Wasser 4.0 – Die Digitalisierung der Wasserwirtschaft

Wie in vielen anderen Bereichen kommt der Digitalisierung auch in der Wasserwirtschaft eine immer größere Bedeutung zu. Moderne Sensoren, komplexe Modellierungen, künstliche Intelligenz oder digitale Zwillinge bieten unglaubliches Anwendungspotenzial für das Ressourcenmanagement, die Überwachung von Wassermengen und -qualitäten oder auch bei der Optimierung von technischen Anlagen und Prozessen für die Wasseraufbereitung.

Unser Angebot: Anwendungsoptimierte Wasseraufbereitung mithilfe sensorgestützter Prozesssteuerung

Am Fraunhofer IGB arbeiten wir in verschiedenen Projekten an der Entwicklung und Integration digitaler Anwendungen in umwelttechnischen Applikationen. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Etablierung effizienter Daten- und Kommunikationsinfrastrukturen, um die effektive Kommunikation sensorgestützter Systemkomponenten und eine smarte Prozessteuerung zu ermöglichen. Hier kommen auch unsere langjährigen Erfahrungen und Kompetenzen aus der Automatisierungstechnik für umwelttechnische Anlagen zum Einsatz.

Die Aufbereitung des Wassers orientiert sich am Bedarf für den Gemüseanbau – Nährstoffe sollen erhalten bleiben, Schadstoffe entfernt werden.
© Thomas Dockhorn, TU Braunschweig
Die Aufbereitung des Wassers orientiert sich am Bedarf für den Gemüseanbau – Nährstoffe sollen erhalten bleiben, Schadstoffe entfernt werden.
Der Verschmutzungsgrad von Straßenabläufen kann stark variieren.
© Fraunhofer IGB
Der Verschmutzungsgrad von Straßenabläufen kann stark variieren.

Systemarchitektur für KI-optimierte Prozesssteuerung

In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt »Hypowave+« arbeiten wir zusammen mit Forschungs- und Praxispartnern aus der Land- und Wasserwirtschaft an der sicheren Wasserwiederverwendung im hydroponischen Gewächshaus. Als IGB koordinieren wir die Arbeiten zum Thema Digitalisierung mit dem Ziel, die zahlreichen Prozess-, Anlagen- und Sensordaten optimal miteinander zu verbinden. Mit unseren Arbeiten ermöglichen wir die effektive Kommunikation der umwelttechnischen Anlagen und entwickeln eine übergreifende Steuerung für das Gesamtsystem. Diese Kommunikation ermöglicht es unseren Partnern dann, Analysen mittels künstlicher neuronaler Netze (KNN) durchzuführen, deren Ergebnisse der automatischen Optimierung der Gesamtsteuerung und somit aller Systemkomponenten entlang der Verfahrenskette dienen. So werden optimierte Lösungen für die mitunter konkurrierenden Zielstellungen – Nährstoffelimination in der Abwasserreinigung und Nährstoffversorgung im Pflanzenbau – identifiziert. Die abgeleiteten Maßnahmen, wie zum Beispiel eine längere Belüftungszeit, werden zurück an die entsprechenden Komponenten kommuniziert und bei Bedarf ausgelöst.

Darüber hinaus untersuchen wir, wie sich die Möglichkeiten der Digitalisierung für das Hygiene-Risikomanagement in der Wasserwiederverwendung nutzen lassen, beispielsweise in Hinblick auf Keimbelastung oder den Eintrag pathogener Keime, und wie sich die Ergebnisse der mikrobiellen Untersuchungen im Labor, z. B. zum Nachweis von Viren und Bakterien, mit dem sensorgestützten Monitoring verbinden lassen.

 

Datengestützte Steuerung blau-grüner Infrastrukturen

Die Kommunikation und datengestützte Optimierung wasserwirtschaftlicher Anlagen ist auch Gegenstand unserer Aktivitäten in dem BMBF-Projekt »Leipziger BlauGrün«. Am Campus des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig arbeiten wir an einer automatisierten Steuerung des Regenwasserabflusses von Gründächern. Das Pilot-Gründach ist auf einem Carport am Campus installiert und dient der Regenwassersammlung und -retention. Die Substrate innerhalb dieses Gründachs werden auf Feuchtigkeit, Leitfähigkeit und Temperatur sensorisch überwacht. Zusätzlich wird der Füllstand des Retentionsdachs kontinuierlich gemessen. Die übergeordnete Datenerfassung verfügt zudem über eine Schnittstelle zu einer Wetterstation. Wird ein stärkeres Regenereignis vorhergesagt, können Gründach und Zisterne kontrolliert entleert werden, um einen gesteuerten Abfluss zu erzeugen und Platz für die Retention des Regens zu schaffen. Am IGB befassen wir uns mit der Entwicklung der Infrastruktur zur Datenerfassung und -kommunikation. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist die Harmonisierung unterschiedlicher Kommunikationsformate sowie die Integration von Bestandsanlagen mit neuen Anlagen innerhalb eines Gesamtsystems. Hier kann die Expertise des IGB in der Prozessautomatisierung und beim Umgang mit Messdaten auf die Ebene des Stadtquartiers übertragen werden.

