Erfolgreiche Zusammenarbeit von Fraunhofer IGB und Beiersdorf

Reporterhautmodell mit Hamburger Forschungspreis für Alternativen zum Tierversuch ausgezeichnet

Fraunhofer IGB Presseinformation /

Die Hansestadt Hamburg vergibt in diesem Jahr bereits zum vierten Mal ihren Forschungspreis für Alternativmethoden zum Tierversuch. Bei der Preisverleihung am 30. September 2024 nahmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und Beiersdorf die Auszeichnung für ihr gemeinsam entwickeltes Reporterhautmodell entgegen. Mit diesem Testsystem können chemische Substanzen einfach, schnell und präzise auf toxische Wirkungen untersucht werden. Die Neuentwicklung bedeutet einen großen Sprung im Bereich der Tierversuchsalternativen, denn sie bietet im Vergleich zu herkömmlichen Systemen entscheidende Vorteile in ihrer Anwendbarkeit und Aussagekraft und schließt somit vorhandene Lücken.

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Die beteiligten Projektpartner freuen sich über den ersten Preis (v.l.n.r): Katrin Brandmair, Dr. Jochen Kühnl, Dr. Johanna Ebmeyer und Dr. Andreas Schepky von der Beiersdorf AG sowie Dr. Anke Burger-Kentischer, Doris Finkelmeier und Denise Dising vom Fraunhofer IGB.
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Die Preisträgerinnen des Fraunhofer IGB (v.l.n.r.): Doris Finkelmeier, Dr. Anke Burger-Kentischer und Denise Dising.
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Die Preisträger des Hamburger Forschungspreises mit Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank und Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina.

Ob Pharmazeutika, Kosmetika, Pflanzenschutzmittel, Biozide oder andere Chemikalien – bei chemischen Substanzen muss sichergestellt sein, dass sie für die Verbraucherinnen und Verbraucher unbedenklich sind. Während dies früher durch ethisch problematische Tierversuche sichergestellt wurde, setzen moderne Angänge auf Alternativmethoden. Mittlerweile hat auch die Politik reagiert: Bei Kosmetika sind Tierversuche bereits seit 2013 EU-weit verboten, andere Stoffe unterliegen den Bestimmungen der europäischen Chemikalienverordnung, kurz REACH. Der Bedarf an Alternativmethoden zur Testung von Substanzen ist enorm. Ein Ansatz sind etwa künstliche Hautmodelle auf Basis humaner Zellen, wie sie am Fraunhofer IGB in der Forschungsabteilung Zell- und Gewebetechnologien entwickelt werden.

Mit ihrer jüngsten patentierten Neuentwicklung, dem Nrf2-Reporterepidermismodell zum Nachweis der hautsensibilisierenden Wirkung von Substanzen, belegte die Forschungsabteilung des Fraunhofer IGB nun den mit 30.000 Euro dotierten ersten Platz beim diesjährigen Forschungspreis zur Förderung der Entwicklung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch der Stadt Hamburg. Das Modell wurde in Zusammenarbeit mit dem Kosmetikspezialisten Beiersdorf, einem der führenden Hautpflegeunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg, getestet. So nahmen die Projektleiterin am IGB, Dr. Anke Burger-Kentischer mit ihren Mitarbeiterinnen Doris Finkelmeier und Denise Dising, die Auszeichnung am Montag, den 30. September 2024, gemeinsam mit den Expertinnen und Experten für Toxikologie aus der Forschung und Entwicklung bei Beiersdorf Dr. Johanna Ebmeyer, Katrin Brandmair, Dr. Jochen Kühnl und Dr. Andreas Schepky bei der feierlichen Preisverleihung im Hamburger Rathaus entgegen.

 

Komplexe Reporterhaut mit eingebautem Reportergen für schnelle und genaue Resultate

Überzeugt haben die Jury die besonderen Eigenschaften der neu entwickelten organtypischen Reporterhaut. Diese besteht aus humanen Zellen – primären, immortalisierten Keratinozyten, die in vitro eine mehrschichtige und stratifizierte Epidermis ausbilden und somit eine vollwertige physiologische Hautbarriere darstellen. Aufgrund dessen liefert die Reporterhaut wesentlich aussagekräftigere Ergebnisse als bisher übliche einlagige Zellkulturen.

