Bioprinting – Optimierte Biotinten für die additive Fertigung

Die Medizin der Zukunft ist biologisch. Um das Konzept biologischer Implantate und personalisierbarer Therapien Wirklichkeit werden zu lassen, optimieren Wissenschaftler am Fraunhofer IGB biologische Materialien für die Verarbeitung mit 3D-Druck-Verfahren.

Bioprinting verfolgt das Ziel, genau wie das klassische Tissue Engineering auch, biologische oder biologisch funktionelle Gewebe im Labor herzustellen. Die gedruckten In-vitro-Gewebe sollen als Testsysteme Fragen zur Wirksamkeit von Wirkstoffkandidaten beantworten und damit helfen, Tierversuche zu ersetzen. Oder in Zukunft als biologische Implantate geschädigte Gewebe zur Regeneration anregen oder substituieren.

Bioprinting.
© Fraunhofer IGB
Bioprinting.

Physiologisches Gewebe aus gedruckten Biomaterialien

3D-Druck von Knochentinte.
© Fraunhofer IGB
3D-Druck von Knochentinte.

»Für die Körperzellen, die wir aus Gewebe isolieren und im Labor vermehren, müssen wir dazu eine Umgebung schaffen, in der sie ihre spezifischen Funktionen auch über längere Zeit erfüllen können«, schildert Dr. Kirsten Borchers eine der Herausforderungen. Die beste künstliche Umgebung für die Zellen ist die, die den natürlichen Bedingungen im Körper möglichst nahekommt. »Die Aufgabe der Gewebematrix übernehmen in unseren gedruckten Geweben daher Biomaterialien, die wir aus den Molekülen der natürlichen Gewebematrix herstellen«, erklärt die Wissenschaftlerin.

Damit die Biomaterialien mittels 3D-Druck in Form gebracht werden können, müssen ihre Fließeigenschaften an die jeweils verwendete Drucktechnik angepasst werden. Nach dem Druckprozess wird die erzeugte Struktur dann zusätzlich durch eine zellverträgliche Vernetzungsreaktion stabilisiert. Diesen Herausforderungen stellen sich Borchers und ihre Kollegen Prof. Dr. Günter Tovar und Dr. Achim Weber mit ihrem Team.   

Flexible Formen und standardisierte Bedingungen durch additive Herstellung

»Um im Labor Gewebe aufzubauen, die ebenso gut funktionieren wie ihre natürlichen Vorbilder, benötigen wir neben dem optimalen Biomaterial auch Herstellungsprozesse, die uns hinsichtlich der Formgebung möglichst wenig Grenzen setzen«, erläutert Borchers.  

»Additive Verfahren bieten diesbezüglich große Flexibilität. Mit ihrer Hilfe lassen sich dreidimensionale Objekte, die zuvor am Computer entworfen wurden, Schicht für Schicht aufbauen«, so Weber. Die flexible Formgebung ist dabei vor allem in Hinblick auf die Vision, gedruckte biologische Implantate zu fertigen, von Bedeutung. Denn moderne bildgebende Diagnoseverfahren, die heute vielfach schon im medizinischen Alltag eingesetzt werden, können genau die digitalen 3D-Daten liefern, die für individualisierte Implantate erforderlich sind.

Borchers ergänzt: »Die additive Verarbeitung von Gewebematrix und Zellen zu Gewebemodellen bietet aber noch einen weiteren Vorteil: Automatisierung und digitale Steuerung könnten in Zukunft garantieren, dass die Fertigung unter kontrollierten und standardisierten Bedingungen erfolgen kann«.

Auf dem heutigen Stand der Technik werden 3D-Druckverfahren genutzt, um in einfach aufgebauten Gewebemodellen unterschiedliche Zellen und Biomaterialien sowie Strukturen wie Perfusionskanäle für die Versorgung der Zellen zu kombinieren [1]. Der Forschungszweig, der sich mit dem Aufbau von biologischen Strukturen mithilfe von additiven Fertigungsverfahren befasst, wird als Bioprinting bezeichnet.

Der Zusatz von Hydroxylapatit (HAp) zu Knochentinte steigert die Remodellierung der Matrix während der Kultivierung von osteogen differenzierten mesenchymalen Stammzellen.
© Fraunhofer IGB
Der Zusatz von Hydroxylapatit (HAp) zu Knochentinte steigert die Remodellierung der Matrix während der Kultivierung von osteogen differenzierten mesenchymalen Stammzellen.

