Biofilme – Vermeiden, nutzen und kontrollieren

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme eines Biofilms von Candida albicans.

Mikroorganismen an Oberflächen sind in der Natur weit verbreitet. Bakterien, Pilze und Algen haben sich an ein Wachstum auf verschiedenen Oberflächen angepasst und profitieren in erheblichem Maß von dieser an den jeweiligen Standort adaptierten Lebensweise, beispielsweise auf Steinen in einem Bach – aber auch in Rohrleitungen. Sichtbar wird ihr Wachstum für das menschliche Auge dann, wenn sich Biofilme in exorbitantem Ausmaß entwickeln. Häufig bewirkt das mikrobielle Wachstum eine Schädigung des Materials oder eine Funktionsminderung technischer Einrichtungen.

Wechselwirkungen zwischen mikrobiellen Zellen und Oberflächen

Am Fraunhofer IGB arbeiten wir seit mehreren Jahren an Fragestellungen, bei denen die Wechselwirkungen zwischen mikrobiellen Zellen und Oberflächen bzw. die Bildung von Biofilmen eine Rolle spielen. Einerseits nutzen wir Biofilme, z. B. durch gezielte Immobilisierung von Mikroorganismen an einem Trägermaterial, zur Produktion von Wertstoffen oder bei der Abwasserreinigung.

Auch die Vermeidung und Bekämpfung von Biofilmen – dort wo sie unerwünscht sind und Schäden verursachen – unterstützen wir durch unsere Forschung. So haben wir Prüfverfahren für die Untersuchung von Biofilmen entwickelt und untersuchen Oberflächen und Bauteile in Medizintechnik, Bau, Abwasserreinigung und Hygiene auf mikrobiologische Kontaminationen.

Beispiele für Schäden durch Biofilme sind die Verschlechterung des Wirkungsgrades von Wärmetauschern oder Klimaanlagen. Auch im Gesundheitssektor werden enorme Anstrengungen unternommen, um das Wachstum von Biofilmen an natürlichen Oberflächen wie Zahnmaterial, aber auch an synthetischen Materialien wie Implantaten, Kathetern oder medizinischen Geräten zu verhindern – auch wegen enormer Folgekosten im Falle einer Schädigung des Menschen.

Was sind Biofilme?

Biofilme sind Lebensgemeinschaften von Bakterien, Pilzen oder Algen, die sich an Oberflächen anheften und dort aufwachsen. Sie können aus Individuen einer einzigen Spezies oder aus Mischpopulationen verschiedener Organismenarten zusammengesetzt sein. Dabei sind sie an die jeweilige Umgebung angepasst und verfügen über eine höhere Resistenz gegenüber Umgebungsbedingungen. Charakteristisch ist, dass die Zellen von einer mikrobiell induzierten Matrix – die Extrazelluläre polymere Substanz EPS – aus Polysacchariden, einer Vielzahl von Proteinen, Lipiden und oft auch von extrazellulärer DNA umgeben sind. Sie bieten der Population Schutz vor chemischen und physikalischen Umwelteinflüssen wie Desinfektionslösungen, Bioziden, Antibiotika oder Strahlung. Diese Struktur lässt sich auch durch kräftiges Spülen nicht mehr von der Oberfläche entfernen. Aus dem Biofilm werden einzelne Zellen freigesetzt, die sich an einer anderen Stelle wieder ansiedeln und einen neuen Biofilm bilden können.

Überall, wo Biofilme Sie beschäftigen, unterstützen wir Sie!

Heutzutage verfolgen wir einen gesamtheitlichen Ansatz zur Kontrolle von Biofilmen. Um unerwünschte Biofilme nachhaltig und effektiv aus dem Prozess zu entfernen, setzen wir auf eine Strategie, bei der wir einzelne Konzepte und Methoden kombinieren:

  • Die Anzahl an Mikroorganismen im Prozessstrom reduzieren
  • Nährstoffströme reduzieren
  • Antimikrobielle Oberflächenmodifikation
    • Verhinderung der Adhäsion von Mikroorganismen
    • Freisetzung biozider Substanzen
  • Auswahl von einfach zu reinigenden Oberflächen (Easy-to-clean-Eigenschaften)
  • Kontinuierliches Monitoring (Fest installierte Sensorik als Frühwarnsysteme und zur Reinigungskontrolle)

Anwendungsbeispiele

Oberflächenbeschichtung zur Steuerung der Adhäsion von Mikroorganismen an Oberflächen

