Immunkompetentes Haut-Infektionsmodell

Zelluläre In-vitro-Modelle sind in der Infektionsforschung von Nutzen, um molekulare Vorgänge bei Wirt-Pathogen-Interaktionen zu analysieren. Epitheliale Modelle sind dabei besonders geeignet, um die Infektion humanpathogener Organismen nachzubilden.

Wir entwickeln flexible 3-dimensionale Infektionsmodelle, die neben strukturellen Komponenten der menschlichen Haut auch Immunzellen und Reportersysteme für die Aktivierung von Immunsignalwegen beinhalten können.

Einsatzgebiete

In der Infektionsforschung sind In-vitro-Modelle ideal dazu geeignet, um initiale Vorgänge bei der Kolonisation von epithelialen Oberflächen durch Pathogene, insbesondere Adhäsions- und Invasionsvorgänge, zu analysieren.  

Mit immunkompetenten Modellen können angeborene Immunantworten auf eindringende Pilze (z. B. Candida sp.) und Viren untersucht werden.

Die Modelle setzen wir darüber hinaus ein, um Möglichkeiten zur Modulierung solcher Wirtsreaktionen mithilfe neuer Wirksubstanzen zu identifizieren. Beim Wirkstoffscreening [1] kann gleichzeitig die Wirkung auf die anwesenden humanen Zellen erfasst und so eine erste Einschätzung der toxischen Wirkung der potenziellen Arzneimittel gewonnen werden.

 

Immunkompetentes Hautmodell

Im Menschen entscheidet vor allem das angeborene Immunsystem, ob es nach der Invasion der Pathogene auch zu einer Infektion kommt. Die angeborenen Abwehrmechanismen gegen Pathogene sind dabei oft stark abhängig von verschiedenen Zelltypen und der 3-dimensionalen Gewebestruktur.

Am Fraunhofer IGB entwickeln wir daher 3D-Infektionsmodelle der Haut, die neben den epithelialen Zellen sowohl strukturelle Bestandteile wie Fibroblasten und Kollagen als auch immunologisch relevante Komponenten wie verschiedene Immunzelltypen enthalten. Solche Modelle werden zur Untersuchung von Mechanismen der Wirt-Pathogen-Interaktion eingesetzt, wobei insbesondere Infektionsvorgänge bei Pilzen (Candida albicans) und Viren (Herpes Simplex Virus, HSV-1) und die Abwehrmechanismen gegen diese Erreger analysiert werden.

Infektion von Hautmodellen mit C. albicans in der Anwesenheit (rechts) und Abwesen­heit (links) von Immunzellen.
© Fraunhofer IGB
Infektion von Hautmodellen mit C. albicans in der Anwesenheit (rechts) und Abwesen­heit (links) von Immunzellen.

Immunkompetenz durch Integration von Immunzellen in 3D-Hautmodelle

Bei Gesunden ist die menschliche Haut resistent gegen symptomatische Infektionen von Mikroorganismen, die wie Candida albicans natürlicherweise die Haut besiedeln. Die eher selten auftretenden Infektionen der Haut sind meist nur oberflächlich. Eine tiefe Invasion in subepitheliale Gewebe, die C. albicans Zugang zum Blutkreislauf ermöglichen und zu einer systemischen Verbreitung führen würde, tritt bei Menschen mit intakter Haut normalerweise nicht auf.

In-vitro-Hautmodelle, die aus Keratinozyten als epidermale und in Kollagen eingebettete Fibroblasten als dermale Schicht bestehen, werden jedoch sehr schnell von C. albicans penetriert und zerstört [2]. Dies ist auch nicht überraschend, da diese Hautmodelle keine Komponenten des Immunsystems besitzen. Aus diesem Grund haben wir reproduzierbar herstellbare Hautmodelle entwickelt, in die zusätzlich Immunzellen integriert wurden. Um die Hautmodelle, unabhängig von spenderbasierten Unterschieden bei Primärzellen, reproduzierbar zu gestalten, haben wir sie aus immortalisierten Keratinozyten und Fibroblasten aufgebaut. Als Immunzellen wurden sogenannte T-Zellen (Thymus-Lymphozyten) in die Modelle integriert, die auch im Menschen der Immunantwort dienen. Die Anwesenheit der T-Zellen führt dazu, dass das Eindringen von C. albicans in das Hautmodell stark reduziert wird und im Beobachtungszeitraum zum Stillstand kommt. Dies bedeutet, dass das System in vitro zumindest über eine teilweise Immunkompetenz verfügt.

