Im Labor war die Abtrennung von hochreinem Xylan aus Buchenholz bereits gelungen. Allerdings mit noch geringer Effizienz, sodass nur zehn Prozent der Biomasse genutzt werden konnten und große Mengen an Rückständen anfielen. Daher setzten sich Forschende des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP), der Unternehmen HV-Polysaccharides (HVP) und Glatt Ingenieurtechnik (GIT) zusammen, um dieses Trennverfahren zu optimieren und in einen Pilotanlagenmaßstab zu überführen, wobei im Prozess neben Xylan auch andere Holzbestandteile wie Lignin und Faserstoff nutzbar werden.
Pharmazeutische Anwendung
Xylan und Lignin sind Bestandteile des Buchenholzes. Sie dienen als Hemizellulosen und Lignozellulosen der Zellwand als Stützgewebe. Lassen sich diese schwer löslichen Kohlenhydrate sehr rein extrahieren, sind sie als Pharma-Rohstoffe interessant. Potenzielle Anwendungsfelder liegen in der Behandlung von Adipositas, Diabetes, Thrombose, Dermatitis, virale Infektionen und Krebs. Für ligninhaltige Rezepturen wurde bereits der Weg in die pharmazeutische Zulassung zur Behandlung von Diarrhö geebnet.
Xylan-Extraktion – Xylan aus Buchenholz
Die HV-Polysaccharides (HVP) aus Thüringen hatte in einem vorangegangenen Forschungsprojekt ein hydrothermales Verfahren entwickelt, womit Xylan in einer bis dahin nicht realisierten Qualität extrahiert werden kann. Dadurch wird das Kohlenhydrat als Grundstoff für pharmazeutische Wirkstoffe interessant und verspricht sehr hohe Marktpreise.
Organosolov – Lignin aus Buchenholz
Das Fraunhofer-Institut für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna entwickelte in Zusammenarbeit mit der Linde Dresden Engineering GmbH wiederum das Verfahren Organosolv, mit dem sich nur mittels Wasser und Alkohol auf einem entsprechend hohem Temperatur- und Druckniveau hochreines Lignin aus Buchenholz herauslösen lässt.
Xylosolv – Xylan und Lignin aus Buchenholz
Im Projekt Xylosolv sollten diese beiden Prozesse gekoppelt und in zahlreichen Versuchsreihen die einzelnen Verfahrensschritte in einer Bioraffinerie‑Pilotanlage des Fraunhofer CBP optimiert werden. Ziel war es, dann auf Basis dieser Ergebnisse die Grundlagen für eine wirtschaftliche Umsetzung des kombinierten Verfahrens zu schaffen und in ein entsprechendes Anlagenkonzept zu überführen.
Nach zweijähriger Projektzeit können die Partner gute Ergebnisse vorweisen. Wenn auch ein zunächst angedachter kontinuierlicher Prozess nicht realisiert werden konnte, weil dadurch die gewünschten Xylanspezifikationen ausblieben, so konnten die Forschenden doch ein mehrstufiges Verfahren zur Extraktion der anvisierten Bestandteile aus Buchenholz entwickeln, das eine genaue Steuerung der Eigenschaften erlaubt, eine hohe Xylan-Ausbeute erzielt und den Einsatz von organischem Lösungsmittel einspart.
Buchenholzxylan
Die Extraktion von Xylan aus Buchenholz mit Hilfe von Wasser ist prinzipiell seit langem bekannt, wurde aber aufgrund der komplexen Prozessführung bisher nicht im industriellen Maßstab durchgeführt. Die zur Gewinnung von Buchenholzxylan angewandten Prozesse führten in der Vergangenheit wiederholt zu Schwankungen in der Qualität des hergestellten Xylans, sodass die Anwendung, insbesondere als Grundstoff für die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe, infrage stand. Darüber hinaus ist der bisherige Herstellungsprozess aus Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutzerwägungen nicht mehr zeitgemäß. Die verarbeitenden pharmazeutischen Unternehmen sind derzeit auf die Verwendung von Restbeständen angewiesen.
Buchenholz-Bioraffinerie für 2025 geplant
Aufgrund der positiven Projektergebnisse aus Xylosolv plant die HVP für 2025 nun die Umsetzung des Verfahrens in einer ersten Produktionsanlage für Xylan aus Buchenholz am Standort Bucha. Das Vorhaben wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Der Abschlussbericht steht auf fnr.de unter dem Förderkennzeichen 22021218 zur Verfügung.
Hintergrund
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) in Leuna schließt durch die Bereitstellung von Infrastruktur und Technikumsanlagen die Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung. So ermöglicht es Partnern aus Forschung und Industrie, biotechnologische und chemische Prozesse zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe bis in produktrelevante Dimensionen zu entwickeln und zu skalieren.
Die HV-Polysaccharides (HVP) wurde 2016 von Dr. Holger Wondraczek in Bucha mit dem Ziel gegründet, spezielle Pflanzeninhaltsstoffe (insbesondere Polysaccharide) für Anwendungen mit hohen qualitativen Anforderungen herzustellen, zu vertreiben und damit zusammenhängende Dienstleistungen zu erbringen. Das von der HVP konzipierte Trennverfahren für Xylan aus Buchenholz ist wasserbasiert und erlaubt dabei den kompletten Verzicht auf die sonst für den Pflanzenaufschluss üblichen Chemikalien.
Die Glatt Ingenieurtechnik GmbH, zugehörig zur weltweit agierenden Glatt-Gruppe, bringt eine langjährige und marktführende Expertise aus der Verfahrenstechnik und dem Apparatebau für Herstellung, Verarbeitung und Konfektionierung von dispersen Stoffsystemen mit. Im Mittelpunkt stehen dafür die Wirbelschichttechnik aber auch stoff- und anforderungsspezifische Alternativtechnologien. Mit der Übernahme der Mitarbeiter der Sparte „Biotechnologieanlagen“ aus dem Linde-Konzern konnten diese Kompetenzen Anfang 2016 um das Engineering biochemischer Prozess- und Anlagen erweitert und – gerade im Bereich Pharma – kombiniert werden.
Die FNR ist seit 1993 als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv. Sie unterstützt außerdem Forschungsthemen in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und innovative Holzverwendung.