Antimikrobielle Oberflächen durch Einsatz natürlicher Wirkstoffe

Biofilme – Beratung und Leistungsspektrum

  • Studien und wissenschaftliche Begleitung zur Vermeidung und Kontrolle von Biofilmen
  • Entwicklung, Optimierung und Überprüfung von erwünschten Biofilmen, die sich positiv auf das Verfahren oder System auswirken (z. B. Biofilter, Biowäscher, Abwasserreinigung)
  • Lokalisierung von Biofilmen oder Belägen im Prozessstrom
  • Charakterisierung und Speziesidentifizierung (FISH, DNA-Barcoding)

Umfangreiches Methodenspektrum und Infrastruktur

  • Mikrobiologische Laboratorien mit einer modernen Ausstattung sowie ein entsprechend qualifiziertes Team erlauben den Umgang mit Mikroorganismen der Risikogruppen 1 und 2.
  • Kulturbasierte und molekularbiologische Methoden
  • Verfahren zur Bewertung der Adhäsionseigenschaften und der Biofilmbildung unter statischen und dynamischen Bedingungen.
    • Durchflusszellen
    • Mikrofluidik
  • Biofilmreaktoren (z. B. CDC, Drip-Flow, Ribbons-Device, …)
  • Raman mit 532 nm, 785 nm Laser und CARS-Technologie
  • Bildgebende Verfahren
    • REM-Aufnahmen
    • Fluoreszenzmikroskopie (FISH, Zeiss LSM 710)
  • Quantitative Echtzeit-PCR (qRT-PCR LightCycler 480)
  • Echtzeit-Impedanz-Analytik (ACEA xCELLigence) zur Wirkstoffuntersuchung an Biofilmen
  • Qualitative und quantitative Messverfahren mit der Möglichkeit, verschiedene Werkstoffe oder Produkte für den industriellen Einsatz zu prüfen (Technikum- und Pilotierungsmaßstab)

Referenzprojekte

BIOCLEAN –

Biofilm-Management und -Reinigung durch die Nutzung des grundlegenden Verständnisses von kombinierten biologischen, chemischen und physikalischen Ansätzen

 

BIOCLEAN widmet sich dem dringenden Bedarf nach einem nachhaltigen Ausbildungsnetzwerk zwischen Wissenschaft, Industrie und dem Gesundheitswesen., um hochqualifizierte, multidisziplinäre junge Wissenschaftler mit Kompetenzen in den Bereichen Chemie, Ingenieurwesen und experimenteller Nasslaborbiologie hervorzubringen. Damit schließt es eine Lücke in Europa und darüber hinaus.

 

Laufzeit: Oktober 2016September 2020

Demo-medVer – Dezentrale mobile medizinische Versorgung mit autarken Testplattformen zum Einsatz in Schwellenländern

Aufgrund mangelnder hygienischer Voraussetzungen ist das Risiko der weiteren rasanten Ausbreitung von Covid-19 in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern besonders hoch. Fraunhofer Forschende entwickeln autark arbeitende, voll- und teilmobile Plattformen zur Testung auf SARS-CoV-2 für den Einsatz in Slums, Flüchtlingslagern, Ballungs- und ländlichen Räumen.

BioCapabili – Antibakterielle Knochenimplantate zur Vermeidung lokaler Infektionen

Im binationalen Projekt BioCapabili arbeiten das Fraunhofer IGB und das französische Carnot-Institut CIRIMAT zusammen, um bioaktive, biomimetische CaP-Apatite mit verschiedenen antimikrobiellen Verbindungen auszurüsten und umfassend zu untersuchen. CaP-Apatite wurden am CIRIMAT hergestellt, mit dem Fokus auf Synthese, Charakterisierung und Oberflächenaktivität. Alternative Oberflächenmodifikationen sowie die biologische Charakterisierung der modifizierten CaP-Apatite erfolgten am Fraunhofer IGB.

 

FoaM-BUILD – Wärmedämmverbundmaterial mit Feuchtigkeitskontrollystem zur Vermeidung von mikrobiellem Bewuchs

Ein leichter, nanozellulärer Schaum mit sehr geringer Wärmeleitfähigkeit und nicht-halogenierten Flammschutzmitteln soll dabei entwickelt werden. Des Weiteren sorgt ein Feuchtigkeitskontrollsystem – basierend auf einem Sensornetzwerk – für die gezielte Trocknung der Fassade um mikrobiologisches Wachstum zu verhindern.

Laufzeit: September 2013 – August 2017