Viren sind nicht nur Krankheitserreger. Die nicht-zellulären Partikel lassen sich auch als biologische Werkzeuge zur Bekämpfung von Infektionen als Impfstoffe oder – so die Hoffnung – bei Krebs einsetzen. Daran arbeiten wir am Fraunhofer IGB.
Viren sind nicht nur Krankheitserreger. Die nicht-zellulären Partikel lassen sich auch als biologische Werkzeuge zur Bekämpfung von Infektionen als Impfstoffe oder – so die Hoffnung – bei Krebs einsetzen. Daran arbeiten wir am Fraunhofer IGB.
Viren sind Proteinkapseln, manche sind zusätzlich von einer Lipidmembran umhüllt. Das in den Proteinkapseln eingeschlossene virale Genom kodiert für den Bauplan des Virus und für sein Programm zur Vervielfältigung der Viren. Viren sind damit Informationsträger auf kleinstem Raum.
Für ihre Vermehrung sind Viren von Zellen abhängig. Bei der Infektion von pro- oder eukaryotischen Zellen bringen sie ihr virales Genom in diese ein. Dieser Informationstransfer ist gerichtet und sehr spezifisch: Viren sind mit Rezeptoren ausgestattet, die dazu dienen, Wirtszellen zu erkennen, an diese anzudocken und schließlich in diese einzudringen. Dadurch gelangen Informationen in die Zellen und werden dort abgelesen.
Viren sind damit hervorragende biotechnologische Werkzeuge, um Zellgrenzen zu überwinden und Informationen zu übermitteln.
Der Bauplan von Viren kann mittels Genom-Engineering im Labor gezielt gentechnisch verändert und für neue Zwecke angepasst werden.
Die Viren werden dabei reprogrammiert: Krankheitsauslösende Eigenschaften können ausgeschaltet, Funktionen können verbessert oder ganz neue Eigenschaften hinzugefügt werden. Je nach Virus-Typ kann unterschiedlich viel zusätzliche Information gespeichert werden. Auch können auf diese Weise fremde Genelemente, die infizierte Organismen mit neuen Funktionen ausstatten, in die Virusgenome integriert werden.
Am Fraunhofer IGB setzen wir das Genom-Engineering ein, um Viren als Vektoren für fremde Informationen zu etablieren: Zur Entwicklung neuer Impfstoff-Plattformen und neuartiger Arzneimittel (Zell- und Gentherapeutika), etwa zur virus-basierten Behandlung von Krebserkrankungen und Tumorvakzinierung, aber auch zur Behandlung multiresistenter Bakterien.
Die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Bailer verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich des Virus-Engineerings – Grundlage und Voraussetzung für das maßgeschneiderte Design therapeutischer Viren. Die dafür notwendige BAC-Technologie (Bacterial artifical chromosome, BAC) setzen wir seit langem erfolgreich ein, um das virale Genom punktgenau zu verändern und hocheffizient Plattform-Vektoren herzustellen.
Für das Engineering des Plattformvirus wurden biointelligente Algorithmen und entsprechende Informationstechnologien eingesetzt, die im Vorfeld verschiedenste Simulationen ermöglichten. Mit diesen Werkzeugen können wir beispielsweise auch im Voraus abschätzen, wie viele Viren in einen Tumor appliziert werden müssen, um diesen zu durchdringen und die gewünschte Immunwirkung zu erreichen. Auch für die Steuerung einer biotechnologischen Produktion dieser therapeutischen Viren sind solche Berechnungen unerlässlich.
Im Rahmen des Fraunhofer-internen Projekts TheraVision haben wir unter Verwendung der Bacterial-Artificial-Chromosome-Technologie eine neuartige Virus-Engineering-Plattform auf Basis des Herpes-simplex-Virus (HSV) etabliert. Da HSV Nervenzellen infizieren kann, wurden die hierfür codierenden Gene gezielt ausgeschaltet. Dies war möglich, weil Herpes-Viren durch langjährige Forschung sehr gut charakterisiert sind und wir am Fraunhofer IGB über viele Jahre Erfahrung mit diesen Viren – insbesondere dem Engineering ihres Genoms – sammeln konnten.
Onkolytische Viren (OV) stellen eine eigene Klasse von Gentherapien dar, die als innovative Krebstherapien – als Mono- oder Kombinationstherapie – immer stärker in den Fokus rücken. Durch gentechnische Modifikation können Viren zu hochspezifischen Wirkstoffträgern engineert werden: Die resultierenden OVs entfalten ihre Wirkung durch spezifische Erkennung und Zerstörung von Tumorzellen. Zusätzlich können sie tumorinfiltrierende Immunzellen rekrutieren und aktivieren, sodass das Immunsystem die Bekämpfung des Tumors unterstützt. Auf diese Weise kann eine langanhaltende In-situ-Tumorvakzinierung erreicht werden.
