Formulierungen

Das Fraunhofer IGB entwickelt Formulierungen für verschiedene Anwendungsbereiche wie Pharmazie, Kosmetik, Nahrungsmittel und Pflanzenschutz.

Funktionale Partikel (Nano- und Mikropartikel) und Hydrogele werden als Freisetzungssysteme für Wirk-und Effektstoffe eingesetzt. So können niedermolekulare Substanzen wie beispielsweise Duftstoffe oder Vitamine, aber auch Proteine, Antikörper oder Enzyme unter Erhalt ihrer (Bio-)Aktivität formuliert werden.

Wir verwenden hierbei Biomaterialien wie Alginat, Chitosan, Gelatine, biokompatible Materialien und kommerziell erhältliche Polymere. Die Materialauswahl erfolgt in enger Zusammenarbeit mit dem Anwender in Hinsicht auf die Anforderungen und unter Berücksichtigung der aktuell gültigen Richtlinien.

Anwendungen und Einsatzbereiche

  • Formulierung von Arzneistoffen für zielgerichteten (z. B. intranasalen) Transport und kontrollierte Freisetzung
  • Formulierung von Vitaminen, Duftstoffen und kosmetischen Effektstoffen
  • Verkapselung zur Maskierung unangenehmer Geschmacksstoffe (z. B. in Arznei-, Nahrungsergänzungs- oder Futtermitteln)
  • Verkapselung von Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln für eine kontrollierte Freisetzung über einen längeren Zeitraum
  • Integration Effektstoff-beladener Partikel in textile Materialien für verbesserte funktionale Eigenschaften (Komfort, Leistung und Schutz, z. B. mit antimikrobieller Wirkung oder integriertem Insektenschutz)

Formulierungstechniken

Am Fraunhofer IGB setzen wir zur Lösung der Herausforderungen unter anderem partikuläre Wirkstoffformulierungen ein.

Partikelherstellungstechniken und deren typische Partikelgrößen.
Partikelherstellungstechniken und deren typische Partikelgrößen. Am Fraunhofer IGB sind die rot umrandeten Technologien etabliert.
Labor-Sprühtrockner
Labor-Sprühtrockner mit Zwei- und Dreistoffdüse zur Verkapselung löslicher und unlöslicher Wirk- und Effektstoffe.

Verkapselung von Wirk- und Effektstoffen

Das bedeutet, wir verkapseln den Wirkstoff in polymerbasierte funktionale Nano- oder Mikropartikel. Durch die Verkapselung können wir einerseits niedermolekulare Substanzen wie Duftstoffe oder Vitamine »verpacken«, aber auch Proteine, Antikörper und Enzyme – unter vollständigem Erhalt ihrer (Bio-)Aktivität. Die Verkapselung ermöglicht die Ausbildung eines dreidimensionalen Schutzraums für den Wirkstoff, da dieser durch die umgebende Hülle von seiner Mikro-Umgebung getrennt wird. Auf diese Weise können empfindliche Substanzen beispielsweise vor Oxidation geschützt werden, reaktive Agenzien vor chemischen Reaktionen.

 

Sprühtrocknung

Die Sprühtrocknung ist ein etablierter Prozess in vielen Industriezweigen wie etwa der Pharmazie, Lebensmittelwissenschaften, Chemie oder Materialwissenschaft. Eine Lösung, Suspension oder Emulsion wird dabei in einem einzigen Prozessschritt in eine feste Pulverform umgewandelt. Gerade für empfindliche Stoffe wie beispielsweise Hormone, Proteine oder Vitamine ist die Sprühtrocknung eine sehr schonende Methode zur Trocknung und auch zur Mikroverkapselung geeignet.

 

Polymerisationstechniken

Am Fraunhofer IGB werden kundenspezifisch Nano- und Mikropartikel im Bereich von 200 nm – 10 μm je nach Fragestellung aus kommerziell erhältlichen Polymeren hergestellt. Hierbei kommen unterschiedliche Polymerisationstechniken wie beispielsweise die Miniemulsionspolymerisation oder die emulgatorfreie Emulsionspolymerisation zum Einsatz.

 

Einstellung der Freisetzungskinetik

Durch Variation der Partikelgröße, des Beladungsgrades, des Molekulargewichts und des Verhältnisses der hydrophilen und hydrophoben Monomereinheiten können wir – individuell angepasst – die Freisetzungskinetik der eingekapselten Stoffe beeinflussen. So können auch Freisetzungen über sehr lange Zeiträume (Ultralong Drug release, ULDr) von drei bis vier Monaten realisiert werden. Von besonderem Interesse sind hierbei bioabbaubare Verbindungen, da diese nach ihrer Anwendung im Körper oder in der Umwelt vollständig metabolisiert oder zersetzt werden.

Modifizierte Biopolymere

Modifizierbares Biopolymer (hier: Gelatine).
© Fraunhofer IGB
Modifizierbares Biopolymer (hier: Gelatine).

