Multitalent Enzym – hergestellt im großen Maßstab
Enzyme entfernen Flecken aus unserer Wäsche, bleichen Papier und helfen beim Bierbrauen. Kurzum: Sie ermöglichen viele industrielle Prozesse. Gewonnen werden die Enzyme vielfach aus Früchten. Fällt die Ernte jedoch zu knapp aus, kann es Engpässe geben. Forscher entwickeln daher Verfahren, um die Enzyme mikrobiologisch herzustellen. Eine Multifunktionsanlage, die nun in Leuna eröffnet wird, soll helfen, die neuen Verfahren an industrielle Maßstäbe anzupassen.
Papayas sind lecker und gesund – und sie enthalten das Enzym Papain, das aus der Frucht isoliert wird und in zahlreichen Industrien gebraucht wird. So etwa beim Bierbrauen, bei der Fleisch-Behandlung, in der Textilindustrie zur Behandlung der Wolle und in der Medizin, um Entzündungen zu kurieren. Ähnlich ist es beim Meerrettich: Sein Enzym, die Meerrettich-Peroxidase, wird in großen Mengen in zahlreichen diagnostischen und immunologischen Tests eingesetzt. Allerdings fällt die Meerrettich-Ernte von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich aus. Bei einer schlechten Ernte ist die Meerrettich-Peroxidase nicht in den Mengen verfügbar, die die Industrie braucht.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart entwickeln im Projekt Innozym daher Wege, Enzyme biotechnologisch herzustellen, also mit Hilfe von Mikroorganismen. Der Vorteil: Egal wie die Ernten ausfallen, es lassen sich immer ausreichend Enzyme herstellen. Zudem entwickeln die Wissenschaftler auch ganz neue Enzyme, die chemische Katalysatoren ersetzen sollen. So könnten Industriebetriebe chemische Reaktionen beispielsweise bei niedrigerer Temperatur ablaufen lassen und Energie sparen, oder den Einsatz von Prozesschemikalien reduzieren, etwa bei der Einstellung des pH-Werts.
In den Laboren stellen die Forscher die Enzyme in Reaktionsgefäßen her, die maximal 30 Liter umfassen. In den Fabriken dagegen fangen die Herstellungsreaktionen für die Enzyme erst bei etwa 10 000 Litern an. Nun lassen sich die Produktionsschritte, die für die kleinen Mengen funktionieren, nicht einfach auf große Mengen übertragen. So können die Forscher im Labor beispielsweise teure Substanzen zufügen, die eine Großproduktion unwirtschaftlich machen würden.
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna – das zum Fraunhofer IGB und Fraunhofer-Institut für Chemische Technologien ICT gehört – soll diese Lücke zwischen Labor und Industrie nun schließen. In einem Neubau, der im Oktober eröffnet wird, ist auch eine Multifunktionsanlage integriert. »Wir skalieren die Prozesse, die unsere Kollegen am IGB im Labor entwickelt und optimiert haben, von 10 Litern Labormaßstab auf bis zu 10 000 Litern hoch. Technisch ist das oft ein ganz anderer Prozess«, sagt Dr. Katja Patzsch, Gruppenleiterin Biotechnologische Verfahren am CBP. »Die entstehende Multifunktionsanlage ist europaweit einmalig.« Geplant und gebaut wurde sie von der Firma Linde Engineering Dresden GmbH.
Im Großen und Ganzen bleibt die Art und Weise, wie die Enzyme hergestellt werden, jedoch gleich – egal ob große oder kleine Mengen an Enzym hergestellt werden. Die Forscher züchten in einem Nährmedium bestimmte Organismen, etwa Hefezellen oder Bakterien. Sind genügend Organismen gewachsen, geben die Wissenschaftler einen Induktor hinzu – eine Substanz, die die Zellen oder Bakterien dazu anregt, das gewünschte Enzym zu produzieren und es dann in das Nährmedium auszuschleusen. In einem Separator trennen die Forscher zunächst die Zellen von der Flüssigkeit ab. Der Separator kann dabei alle Flüssigkeitsmengen bewältigen, bis hin zu den 10 000 Litern. In einem nächsten Schritt fischen die Wissenschaftler das Enzym aus der verbleibenden Suspension heraus – etwa, indem sie das Enzym kristallisieren, filtrieren oder über eine Chromatographiesäule abtrennen.
Projekt »Innozym«
Das Projekt Innozym wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF gefördert. Projektpartner sind neben dem Fraunhofer IGB auch das Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik IGVT der Universität Stuttgart sowie die Firmen c-LEcta GmbH, InfraLeuna GmbH und Linde Engineering Dresden GmbH. Bestandteil der Förderung ist auch die Multifunktionsanlage, die Linde Engineering Dresden GmbH als Modul »Technische Enzyme« am Fraunhofer CBP errichtet hat. Mit diesem Modul können Enzyme, Biotransformationsprozesse und die eigentliche Enzymproduktion inklusive der Aufarbeitung in Bakterien und Hefen optimiert werden.
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