Im Rahmen des Projekts TheraVision wurde unter Verwendung der Bacterial-Artificial-Chromosome-Technologie ein proprietärer Plattformvektor auf Basis eines Herpes-simplex-Virus 1 (HSV1) etabliert. Diese Plattformtechnologie, für die eine Patentanmeldung eingereicht wurde, ermöglicht eine modulare Programmierung des HSV1-Genoms durch erleichterte Integration von Transgenen. Kombiniert mit der Möglichkeit zum High-Capacity-Engineering eignet sich der Plattformvektor somit hervorragend als Forschungswerkzeug. Durch weitere Modifikationen mit dem Ziel, die Neurotoxizität von HSV1 zu inaktivieren, entstand ein attenuierter Vektor, der im Vergleich zum Ausgangsvektor die Viruslast im Gehirn von Mäusen signifikant reduziert und damit eine sichere Anwendung ermöglicht.
Als »Proof of Principle« haben wir bereits verschiedene Transgene in unterschiedlicher Kombination in den Plattformvektor implementiert. Dadurch konnte unter anderem die Zielsteuerung des TheraVision-Virus zu Tumorzellen optimiert werden. Zudem binden viruskodierte Immuncheckpoint-Inhibitoren an Rezeptoren des Immunsystems und sind folglich funktionsfähig. Diverse fremde Antigene, die zur Tumorvakzinierung beitragen können, konnten schließlich virusvermittelt exprimiert werden.
Insgesamt wurde damit die Basis für eine kombinierte Virus-Immuntherapie geschaffen, die eine effektive, sichere und nachhaltige Zerstörung von Tumoren sowie Metastasen ermöglicht und gleichzeitig die Gefahr von systemischen Nebenwirkungen minimiert.
Die neue Vektor-Plattform lässt sich aufgrund ihrer Modularität für viele Krebsarten modifizieren und als Impfstoff-Plattform anpassen.
Kontaktieren Sie uns bei Interesse!
Die Fähigkeit von Viren, Krebszellen abzutöten, ist seit langem bekannt, das therapeutische Potential von Viren ist jedoch erst im letzten Jahrzehnt in den Fokus gerückt. Erste Ergebnisse aus präklinischen und klinischen Studien mit therapeutischen Viren sind vielversprechend. Ein onkolytisches Virus auf Basis des Herpes-simplex-Virus 1 (HSV1), genannt Imlygic®, zur Therapie des malignen Melanoms erhielt 2015 als erstes onkolytisches Virustherapeutikum die Zulassung von der Food and Drug Administration (FDA), und wurde in Folge von der European Medicines Agency (EMA) anerkannt. Dieser Durchbruch ist stimulierend für die Entwicklung neuer viraler Therapeutika.
Biointelligent veränderte Viren entwickeln wir am Fraunhofer IGB seit Jahren für die sogenannte Tumorvakzinierung. Unser Spezialgebiet sind onkolytische Viren, die Krebszellen bekämpfen. Diese gelten als Hoffnungsträger in der Krebstherapie, da sie einerseits gezielt bösartige Zellen zerstören und andererseits gleichzeitig das Immunsystem des Patienten aktivieren.
Für diese Tumorvakzinierung haben wir Herpes-simplex-Viren so verändert und mit Informationen versehen, dass diese Krebszellen gezielt ansteuern, die entsprechenden Anweisungen dort ausgeführt werden und die Krebszellen anschließend zerstört werden. Aber nicht nur das: Auch die umgebenden eigenen Immunzellen des Körpers, die am Ort des Tumors aktiviert wurden, haben das Potenzial, sich in einem einzigartigen systemischen Effekt im ganzen Körper auszubreiten und damit Metastasen zu bekämpfen. Das Immunsystem wird dadurch zu einer schlagkräftigen, körpereigenen Therapie animiert.
Haben Sie Interesse an der Weiterentwicklung unserer patentierten Technologie, so sprechen Sie uns gerne an!
Impfstoffe schützen präventiv vor Infektionen durch bakterielle oder virale Erreger. Die Vakzine werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem zur Immunisierung an, ohne dass die jeweilige Krankheit ausbricht. Der Körper des Geimpften reagiert mit der Produktion von spezifischen Antikörpern (humorale Zellantwort) und bestenfalls auch mit einer robusten T-Zell-Antwort – einem weiteren wichtigen Baustein der Körperabwehr, die dann im Falle einer Infektion mit »echten« Viren diese schnell bekämpfen können.