Ein Materialbaukasten mit natürlichen Biopolymeren

Kapiallarbildung in Vaslularisierungstinte.
© Fraunhofer IGB
Kapiallarbildung in Vaslularisierungstinte.

Typischerweise hat die Gewebematrix die Konsistenz eines stark wasserhaltigen Gels. Im Knochen sind zusätzlich mineralische Komponenten eingelagert. Damit liefert die extrazelluläre Matrix (EZM) die mechanische Stabilität von Geweben. Darüber hinaus ist die Gewebematrix aber auch an der interzellulären Kommunikation beteiligt. Diese umfassenden Funktionen sind nicht einfach durch synthetische Materialien nachzubilden.

»Unser Ansatz ist daher, die aus dem Portfolio der Natur rekrutierten Biopolymere für die technische Verarbeitung zu optimieren«, sagt Borchers. Natürliche, biofunktionale Moleküle der Gewebematrix wie Gelatine, Heparin, Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat werden am IGB chemisch mit zusätzlichen Funktionen versehen. »Durch ›Maskierung‹ bestimmter Seitenketten der Biomoleküle können wir beispielsweise intermolekulare Wechselwirkungen reduzieren und dadurch die Viskosität und das Gelierverhalten von Gelatinelösungen beeinflussen«, erklärt die Wissenschaftlerin. Andererseits können reaktive Gruppen eingefügt werden, um die Biomoleküle beispielsweise durch einen Lichtstimulus chemisch zu Hydrogelen zu vernetzen, die unter physiologischen Bedingungen wasserunlöslich sind. Über das Verhältnis der eingeführten maskierenden Acetyl- und der reaktiven Methacrylfunktionen lassen sich sowohl das Fließverhalten der Lösungen als auch die Quelleigenschaften der vernetzten Hydrogele einstellen [2-3].

Optimierte Biotinten für biologisch funktionelle Gewebe

Die »Biotinte« ist das Biomaterial in seiner unvernetzten, druckbaren Form: Durch gezielte Variation der Zusammensetzung werden Biotinten für den Druckprozess und gleichzeitig für die Förderung gewebespezifischer Funktionen optimiert. Auf Basis des verfügbaren Materialbaukastens konnte Borchers mit ihren Kolleginnen und Kollegen bereits erfolgreich »Knochentinten« und »Vaskularisierungstinten« herstellen. Beide Biotinten sind Dispersionen aus Biomolekülen und gewebetypischen Zellen, die sich über Dispensierprozesse stabil in eine 3D-Struktur bringen lassen.

Biotinten für funktionale Knochengewebe und Gefäße

Im folgenden stellen wir zwei Biotinten vor, die einzeln oder in Kombination eingesetzt werden können, um vaskularisierte Gewebemodelle aufzubauen.

Knochentinte 

Die Knochentinte enthält einen Massenanteil von 13 Prozent vernetzbarer Biopolymere und als gewebespezifisches mineralisches Additiv einen Massenanteil von 5 Prozent Hydroxylapatit (HAp). Der Anteil von HAp ist so abgestimmt, dass die Vitalität der eingesetzten mesenchymalen Stammzellen und die Vernetzungsreaktion der Hydrogele nicht beeinträchtigt werden [4]. Der Anstieg der Viskosität der Tinte aufgrund der Zugabe des HAp ist durchaus erwünscht. Durch die Wahl eines geeigneten Verhältnisses der verfügbaren Gelatinederivate mit unterschiedlichen Gelierfähigkeiten kann dann beispielsweise eine Geliertemperatur von 21,5 °C eingestellt werden. Die Knochentinte besitzt damit eine exzellente Extrudierbarkeit bei Raumtemperatur.

Im Rahmen von Forschungsarbeiten konnte gezeigt werden, dass nach der Venetzung der Tinte zum Hydrogel die mineralische Komponente die Remodellierung der Matrix durch die darin enthaltenen Zellen förderte. Die mechanische Festigkeit der Gele erhöhte sich im Verlauf der vierwöchigen Kultivierung deutlich stärker, wenn HAp in der Matrix enthalten war, als in Trägergelen ohne HAp [5]. Raman-spektroskopische Analysen lassen vermuten, dass der beobachtete Effekt hauptsächlich auf eine zunehmende Mineralisierung der Matrix zurückzuführen ist. Zusätzlich weisen knochentypische Markerproteine darauf hin, dass die mesenchymalen Stammzellen in den gedruckten Matrices zu Knochenzellen differenzierten. 

