Künstliche Insulin-Rezeptoren aus Polymernanopartikeln

Die Behandlung chronischer Erkrankungen erfordert hochwirksame Medikamente mit minimalen Nebenwirkungen. Das Peptidhormon Insulin nimmt bei der Therapie von Diabetes-Erkrankungen eine Schlüsselrolle ein. Da die Zahl der Erkrankungen an Diabetes mellitus stetig steigt, müssen auch zunehmend größere Mengen an Insulin produziert werden. Insulin wird heutzutage großtechnisch mit rekombinanten Mikroorganismen hergestellt. Um die Eiweißmoleküle als Wirkstoffe nutzen zu können, müssen sie in  einem vielstufigen Verfahren zeit- und kostenaufwändig aufgereinigt werden. Bis zu 50 Prozent der Herstellungskosten von Protein-Therapeutika entstehen während der Aufreinigung. Mit Hilfe wirkungsvoller künstlicher Adsorber oder Rezeptoren, die das Insulin reversibel binden, könnte die Aufreinigung erheblich vereinfacht und dadurch wirtschaftlicher werden.

Ziel: Spezifische Insulin-Rezeptoren

Am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik (IGVT) der Universität Stuttgart erforschen wir hierzu die Darstellung molekular geprägter Nanopartikel (MIPs, molecular imprinted polymers), die mit hoher Spezifität und Selektivität Insulin binden könnten. Die Arbeiten sind Teil des Programms »Neue Materialien aus der Bionik« der Landesstiftung Baden-Württemberg.

Prinzip des molekularen Prägens

Prinzip des molekularen Prägens.
Bild 1: Prinzip des molekularen Prägens.

Das molekulare Prägen ist ein Verfahren, in dem eine polymerisierbare Mischung mit nichtpolymerisierbaren Zielmolekülen – hier Insulin – zu nanoskopisch kleinen Polymerkügelchen umgesetzt werden. Die Insulinmoleküle wirken während der Polymerisation wie molekulare Stempel, so genannte Template, und hinterlassen für das Peptid spezifische Abdrücke in der Kunststoffoberfläche der entstehenden Kügelchen. Nach Herauslösen der Template werden dann in den nanostrukturierten Polymeren spezifische Erkennungsstellen für Insulin frei – künstliche Rezeptornanopartikel wären geschaffen (Bild 1).

Herausforderung Bindestellen

3D-Struktur des Insulins.
Bild 2: 3D-Struktur des Insulins. Hervorgehoben wurde die für die Prägung eingesetzte Peptid-Sequenz aus dem N-Terminus der B-Kette.

Was visionär klingt, wird durch das am IGVT angewendete Verfahren grundsätzlich machbar. Eine besondere Herausforderung bei der Realisierung künstlicher Rezeptornanopartikel für rekombinantes humanes Insulin besteht im Design der Bindestellen. Mit Hilfe computergestützter evolutiver Verfahren wählen wir solche Peptidsequenzen aus dem Insulinmolekül aus, welche für einen erfolgreichen Prägeprozess besonders geeignet erscheinen: Sie sollten spezifisch für Insulin sein und im Insulinmolekül räumlich gut zugänglich vorliegen. MIPs, die mit einer spezifischen Peptidsequenz geprägt wurden, sollten dadurch das ganze Insulinmolekül erkennen können. Bisher haben wir drei solcher Sequenzen definiert. Eine davon, bestehend aus sechs Aminosäuren, ist zusammen mit dem Insulinmolekül in Bild 2 zu sehen.

Ausblick

Bis zur Anwendbarkeit der künstlichen Rezeptoren bei der Aufreinigung während der Insulinproduktion mag es noch ein weiter Weg sein. Die derzeitigen hohen Kosten für die Insulinaufreinigung und der dringende Bedarf an Insulin – im Jahre 2007 brachte der Insulinmarkt einen Weltumsatz von US $ 5 Mrd. – motiviert unsere Forschung nachhaltig.

Förderung

Das Projekt »Biomimetisches Insulin-Adsorbermaterial auf der Basis evolutiv entwickelter molekular geprägter Nanopartikel« wird im Rahmen des Programms »Neue Materialien aus der Bionik« von der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert.

Projektpartner

Begleitend zu den experimentellen Arbeiten am IGVT werden am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität  Stuttgart patentrechtliche und regulative Bedingungen für künstliche Adsorbermaterialien in den Aufreinigungsprozessen analysiert und evaluiert.