Mikrobielle Katalyse

Der mikrobielle Stoffwechsel ist in der Lage, verschiedenste Substrate in eine Vielzahl von chemischen Verbindungen umzuwandeln. Wir machen uns dieses Prinzip zu Nutze und verwenden Mikroorganismen in integrierten Power‑to‑X‑to‑Y‑Prozessen, um die einfachen Verbindungen Methanol oder Ameisensäure (die direkt aus CO2 zugänglich sind) durch Fermentation in wertvolle chemische Produkte umzusetzen. Daneben beschäftigen wir uns mit zuckerhaltigen Substraten der nächsten Generation, wie zum Beispiel Xylose, welche aus Hemicellulose gewonnen werden kann.

Dafür nutzen wir moderne Methoden der Gentechnik. Durch Modellierung des Stoffwechsels mit angeschlossenem Metabolic Engineering und der synthetischen Biologie können wir zielgerichtet den Stoffwechsel von Mikroorganismen beeinflussen, verbessern und effiziente Produktionsstämme entwickeln. Dadurch verbinden wir die Skalierbarkeit von Power‑to‑X mit der Vielseitigkeit der industriellen Biotechnologie und können somit zahlreiche Vorstufen zu kommerziellen Produkten aus CO2 herstellen.

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Neue Möglichkeiten CO2-basierter Wertschöpfungsketten durch Kombination von Power-to-X und industrieller Biotechnologie

Detailaufnahme eines Bioreaktors zur Anzüchtung großer Mengen Biomasse von M. extorquens AM1.
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Detailaufnahme eines Bioreaktors zur Anzüchtung großer Mengen Biomasse von M. extorquens AM1.
Isolierter Farbstoff aus Bioreaktor-Kultivierungen von M. extorquens AM1 auf Methanol als Substrat oder auf Ameisensäure (Formiat) als Substrat.
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Isolierter Farbstoff aus Bioreaktor-Kultivierungen von M. extorquens AM1 auf Methanol als Substrat oder auf Ameisensäure (Formiat) als Substrat.

Power-to-X-to-Y-Kaskadenprozesse: Kombination von Power-to-X und industrieller Biotechnologie

Die Verknüpfung von Power-to-X- und CCU-Prozessen und ihren Vorteilen hinsichtlich Skalierbarkeit und Nachhaltigkeit mit den synthetischen Möglichkeiten der industriellen Biotechnologie – das ist das große Ziel unserer Forschung an Power-to-X-to-Y-Prozesskaskaden.

Das Prinzip fußt auf einer chemischen oder elektrochemischen Konversion von CO2 zu Methanol oder Ameisensäure und der anschließenden fermentativen Umsetzung dieser löslichen C1-Verbindungen durch methylotrophe bzw. formatotrophe Mikroorganismen. Die CO2-basierten Substrate Methanol und Ameisensäure ersetzen hierbei Zucker als konventionelles Substrat in der Biotechnologie und ermöglichen eine Fermentationsführung unabhängig von nahrungsmittelrelevanten Rohstoffen.

 

Unsere Entwicklung

Neben unseren Arbeiten zur chemischen und elektrochemischen CO2-Reduktion (s.o.) liegt der Forschungsfokus bei den Power-to-X-to-Y-Prozesskaskaden vor allem auf der Entwicklung geeigneter mikrobieller Produktionsstämme.

Dank unserer Expertise schaffen wir mit Methoden des Metabolic Engineering und systembiotechnologischen Ansätzen maßgeschneiderte Zellfabriken, welche die C1-Substrate gezielt umwandeln, beispielsweise in organische Säuren, Aminosäuren oder Diamine. Diese können wiederum als Monomere für die Herstellung verschiedener und vielfältiger Kunststoffe eingesetzt werden.

Weiterhin arbeiten wir an den Schnittstellen zwischen technischer CO2-Reduktion und fermentativem Folgeprozess und stimmen Prozessführung und Stoffströme so aufeinander ab, dass eine möglichst reibungslose und effiziente Prozessintegration gelingt.

Vorteile und Technologiereife

Durch die Kopplung von Power-to-X mit der industriellen Biotechnologie zu Power-to-X-to-Y-Prozesskaskaden bleibt die Rezyklierung von CO2 in CCU-Anwendungen nicht mehr auf die Synthese einfacher Produkte (»X«) wie Methanol oder Formiat beschränkt. Vielmehr können diese als Rohstoffe zukünftiger Raffinerien dienen, in denen durch geeignete Prozesskaskaden komplexere und wertvollere Plattformchemikalien (»Y«) hergestellt werden.

Der Vorteil der Nutzung von Methanol und Ameisensäure als Substrate liegt vor allem in deren Wasserlöslichkeit, die eine vergleichsweise einfache Fermentationsführung erlaubt.

Die derzeitige technologische Reife dieses Ansatzes liegt noch im Forschungsbereich. Aktuell arbeiten wir speziell an der Entwicklung leistungsfähiger Produktionsstämme und effizienter Fermentationsprozesse, um Produktausbeuten und -konzentrationen von industrieller Relevanz zu erzielen.

