AQUA-Hub − Fraunhofer IGB unterstützt Markterschließung in Indien für Wassertechnologien aus Deutschland
Indiens Städte wachsen rasant und benötigen eine leistungsfähige Infrastruktur für die Versorgung mit Wasser und die Entsorgung von Abwasser. Deutsche Unternehmen bieten in diesem Bereich innovative Lösungen, finden aber oft keinen Zugang zum indischen Markt. Dank seiner umfangreichen Erfahrung mit Projekten in Indien kann das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnologie IGB dabei helfen, Nachfrage und Angebot zusammenzuführen. Zu diesem Zweck richtet das Institut nun das Innovationsnetzwerk »AQUA-Hub« ein, um zwischen deutschen Wassertechnologie-Anbietern und indischen Bedarfsträgern zu vermitteln.
An der Einwohnerzahl gemessen ist Indien nach China das zweitgrößte Land der Welt. Ein anhaltend starkes Bevölkerungswachstum und eine schnell zunehmende Verstädterung stellen das Land dabei vor große Herausforderungen. Eine davon ist der Aufbau einer effektiven und belastbaren Infrastruktur zur Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und zur möglichst nachhaltigen Reinigung und Wiederverwendung von Abwasser. Entsprechendes Know-how ist somit äußerst gefragt. Gleichzeitig verfügen deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen über diese Expertise und können innovative Technologien anbieten. Allerdings gestaltet sich die Markterschließung oftmals schwierig, da die von Geschäftspartnern erwartete Präsenz vor Ort für viele Firmen, vor für allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), eine Herausforderung darstellt. Weitere Herausforderungen sind ein Mangel an Kontakten, fehlende Kenntnisse über den Markt oder unzureichendes Wissen über Kultur, Gepflogenheiten und Begebenheiten vor Ort.
»Hier kommt das Fraunhofer IGB ins Spiel. Denn dank unserer langjährigen Erfahrung mit Forschungsprojekten im Bereich der Wassertechnologien und des Wassermanagements auf dem indischen Subkontinent verfügen wir über die benötigten Kenntnisse und Kontakte, um deutschen Akteuren den Zugang zum indischen Markt zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen«, erklärt Dr.-Ing. Marius Mohr, Leiter des Innovationsfeldes Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung des Stuttgarter Forschungsinstituts. »Diese Expertise stellen wir mit weiteren indischen und deutschen Partnern zukünftig im Rahmen des Vorhabens AQUA-Hub zur Verfügung, das eine Schnittstelle zwischen der Nachfrage in Indien und den passenden Lösungen aus Deutschland etablieren soll.«
AQUA Hub: Ankerzentrum für Demonstrationsprojekte und Anlaufstelle für Kooperationen
Mohr und sein Team haben in den letzten Jahren mehrere Vorhaben in Indien umgesetzt. Unter der Ägide des Projektleiters Marc Beckett sollen die aktuellen Aktivitäten des IGB in dem asiatischen Land nun im AQUA-Hub gebündelt werden. »Derzeit führen wir in Indien vier Projekte durch«, berichtet der studierte Umweltwissenschaftler. »AQUA-Hub übernimmt die Aufgabe, den indisch-deutschen Austausch und die Zusammenarbeit im Wasserbereich zu stärken und die Vermittlung von Geschäftsanbahnungen, sowie die Umsetzung von Projekten zu fördern. Damit ist der AQUA-Hub die logische Weiterentwicklung zu den Arbeiten im Rahmen von Smart Water Future India (SWF-India). »Diese Kooperationsplattform verbindet lokale und deutsche Akteure und dient dazu, die Umsetzung von Demonstrationsvorhaben zu fördern«, so Beckett weiter. »In AQUA-Hub wird durch die Pilotierung von Messtechnik die Aufmerksamkeit und Sensibilität für Technologien aus Deutschland auf dem indischen Markt erhöht.«
Smart City Coimbatore – Monitoring-Systeme und Software »Made in Germany« im Einsatz
Das erste AQUA-Hub-Projekt wird im südindischen Coimbatore gemeinsam mit dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main durchgeführt. Beide Partner setzen damit an den Ergebnissen und Bedarfen an, die im vorangehenden Projekt Smart Water Future India zusammen mit Stakeholdern vor Ort erarbeitet wurden. In Coimbatore stehen die Stadtplaner vor dem Problem, dass die lokalen Gewässer durch die städtischen Abwässer stark belastet sind. Die Seen im Stadtgebiet stellen jedoch einen wichtigen natürlichen Regenwasserspeicher für die Stadt dar und leisten als Naherholungsgebiet auch einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität der Bevölkerung.