Der Aufbau des patentierten Reporterhautmodells aus immortalisierten Keratinozyten garantiert eine hohe spenderunabhängige Reproduzierbarkeit. Die Aktivierung eines für Hautstress spezifischen zellulären Stresssignalwegs in diesen primären immortalisierten Keratinozyten kann über ein Reporterprotein, dessen Bauplan stabil über ein Reporterkonstrukt in das Genom integriert wurde, schnell und einfach ausgelesen werden.

Die Zellreaktionen erfolgen innerhalb von Minuten oder Stunden. Hautstressoren können somit extrem schnell identifiziert werden. Zudem müssen die Zellen für eine Auswertung nicht zerstört werden, was eine Untersuchung über einen zeitlichen Verlauf hinweg ermöglicht – praktisch in Echtzeit. Zu guter Letzt erschließt das Modell potentielle neue Anwendungsfelder, etwa als Testsystem auch für wasserabweisende und feste Substanzen, wie Öle und Ölgemische oder Textilien und Lebensmittel.

 

Forschung und Industrie – Hand in Hand für bessere Testverfahren ohne Tierleid

Das in der Zusammenarbeit des Fraunhofer IGB mit der Beiersdorf für Testungen optimierte Reporterhautmodell verzichtet vollständig auf den Einsatz tierischer Inhaltsstoffe. Einsatzgebiete sind die Untersuchung der Sensibilisierung durch Substanzen, die mit der Haut in Kontakt kommen, allen voran Kosmetika, aber ebenso Biozide/Pestizide, Pharmazeutika, Farben und Lacke sowie Reinigungsmittel. Um sicherzustellen, dass die Tests unabhängig vom Labor reproduzierbar sind, fanden die Testungen sowohl am Fraunhofer IGB als auch bei Beiersdorf statt. Die Forschungsergebnisse wurden bereits Anfang des Jahres in einer gemeinsamen Publikation in der Fachzeitschrift Toxicology veröffentlicht.

Diese gemeinsame erfolgreiche Forschung wird jetzt durch eine Projektförderung der International Collaboration on Cosmetics Safety, kurz ICCS, zur Prüfung des Reporterhautmodells als standardisierte und anerkannte Alternativmethode fortgesetzt. In dieser global agierenden Initiative haben sich mehr als 35 Kosmetikhersteller und -lieferanten, Verbände sowie Organisationen zusammengeschlossen, darunter auch Beiersdorf. Gemeinsam verfolgen die ICCS Mitglieder das Ziel, die Akzeptanz tierversuchsfreier Methoden in der Sicherheitsbewertung kosmetischer Produkte zu erhöhen.

 

Hamburg macht sich mit Förderpreis für das Tierwohl stark

Dass sich Hamburg in besonderem Maße für das Tierwohl engagiert, geht auf die Initiative der städtischen Behörden für Justiz und Verbraucherschutz (BJV) und für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung und Bezirke (BWFGB) zurück. Mit deren Förderpreis sollen besonders innovative und vielversprechende Forschungsprojekte unterstützt werden, deren Ergebnisse einen wesentlichen Beitrag zum Ersatz oder der Minimierung von Tierversuchen leisten. Das Ziel ist, Schmerzen, Leiden oder Schäden für Tiere zu vermeiden.

In jeder Ausschreibungsrunde – inzwischen alle drei Jahre − werden Forschungsprojekte ausgezeichnet. In diesem Jahr gab es 15 Bewerbungen, aus denen ein wissenschaftlich versiertes Gremium schließlich drei Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt hat – darunter das Fraunhofer IGB und sein Partner die Beiersdorf. Frau Dr. Burger-Kentischer und ihr Team nahmen mit Freude den mit 30.000 Euro dotierten ersten Preis aus den Händen von BJV-Senatorin Anna Gallina und Katharina Fegebank, ihrem Pendant an der BWFGB, entgegen.