Auf einen Blick

  • Komplexe Produkte mit hohem Wertschöpfungspotenzial aus rein erneuerbaren Quellen
  • Nachhaltige Produktion durch CO2‑Kreislaufwirtschaft
  • Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen
  • Keine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion

 

Unsere Leistungen

  • Mikrobielle Stammentwicklung durch Metabolic Engineering
  • Fermentation (Labormaßstab) von C1-Substraten (z. B. Formiat, Methanol), Zuckern und anderen biogenen Rohstoffen zu chemischen Produkten
  • Konversion von C1-Substraten und anderen biogenen Substraten zu Terpenen (Carotinoiden), Aminosäuren und organischen Säuren
  • Biobasierte Polymerbausteine
  • Mikrobielle Elektrosynthese
Vereinzelungsausstrich zur Isolierung von Einzelkolonien von M. extorquens AM1 auf einer methanolhaltigen Minimalmedium-Agarplatte
© Fraunhofer IGB
Vereinzelungsausstrich zur Isolierung von Einzelkolonien von M. extorquens AM1 auf einer methanolhaltigen Minimalmedium-Agarplatte

Zusammenarbeit

Auf dem Gebiet der mikrobiellen Stammentwicklung und Produktaufreinigung (Downstream Processing, DSP) kooperieren wir insbesondere mit Partnern aus der Wissenschaft.

Mit Partnern aus der Industrie suchen wir die Zusammenarbeit zur Anwendung biotechnologischer Prozesse und zur Applikation der biotechnologisch synthetisierten Produkte. Von Interesse sind diese Produkte vor allem für Unternehmen der chemischen Industrie, etwa Firmen, die »grüne« Polymere oder Produkte aus nachhaltigen Plattformchemikalien herstellen.

Weitere Informationen

Methylotrophe Hefen für die industrielle Biotechnologie

Prozesskaskaden zur Synthese chemischer Produkte aus CO2 mit synthetisch methylotrophen Hefen als Produktionsstämmen

Biotechnologische Produktion organischer Säuren aus Methanol

Metabolic Engineering von Methylorubrum extorquens zur gezielten Produktion einfacher difunktioneller organischer Säuren 

Blog-Serie »Geld verdienen mit CO2«

Durch die Inklusion von CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe in den Sektoren Wärme und Verkehr im nationalen Emissionshandel ist der Klimawandel auch finanziell zu spüren. Dabei gibt es von Seite der Industrie offene Fragen: Können die mit den CO2-Emissionszertifikaten verbundenen Kosten für Unternehmen gesenkt werden?

 

Kann der Ausstoß von CO2 durch innovative und biointelligente Verfahren zur Nutzung von CO2 als Rohstoff reduziert und damit gleichzeitig Geld verdient werden?

Dr. Jonathan Fabarius geht diesen Fragen in seinen Blog-Artikeln auf den Grund.

Referenzprojekte

 

November 2023 – Oktober 2026

ECOMO –

Elektrobiokatalytische Kaskade zur Reduktion von CO₂ zu CO gekoppelt mit der fermentativen Produktion hochwertiger Diamin-Monomere

ECOMO vereint Bioelektrokatalyse, biohybride Materialwissenschaften, organische Synthese, technische Mikrobiologie und Verfahrenstechnik für die CO‑Gas-Fermentation zu Acetat und die anschließende fermentative Herstellung von Diaminen.



 

Januar 2021 – Dezember 2023

Fraunhofer-Leitprojekt »ShaPID«

Shaping the Future of Green Chemistry by Process Intensification and Digitalization

Die chemische Industrie ist für eine Vielzahl industrieller Wertschöpfungsketten unverzichtbar und einer der wichtigsten Impulsgeber für neue Produktentwicklungen und Innovationen. Globale Herausforderungen in den Bereichen Klimaschutz, Energie- und Ressourceneffizienz, gepaart mit den Forderungen aus Gesellschaft und Politik nach einer grünen, nachhaltigen Chemie, haben dazu geführt, dass sich die chemische Industrie ehrgeizige Ziele gesetzt hat, um ihre Produktionsprozesse zu defossilisieren und eine zirkuläre, treibhausgasneutrale Stoff- und Energiewandlung zu etablieren. Diese Transformation erfordert große Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen.

 

April 2021 – Dezember 2021

EVOBIO-Demo

Technologien für die Kläranlage der Zukunft

»Grünes« Methanol kann aus CO2 und erneuerbarer Energie hergestellt werden. Dadurch liegt sein Einsatz als zentraler Rohstoff einer nachhaltigen chemischen Industrie mit enormem Potenzial auf der Hand. Insbesondere die aktuellen politischen Rahmenbedingungen bieten Platz für diesen klimapositiven Ansatz. Vor diesem Hintergrund wurde das vom BMBF und Fraunhofer geförderte Verbundvorhaben EVOBIO im Folgeprojekt EVOBIO-Demo von einem Fraunhofer-Konsortium bestehend aus IGB, UMSICHT und IMW weitergeführt. Im Vordergrund steht die Weiterentwicklung einer biotechnologischen Produktionsroute für organische Säuren aus Methanol.

 

August 2020 – Dezember 2020

EVOBIO

Evolutionäre bioökonomische Prozesse

»Integrative Nutzung von Stoffströmen zur Herstellung optimierter Materialien für innovative Produkte in bioökonomischen Prozesskreisläufen«

Weltweit führen Wertschöpfungs- und Produktionsprozesse zu schädlichen Emissionen und nicht verwertbaren Abfällen und Abwässern. Im Projekt EVOBIO wurden daher Verfahrenskonzepte entwickelt und exemplarisch demonstriert, um Stoffströme, Materialien und Produkte vollständig nutzen zu können – in nachhaltigen, ressourcenschonenden bioökonomischen Prozesskreisläufen und durch rückstandsfreie Wiederverwendung der eingesetzten Ressourcen.

 

März 2016 – November 2019

CELBICON

Kosteneffiziente Umwandlung von Kohlendioxid in Feinchemikalien

Ziel des CELBICON-Projektes ist die Entwicklung von neuen »CO2-to-chemicals«-Technologien. Dieses Ziel wird durch die Kombination aus Absorption von CO2 aus der Luft, elektrochemischer CO2-Umsetzung zu C1-Intermediaten und einer abschließenden Fermentation der Intermediate zu höherwertigen Chemikalien erreicht.