Um den Umfang des Problems zu erfassen, setzen die Wissenschaftler des IGB und des ISOE zusammen mit den Technologie-Partnern Online-Messtechnik und Software zum Wasser-Monitoring ein und sammeln damit Daten zur Wasserqualität. Das IGB ist dabei zuständig für die Auswahl der Parameter und Sensorik, die technische Beratung der Konzeption sowie in Kooperation mit dem ISOE für die Auswertung der Analysen und Ableitung von Handlungsempfehlungen. Für ihre Messungen nutzen die IGB-Wissenschaftler intelligente Monitoring-Systeme und Software »Made in Germany«. Die auf diese Weise erhobenen physikalischen und chemischen Daten sollen den lokalen Akteuren die Grundlage schaffen, die Entwicklung der Wasserqualität zu erfassen und aufbauend strategische Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässergüte zu ergreifen. Darüber hinaus soll auch die zufließende Wassermenge sensorisch erfasst werden. »Das Ziel ist, die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt zu erhöhen, und die Region um die Gewässer aufzuwerten«, so Beckett. »Außerdem erhofft sich die Stadtverwaltung, dadurch neue Investoren zu gewinnen, um auch einen wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt zu erreichen.«
Smart City Solapur − Sensorgestützte Wasserüberwachung im örtlichen Wasserwerk
Die zweite »Smart City« neben Coimbatore ist das zwischen Mumbai und Hyderabad gelegene Solapur. Der Aufbau des AQUA-Hubs wird hier mit dem Pilotierungsvorhaben »Smart Water Quality Monitoring« verknüpft, das von der Umwelttechnik BW GmbH koordiniert wird, der baden-württembergischen Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz. Finanziert wird das Projekt durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. IGB-Wissenschaftler Beckett und seine Projektpartner implementieren dafür in Solapur eine sensorgestützte Wasserüberwachung im Wasserwerk Soregaon. »Die installierten Sensoren messen pH-Wert, Leitfähigkeit, Trübung und Temperatur, sowie die ankommende Wassermenge«, erklärt Beckett. »Die Betreiber sind verpflichtet, diese zu erfassen und zu melden. Aktuell werden sie einmal am Tag gemessen. Mit Hilfe der Sensoren wird dies vereinfacht und es lassen sich viel mehr Daten generieren, um Rohwasser, Aufbereitungsprozesse und das abgehende Trinkwasser zu überwachen und Maßnahmen zu Verbesserung der Qualität und Prozesse zu identifizieren.
Das Projekt umfasst zudem die Implementierung eines Photometers im lokalen Labor. Damit sollen weitere Parameter gemessen werden, die aktuell unregelmäßig bis gar nicht erfasst werden, wie z. B. Nitrat.« Die Aufgaben des IGB innerhalb des Projekts umfassen die Auswahl der Parameter und Koordinierung der deutschen und indischen Partner bei der Implementierung der genutzten Messtechnologie und Dateninfrastruktur. Das Institut wird weiterhin die erfassten Sensor- und Labordaten zusammenführen und daraus konkrete Handlungsempfehlungen für die Stadtverwaltung ableiten. Das Vorhaben dient als Referenz für die Messtechnik und ihre deutschen Anbieter. Um diese Referenz soll der AQUA-Hub aufgebaut und langfristig der Bedarf nach weiteren Lösungen in der Region gedeckt werden.
AQUA-Hub: Verstetigung der deutsch-indischen Zusammenarbeit
Die Aufgaben des IGB innerhalb des AQUA-Hub umfassen neben den koordinativen Tätigkeiten auch die Vernetzung und Kommunikation mit anderen Projekten und Initiativen, wie ShowCaseIN oder das Morgenstadt-Projekt in der Stadt Kochi im Rahmen des gleichnamigen globalen Smart-City-Netzwerks. Beim ShowCaseIN-Projekt beteiligt sich das IGB am Konsortium um aqua & waste International GmbH und Kuhn GmbH bei der Durchführung einer Machbarkeitsstudie für eine Demonstrationskläranlage in Indien. Das Institut bringt seine wissenschaftliche Expertise sowie seine konkreten Erfahrungen und Netzwerke aus vorherigen Projekten auf dem indischen Subkontinent in die Studie ein.
In AQUA-Hub werden Water Innovation Hubs in den beiden Städten Solapur und Coimbatore pilotiert. Die Projektaktivitäten werden in beiden Städten von Hub-Managern unterstützt. Sie bilden das Bindeglied zwischen den Stakeholdern vor Ort und dem Projektteam.
Im Rahmen des Vorhabens wird nun geprüft, welches Potenzial sich aus dem Konzept erschließt und welche Möglichkeiten der Verstetigung bestehen. Dabei richtet sich der Blick insbesondere auf die mögliche Übertragbarkeit in andere Regionen Indiens. Unterstützt wird das Projekt durch das Indien-Büro der Fraunhofer-Gesellschaft mit Sitz in Bangalore.