 

Modellierung für Nutzung alternativer Wasserressourcen

Neben grüner und blauer Infrastruktur machen graue Infrastrukturelemente wie Straßen noch immer einen Großteil urbaner Räume aus. Im BMBF-Projekt »Straße der Zukunft« untersuchen wir zukunftsfähige Konzepte für mehr Ressourceneffizienz im Straßenraum. Um zu untersuchen, ob und unter welchen Umständen sich von Straßen abfließendes Regenwasser für Bewässerungszwecke geeignet sein kann, setzen wir Luftqualitätssensoren ein und analysieren mögliche Korrelationen mit Wasserqualitätsparametern von Straßenabläufen. Im Rahmen des Projekts wurde zudem eine Regenwasserzisterne mit einem Fassungsvermögen von 50 Kubikmetern im Ludwigsburger Dragonergässle in unmittelbarer Nähe mehrerer Schulgebäude eingebaut. Die Zisterne wird fortlaufend auf ihren Füllstand digital überwacht. Derzeit dient das von Dächern und einem gefilterten Straßenablauf gesammelte Regenwasser noch überwiegend zur Kanalspülung. Mithilfe von labortechnischen Untersuchungen der Regenwasser- und Straßenabwasserqualität sowie der Luftqualitätssensoren wird wissenschaftlich untersucht, inwiefern sich Vorhersagen zur Wasserqualität von Oberflächenabflüssen treffen lassen. Diese könnten dann einer breiteren Nutzung von gesammeltem Regenwasser, wie zum Beispiel der Bewässerung von Grünflächen, dienen und somit zu mehr Ressourceneffizienz im Straßenraum und im Quartier beitragen.

Luftsensoren in Erlangen und Ludwigsburg überwachen die Luftqualität an Straßen – die Daten helfen bei der Modellierung von Straßenabläufen.
© Fraunhofer IGB
Luftsensoren in Erlangen und Ludwigsburg überwachen die Luftqualität an Straßen – die Daten helfen bei der Modellierung von Straßenabläufen.
Luftsensoren in Erlangen und Ludwigsburg überwachen die Luftqualität an Straßen – die Daten helfen bei der Modellierung von Straßenabläufen.
© Fraunhofer IGB

Digitalisierung gemeinsam mit Partnern vorantreiben

Techniker der Firma Jumo und des Trinkwasserwerks in Solapur installieren die Sensoren.
© Jumo GmbH
Techniker der Firma Jumo und des Trinkwasserwerks in Solapur installieren die Sensoren.

Darüber hinaus bieten sich viele Kooperationsmöglichkeiten mit Unternehmen und Kommunen im In- und Ausland.

Im Rahmen des von der Landesagentur Umwelttechnik BW finanzierten Projekts »Smart Water Monitoring Solapur« etwa arbeiten wir mit den Messtechnikanbietern Jumo GmbH und Nivus GmbH, unseren Partnern im Netzwerk German Water Partnership, an der Implementierung eines digitalen Überwachungssystems auf einem Trinkwasserwerk in Solapur, Indien. Durch die erhöhte Datenverfügbarkeit können Betreiber Störungen einfacher identifizieren und ihren Betrieb optimieren.

Weitere Informationen bei German Water Partnership

Nachhaltigkeitsziele sind für die Städte von morgen entscheidend, aber zusätzliche Dimensionen wie Resilienz oder Wandlungsfähigkeit gegenüber zunehmenden Extremsituationen und sich verändernden Rahmenbedingungen erfordern neue Herangehensweisen, Strategien und Infrastrukturen. Gemeinsam mit Partnern aus Verwaltung, Industrie und Forschung im Fraunhofer Morgenstadt-Netzwerk treiben wir die Digitalisierung für eine nachhaltige Wasserwirtschaft voran.

Monitoring Dashboard beim indischen Trinkwasserwerk in Solapur: Daten zu Durchfluss und Qualitätsparametern können jederzeit über das Portal der deutschen Partner eingesehen werden.
© Jumo GmbH
Monitoring Dashboard beim indischen Trinkwasserwerk in Solapur: Daten zu Durchfluss und Qualitätsparametern können jederzeit über das Portal der deutschen Partner eingesehen werden.

Wir sind Partner im Innovationsnetzwerk Morgenstadt

Mit seiner Wassermanagement-Expertise beteiligt sich das Fraunhofer IGB im Innovationsnetzwerk Morgenstadt im Innovationsfeld »Integrated Water Systems«.

Morgenstadt

Die »Morgenstadt« ist die Vision einer nachhaltigen, lebenswerten und zukunftsfähigen Stadt und ihrem suburbanen Umland. Die Herausforderung liegt in der langfristigen Zusammenführung optimierter Technologien zu einem ganzheitlichen System.

 

Wie Städte zukunftsfähig werden, untersucht das Innovationsnetzwerk aus Städten, Unternehmen und Fraunhofer-Instituten in zahlreichen Projekten. Dabei kommt ein eigens entwickeltes Arbeitsmodell zur Stadtanalyse zum Einsatz.