Wir befassen uns am Fraunhofer IGB mit verschiedenen Ansätzen zur Optimierung bzw. Entwicklung von Impfstoffen:
Inaktivierte Impfstoffe, sogenannte Totimpfstoffe, bestehen aus Erregern, welche meist über toxische Chemikalien wie Formaldehyd inaktiviert werden. Die Inaktivierung ist langwierig, und die Chemikalien müssen nach ihrer Verwendung wieder aus dem Präparat entfernt werden. Außerdem werden durch die chemische Inaktivierung oft wichtige Proteine der Erreger zerstört, sodass der Impfstoff an Wirksamkeit verliert.
Im Fraunhofer-Projekt ELVIRA gelang es den vier Fraunhofer-Instituten IZI, IGB, FEP und IPA, eine physikalische Technologie zu etablieren, die diese Nachteile überwindet. Damit können Viren, Bakterien oder Parasiten mit niederenergetischen Elektronenstrahlen innerhalb von Sekunden – statt mehrerer Tage oder gar Wochen – und ohne Zusatz von giftigen Substanzen wie Formaldehyd, inaktiviert werden. Für die Impfwirkung wichtige Antigene bleiben in den bestrahlten Organismen nachweislich erhalten, während ihr Genom und damit ihre Infektiosität durch die Elektronen zuverlässig zerstört wird.
In einem von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung finanzierten Folgeprojekt eVaccine haben die Forscher zwei entsprechende Prototypen für die automatische Inaktivierung von Polioerregern entwickelt.
Haben Sie Interesse an der Anwendung des Elektronenstrahlverfahrens zur Inaktivierung Ihrer Impfstoffe? Wir kommen gerne mit Ihnen ins Gespräch!
Für eine schnelle Verfügbarkeit von Impfstoffen gegen neu auftretende Krankheitserreger ist der Einsatz von Plattformtechnologien zur vereinfachten Anpassung von Impfstoffen an neue Erreger oder auch genetische Varianten neuer Erreger unerlässlich.
Am Fraunhofer IGB haben wir auf der Basis eines abgeschwächten Herpes-simplex-Virus eine Engineering-Plattform entwickelt, die nicht nur für therapeutische (onkolytische Viren, siehe oben), sondern auch für präventive Zwecke (Impfstoffe) eingesetzt werden kann.
Durch den Einbau eines entsprechenden Impfantigens in die Virus-Plattform können Trägerviren als potenzielle Impfstoffe hergestellt werden. Das modulare virale System kann bei Bedarf schnell auf neu auftretende oder mutierte Erreger sowie als Kombinationsimpfstoff angepasst werden und somit auch die Bewältigung von Pandemien unterstützen.
Diese Plattform haben wir im am Fraunhofer IGB auch in dem Anti-Corona-Projekt CoroVaccz ur Entwicklung eines Corona-Impfstoffs gewählt. In Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig forschen wir an einem abgeschwächten SARS-CoV-2-spezifischen Impfvirus, der von einem Herpesvirus abgeleitet wurde, um mit diesem das Immunsystem des Geimpften zu aktivieren und so dauerhaft schützen zu können.
Haben Sie Interesse an der Weiterentwicklung unserer patentierten Technologie für Ihren Impfstoff, so sprechen Sie uns gerne an!
Eine weiteren neuen Ansatz für die Herstellung von Impfstoffen stellen die sogenannten virusähnlichen Partikel (englisch: virus-like particles) dar. Dies sind biobasierte Kapseln, die Viren nachahmen und sich zum Verpacken und zur Zielsteuerung von Wirkstoffen (Drug delivery) eignen. Zudem können sie hervorragend als Basis von Impfstoffen dienen, etwa gegen Viren, die sich in vitro nicht oder schwer züchten lassen, oder gegen Fremdproteine, die an der Oberfläche präsentiert werden.
Weitere Informationen zu den Virus-like particles finden Sie hier.
Bailer, S. M.; Funk, C.; Riedl, A.; Ruzsics, Z. (2017)
Herpesviral vectors and their application in oncolytic therapy, vaccination, and gene transfer
Virus Genes 53 (5): 741-748. doi: 10.1007/s11262-017-1482-7.
Striebinger, H., Funk, C., Raschbichler, V., Bailer, S. M. (2016)
Subcellular trafficking and functional relationship of the HSV-1 glycoproteins N and M
Viruses 8 (3): 83. doi: 10.3390/v8030083.
Funk, C.; Ott, M.; Raschbichler, V.; Nagel, C. H.; Binz, A.; Sodeik, B.; Bauerfeind, R.; Bailer, S. M. (2015)
The herpes simplex virus protein pUL31 escorts nucleocapsids to sites of nuclear egress, a process coordinated by its N-terminal domain
PLoS Pathog. 11 (6): e1004957. doi: 10.1371/journal.ppat.1004957.