Immunantwort im Reagenzglas

Mithilfe von Next-Generation-Sequenzanalysen wurde dieses teilweise immunkompetente Infektionsmodell umfassend in sogenannten Dualen-RNA-Sequenzanalysen in Anwesenheit und Abwesenheit von C. albicans untersucht. Dabei konnten wir feststellen, dass keiner der individuellen Zelltypen für sich alleine eine effektive Abwehr von C. albicans erreichte. Vielmehr ist eine zytokinvermittelte Kommunikation zwischen den verschiedenen Zelltypen notwendig, um eine effektive antimikrobielle Antwort auszulösen. Eines der Schlüsselmoleküle, die wir in diesen Analysen identifizieren konnten, ist der für die Erkennung des Pathogens notwendige Immunrezeptor TLR2. Dieser induziert eine Signalkaskade, die die Pilzinvasion letztendlich zum Stillstand bringt.

Literatur

1. Burger-Kentischer, A.; Finkelmeier, D.; Keller, P.; Bauer, J.; Eickhoff, H.; Kleymann, G.; Abu Rayyan, W.; Singh, A.; Schroppel, K.; Lemuth, K.; Wiesmuller, K. H.; Rupp, S. (2011) A screening assay based on host-pathogen interaction models identifies a set of novel antifungal benzimidazole derivatives, Antimicrobial agents and chemotherapy 55 (10): 4789-4801. doi:10.1128/AAC.01657-10

2. Dieterich, C.; Schandar, M.; Noll, M.; Johannes, F.J.; Brunner, H.; Graeve, T.; Rupp, S. (2002) In vitro reconstructed human epithelia reveal contributions of Candida albicans EFG1 and CPH1 to adhesion and invasion, Microbiology 148 (Pt 2): 497-506

3. Burger-Kentischer, A.; Abele, I. S.; Finkelmeier, D.; Wiesmuller, K. H.; Rupp, S. (2010) A new cell-based innate immune receptor assay for the examination of receptor activity, ligand specificity, signalling pathways and the detection of pyrogens, Journal of immunological methods 358 (1-2): 93-103. doi:10.1016/j.jim.2010.03.020

Reportersysteme zur raschen Identifizierung immunmodulatorischer Substanzen

Darüber hinaus werden diese Modelle in Zukunft vermehrt für die Identifizierung und Validierung immunmodulatorischer Substanzen zur Bekämpfung von Infektionen und immunologischen Erkrankungen eingesetzt. Hierfür wurden Reportersysteme für die Aktivierung von Rezeptoren des angeborenen Immunsystems (PRRs) in verschiedene Zelltypen eines 3D-Hautmodells eingebracht. Diese 3D Reporter-Hautmodelle ermöglichen es, die Aktivierung und Hemmung von zentralen Signalwegen des angeborenen Immunsystems im dreidimensionalen Gewebezusammenhang zu messen.

Referenzprojekte

ImResFun – Identifizierung von Schutzmechanismen der Haut mithilfe von immunologischen 3D-Gewebemodellen

 

In der Infektionsforschung sind In-vitro-Modelle ideal dazu geeignet, um initiale Vorgänge bei der Kolonisation von epithelialen Oberflächen durch Pathogene zu untersuchen. Ziel ist es neue Mittel zur Bekämpfung von Candida-Infektionen zu finden.

 

Laufzeit: Oktober 2013 – September 2017

Targeted Drug Delivery – RNA-vermittelte Therapieoption gegen HSV-1

 

Mehr als 90 Prozent der Weltbevölkerung sind mit dem Herpes-simplex-Virus Typ-1 (HSV-1) infiziert. Eine wirkungsvolle Therapie der Herpes-Infektion gibt es bis heute nicht. Für die Behandlung von HSV-Infektionen werden bislang ausschließlich Virostatika, meist Nucleosidanaloga, eingesetzt. Ein Ziel ist es daher, einen alternativen Therapieansatz zur Behandlung der HSV-1-Infektion zu entwickeln.

imSAVAR –

Immune Safety Avatar: Modellsysteme für die nicht-klinische Evaluierung immunmodulierender

 

Im Projekt imSAVAR entwickelt ein interdisziplinäres EU‑Konsortium innovative Modellsysteme, um Nebenwirkungen immunmodulierender Therapeutika auf das Immunsystem identifizieren und neue Biomarker für die Diagnose und Prognose entwickeln zu können. Das Fraunhofer IGB entwickelt neuartige immunkompetente In‑vitro‑Modelle auf der Basis von Organ‑on‑Chip‑Systemen sowie zellbasierte Reportergenassays mit Rezeptoren des Immunsystems und ist darüber hinaus im Projektmanagement involviert.

 

Laufzeit: Dezember 2019  – November 2025