Durch chemische Modifizierung passen wir Biopolymere wie beispielsweise Gelatine, Chitosan oder Inulin gezielt an die je nach Einsatzgebiet unterschiedlichen Bedürfnisse an. Durch das Anbringen verschiedenster chemischer Gruppen können wir somit z. B. die Viskosität, die Löslichkeit oder auch die Ladung des Biopolymers zielführend verändern, wodurch Prozesse nachhaltiger und effizienter gestaltet werden können.

Modifizierte Biopolymere

Oberflächenmodifizierung – Effizientes Drug Targeting

Aufnahme der Partikelgrößenverteilung von Mikropartikeln mittels Lichtmikroskopie.
Aufnahme der Partikelgrößenverteilung von Mikropartikeln mittels Lichtmikroskopie.

Die polymeren Nanopartikel können für komplexe Anwendungen zusätzlich an der Oberfläche funktionalisiert werden. So werden die am Fraunhofer IGB hergestellten Partikel beispielsweise an ihrer Oberfläche über freie Carboxygruppen mittels gängiger Kupplungsmethoden für den gezielten Wirkstofftransport im Körper modifiziert (Drug Targeting). Über beispielsweise Carbodiimid-Kopplungen und andere vernetzende Chemikalien wurden bereits Proteine erfolgreich an die Nano- und Mikropartikeloberfläche gebunden. Das Design der Oberfläche der Partikel zielt darauf ab, dass der Anteil der unspezifischen Bindungen dabei sehr gering bleibt. Zusätzlich zu den bioabbaubaren Nano- und Mikropartikeln entwickeln wir biologisch-synthetische Nanopartikel, welche die Gegebenheiten an Zelloberflächen simulieren (NANOCYTES®).

NANOCYTES® – Biofunktionale Kern-Schale-Partikel

Anwendungsbeispiele

Potenziale für die Medizin

Die Verkapselung von Wirkstoffen eröffnet innovative Wege für medizinische Anwendungen, von personalisierten Therapien bis hin zu präzisen Diagnosemethoden. Mit Verkapselungstechniken können wir Partikel für die Therapie von verschiedenen Erkrankungen entwickeln, die in der Lage sind, Wirkstoffe gezielt in Zellen einzuschleusen. Die Verkapselung von Krebsmedikamenten in Partikeln ermöglicht darüber hinaus eine gezielte Abgabe von Wirkstoffen an Krebszellen, wodurch gesundes Gewebe geschont und die Effizienz der Therapie erhöht wird. Bei der Vakzine-Entwicklung kann die Verkapselung von Impfstoffbestandteilen die Stabilität erhöhen und die Freisetzung der Wirkstoffe für eine verbesserte Immunantwort steuern.

Maßgeschneiderte Formulierungen für die landwirtschaftliche Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion

Pflanzenschutzmittel wie Pestizide, Fungizide und Herbizide sowie Pflanzenwachstumsregulatoren werden in der Landwirtschaft eingesetzt, um Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen zu schützen und den Ernteertrag zu erhöhen. Die landwirtschaftliche Produktion wirkt sich dabei direkt auch auf Boden, Wasser und Atmosphäre aus. Eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft, die Ressourcen schont, die Umwelt schützt und gleichzeitig wirtschaftlich ist, wird möglich, wenn Wirk- und Effektstoffe in einer maßgeschneiderten Formulierung ausgebracht werden.

Mit der Verkapselung werden Wirk- und Effektstoffe einerseits vor äußeren Einflüssen geschützt, andererseits sind wir in der Lage, die verkapselten Stoffe über eine funktionale Ausstattung des Kapselmaterials bei Bedarf gezielt freizusetzen:

  • In Mikropartikeln verkapselte Pestizide und Herbizide erreichen die Zielorganismen direkt und kontrolliert. Schädlinge und Unkräuter können so gezielt und effektiv bekämpft und Umweltauswirkungen reduziert werden.
  • In Mikrokapseln formulierte Düngemittel stellen Nährstoffe in einer leicht pflanzenverfügbaren Form bereit.
  • Mikropartikel in Beschichtungen bei der Aussaat von Saatgut können das Saatgut mit Nährstoffen oder anderen Substanzen versorgen und so die Keimung und das frühe Pflanzenwachstum fördern.

Durch die Verkapselung kann die auszubringende Menge des Wirk- und Effektstoffs erheblich reduziert werden. Zudem können wir kontrollierte Freisetzung der Substanz steuern, beispielsweise nur bei Regen. Für den Einsatz in der Landwirtschaft wählen wir als Kapselmaterial biobasierte und bioabbaubare Polymere, beispielsweise Chitosan, Inulin oder Alginat. Nach Freisetzung der Wirkstoffe werden diese im Boden einfach abgebaut.  