Vaskularisierungstinte

Die Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff über gefäßartige Strukturen ist vor allem für größere In-vitro-Gewebe wichtig, da Diffusionsvorgänge zu lange dauern. Die Endothelzellen, die die Gefäße von innen auskleiden, spielen bei der Neubildung und dem Wachstum neuer Gefäße eine wichtige Rolle.

Die Vaskularisierungsmatrix muss andere Eigenschaften aufweisen als die Knochenmatrix. Sie muss in erster Linie weich und weniger stark vernetzt sein, damit die Endothelzellen migrieren können und Kapillargefäße ausbilden. Die am IGB entwickelte Vaskularisierungstinte enthält daher nur 5,75 Prozent Massenanteil vernetzbarer Biopolymere. Diese besitzen zudem einen niedrigen Methacrylierungsgrad und vernetzen somit weniger stark als die Knochentinte. Durch den Zusatz von Gelatinederivaten mit Maskierung können am IGB weiche Vaskularisierungsgele (Speichermodul von 2,7 kPa ± 0,31 kPa) mit hoher Wasseraufnahmekapazität (Quellungsgrad im Gleichgewicht > 2000 Prozent) hergestellt werden. Durch Variieren des Anteils unmodifizierter Gelatine (welche bereits bei Raumtemperatur geliert), konnte eine Biotinte hergestellt werden, die bei Raumtemperatur stabil druckbar ist. Bringt man mikrovaskuläre Endothelzellen in diese Gele ein, findet die Ausbildung kapillarähnlicher Strukturen statt.

Gewebemodell für vaskularisierten Knochen.
© Fraunhofer IGB
Gewebemodell für vaskularisierten Knochen.

Literatur

  1. Kang, H.-W.; Lee, S. J.; Ko, I. K.; Kengla, C.; Yoo, J. J.; Atala, A. ( 2016) A 3D bioprinting system to produce human-scale tissue constructs with structural integrity, Nature Biotechnology 34: 312-319.
  2. DE 10 2012 219 691 B4 Modifizierte Gelatine, Verfahren zu ihrer Herstellung und Verwendung (2014).
  3. Hoch, E.; Hirth, T.; Tovar, G.; Borchers, K. (2013) Chemical tailoring of gelatin to adjust its chemical and physical properties for functional bioprinting, Journal of Materials Chemistry B 1: 5675-5685.
  4. Wenz, A.; Janke, K.; Hoch, E.; Tovar, G.; Borchers, K.; Kluger, P. (2016) Hydroxylapatite-modified gelatin bioinks for bone bioprinting, BioNanoMaterials 17: 179-184.
  5. Wenz, A.; Borchers, K.; Tovar, G.; Kluger, P. (2017) Bone matrix production in hydroxylapatite-modified hydrogels suitable for bone bioprinting, Biofabrication 9: 044103.    

Forschungsfeld Bioprinting

Schon seit mehreren Jahren befasst sich das Fraunhofer IGB mit dem Bioprinting. In dem Fraunhofer-internen Projekt BioRap wurden zunächst die Grundsteine für die additive Fertigung mit biologischen Zellen und Biomaterialien gelegt, die im EU-Projekt ArtiVaSc bereits eingesetzt werden konnten.

Zusammenarbeit mit dem IGVP an der Universität Stuttgart

Das wissenschaftlich anspruchsvolle und herausfordernde Forschungsfeld bedarf auch implizit der Erforschung grundlegender Fragestellungen. Das IGB arbeitet daher eng mit seinem Partnerinstitut an der Universität Stuttgart, dem Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP, zusammen.

Hier betreut Dr. Kirsten Borchers zusammen mit Prof. Dr. Günter Tovar (und bis 2017 auch mit Prof. Dr. Petra Kluger) Doktorarbeiten und studentische Abschlussarbeiten im Bereich Biomaterialentwicklung. Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil der Doktorarbeit von Annika Wenz (Stipendium der Carl Zeiss Stiftung) und der Masterarbeit von Julia Rogal.

Wir bedanken uns bei allen Zuwendungsgebern für die Förderung unserer Arbeiten.