Auf den ersten Spatenstich folgen die Bauarbeiten für ein neues Gebäude für Anlagen, Technika, Labore, Büro- und Lagerräume mit mehr als 2000 m2 Fläche, das vom Architekturbüro Scherr + Klimke in Ulm geplant wurde. Das Engineering der verfahrenstechnischen Einheiten übernimmt die Linde-KCA Dresden als Generalunternehmer. Mitte 2012 soll der Neubau des Fraunhofer CBP fertiggestellt sein. Fünf verschiedene Prozessanlagen werden dann nach dem Modell einer Bioraffinerie als separat zu betreibende Module zur Entwicklung und Skalierung von biotechnologischen, chemischen und kombinierten Verfahren bereitstehen und Forschungspartnern aus Industrie und Wissenschaft die Entwicklung von Prozessen und marktreifen Produkten erleichtern.
Hintergrund Chemiestandort Leuna
Leuna ist mit einer Fläche von 1.300 Hektar – dies entspricht 1.800 Fußballfeldern – nicht nur der größte Chemiestandort Sachsen-Anhalts, sondern der gesamten Bundesrepublik. Seit 1990 haben sich renommierte Unternehmen wie TOTAL, Hexion, Linde, DOMO, Arkema, Taminco ebenso wie zahlreiche mittelständische Firmen für den Standort entschieden und über 5,5 Mrd. Euro investiert.
Heute ist der Chemiestandort Leuna ein Industrieareal mit über 100 Unternehmen und etwa 9.000 Arbeitsplätzen. Die Produktionsstruktur reicht von der Spezial- bis zur Massenchemie.
Die InfraLeuna GmbH und die mit ihr verbundenen Tochtergesellschaften sind Eigentümer und Betreiber der Infrastruktureinrichtungen am Chemiestandort Leuna. Die Geschäftstätigkeit der InfraLeuna ist in erster Linie darauf gerichtet, allen Standortunternehmen Infrastrukturdienstleistungen und -lieferungen zu möglichst günstigen und international wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung zu stellen.