Leistungsangebot

  • Verkapselung von aktiven Inhaltsstoffen in Mikro- und Nanopartikel für die kontrollierte Freisetzung
  • Formulierungsentwicklung zur Stabilisierung von aktiven Substanzen unter Erhalt deren (Bio-)Aktivität
  • Gelformulierung von Wirk- und Effektstoffen
  • Mikro- und Nanopartikel mit verbesserte Hafteigenschaften an Oberflächen 
  • Beschichtung von Oberflächen

Zusammenarbeit

Mit unserem umfassenden Know-how bezüglich Materialauswahl und Prozessführung entwickeln wir Lösungen für Formulierungsfragestellungen aus verschiedensten Anwendungsfeldern und maßgeschneiderte Formulierungen für unsere Kunden. Kommen Sie mit Ihrem Bedarf oder Ihrer Idee gerne auf uns zu. Wir unterstützen Sie anschließend auch bei der industriellen Umsetzung.

Kundenreferenz

Dr. Nazende Günday-Türeli, MyBiotech GmbH, CTO
© privat
Dr. Nazende Günday-Türeli, MyBiotech GmbH, CTO

Zusammenarbeit mit Innovationspartner eröffnet neue Horizonte

Meine erste Begegnung mit dem Fraunhofer IGB war im Rahmen des Forschungsprojekts N2B-Patch. Unser Ziel war die Entwicklung einer intranasalen Applikationsplattform für Biopharmazeutika als innovative galenische Formulierung zur Therapie von Multipler Sklerose. Jetzt sind wir gemeinsame Partner im Bio2Brain-Netzwerk, das junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ein Forschungs- und Ausbildungsprogramm in der Entwicklung neuartiger Technologien ausbildet, um Biopharmazeutika effizient intranasal zum Gehirn zu transportieren.

Die Kooperation mit dem Fraunhofer IGB bedeutet für mich, mit sehr netten Kolleginnen und Kollegen vertrauensvoll und unkompliziert zusammenzuarbeiten – in einem zugleich sehr professionellen Umfeld. Das Fraunhofer IGB ist damit für uns ein verlässlicher Partner für anwendungsorientierte Innovationskooperationen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht es uns, auch bei weiteren FuE- und Innovationsthemen, die man nicht als Solist bewältigen kann, gemeinsame Kooperationen anzupeilen. Damit bietet die Zusammenarbeit auch Möglichkeiten für weitere Aufträge, die zu neuen Horizonten führen können.

Referenzprojekte

 

Februar 2019 – Januar 2023

iP-OSTEO

Induziert pluripotente Stammzellen, besetzt mit aktiven osteochondralen nanofaserigen Gerüsten

Ziel des Projekts iP‑OSTEO ist die Entwicklung neuartiger zellbasierter Trägerstrukturen zum Knochen‑ und Knorpelaufbau, welche insbesondere für Patienten mit schlechter Regenerationsfähigkeit eine erstmals wirkungsvolle Behandlungsmethode liefern. Darüber hinaus tragen die beteiligten Einrichtungen durch die Stärkung von Partnerschaften und Förderung des Wissenstransfers über Länder‑ und Sektorengrenzen hinweg, zu einer besseren Integration von akademischen und industriellen Interessengruppen in ganz Europa bei.

 

Januar 2017 – Dezember 2020

N2B-Patch

Entwicklung einer intranasalen Therapieform für die Behandlung von Multipler Sklerose

In dem von der EU geförderten Forschungsprojekt »N2B-patch« entwickelt ein internationales Konsortium eine intranasale Applikationsplattform für Biopharmazeutika gegen Erkrankungen des Zentralnervensystems (ZNS). Am Beispiel der Behandlung von Multipler Sklerose sieht der »Nose2Brain«-Ansatz vor, in Biomaterialien formulierte Wirkstoffe direkt über die Nase an den Wirkort im ZNS zu transportieren.

 

TNF-NANOCYTES®

Cytokinfunktionalisierte Nanopartikel für die Krebstherapie

Am Fraunhofer IGB wurden biologisch-synthetische Hybridpartikel entwickelt, welche die Gegebenheiten an Zelloberflächen simulieren. Auf der Oberfläche dieser zellmimetischen – Zellen nachahmenden – Nanopartikel werden Membranproteine so gebunden, dass sich ihre biologischen Eigenschaften voll erhalten.

 

 

Skin Heal

Partikelbasierte Formulierung für die Wundheilung

Die hier entwickelten Partikelsysteme können auf unterschiedlichste Fragestellungen im Bereich der Formulierung sowohl von niedermolekularen Wirkstoffen als auch von Biopharmazeutika übertragen werden. So konnte bereits Interferon unter vollständigem Erhalt der Bioaktivität verkapselt werden.

 

 

Bio2Brain

Bio2Brain erforscht eine sichere Verabreichung von Biopharmazeutika in das zentrale Nervensystem

Bio2Brain Projektwebsite

17 Projektpartner aus Wissenschaft und Industrie schließen sich im Netzwerk »Bio2Brain« zusammen, um an einer effizienten Wirkstoffverabreichung bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) zu forschen. Die große Herausforderung hierbei ist, dass das ZNS des menschlichen Körpers durch biologische Schutzmechanismen bestens abgeschirmt wird. Die Kehrseite ist jedoch, dass auch medizinische Wirkstoffe diese Barriere nur schwer überwinden können. Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, will das Bio2Brain-Netzwerk einen Paradigmenwechsel in der Forschung einleiten und neue Ansätze erproben.