Fraunhofer CBP feiert 10-jähriges Jubiläum
Pilotierung von Prozessen zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe für eine beschleunigte industrielle Umsetzung
Seit mehr als 10 Jahren entwickelt und skaliert das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP am Chemiestandort Leuna Verfahren, um Chemikalien, Materialien und Werkstoffe aus regenerativen Ressourcen wie Holz, Stroh, Reststoffen oder CO2 herzustellen sowie neue Prozesse der industriellen Biotechnologie zu pilotieren. Dabei beschleunigt das CBP nicht nur die industrielle Implementierung nachhaltiger Technologien und Produkte, sondern setzt als zentraler Akteur einer Bioökonomie in Mitteldeutschland wichtige Impulse für die Region und weit darüber hinaus. Am 3. Mai 2023 würdigten Politik, Wirtschaft und Forschung die Erfolge des Fraunhofer CBP bei einer Festveranstaltung zu seinem 10-jährigen Bestehen.
Regenerative Roh- und biogene Reststoffe haben das Potenzial, fossiles Öl und Gas zu ersetzen und damit das Klima zu schützen. Um aus Biomasse chemische Grundstoffe herzustellen, sind neue biotechnologische und chemische Verfahren notwendig, die es aus dem Labor- in den industriellen Maßstab zu übertragen gilt. Seit mehr als zehn Jahren schließt das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP erfolgreich diese Lücke zwischen Forschung und Umsetzung.
Am 3. Mai 2023 feierte das Fraunhofer CBP sein 10-jähriges Bestehen. Rund 80 geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft folgten der Einladung zur Festveranstaltung im Kulturhaus Leuna. Nach Grußworten und Vorträgen zu Herausforderungen und Lösungen der Bioökonomie-Forschung nahmen die Gäste anschließend die Gelegenheit wahr, die Pilotanlagen am Fraunhofer CBP zu besichtigen.
In seinem Grußwort betont Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann: »Fraunhofer-Institute gestalten Zukunft – das gilt gerade für das CBP. In Leuna arbeiten Forscherinnen und Forscher seit mehr als zehn Jahren für die Zukunftsfähigkeit der Chemieindustrie. Ihre wichtige Mission: weg von fossilen Energieträgern, hin zu nachwachsenden Rohstoffen – und das im industriellen Maßstab. Dies stärkt die Bioökonomie als Innovationstreiber und Standortvorteil für Mitteldeutschland und unterstützt den notwendigen Strukturwandel im südlichen Sachsen-Anhalt.«
Prof. Dr. Axel Müller-Groeling, Vorstand für Forschungsinfrastrukturen und Digitalisierung der Fraunhofer-Gesellschaft, ergänzt: »Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna hat seit seiner Gründung eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Forschung und Entwicklung von chemisch-biotechnologischen Prozessen in Deutschland gespielt. Als Teil des Forschungsnetzwerks der Fraunhofer-Gesellschaft hat es dazu beigetragen, das Profil der Gesellschaft auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken.«
Im Anschluss wurde am CBP die EthaNa®-Pilotanlage zur schonenden Verarbeitung von Rapssaat eingeweiht, mit der die Wertschöpfung aus Raps zukünftig erweitert werden kann. Nach dem Prinzip einer Bioraffinerie liefert die Anlage nicht nur Rapsöl in Vorraffinat-Qualität, sondern auch ein an hochwertigen Proteinen reiches Rapskernkonzentrat, in Ethanol gelöste sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe sowie Rapsschalen als weitere Produkte. Als Ölsaaten-Bioraffinerie steht die EthaNa®-Pilotanlage am CBP nun Ölmühlen für Testläufe zur Verfügung, um Produktmuster im größeren Maßstab bereitzustellen. Die Anlage wurde in dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekt EthaNa ausgelegt und errichtet.
»Auf mehr als 2000 Quadratmetern stellt das CBP Infrastruktur und modernste modular verschaltbare Anlagen bereit, um für und mit Partnern neu entwickelte Verfahren zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Größenordnungen zu testen, welche für industrielle Anwendungen relevant sind«, sagt Dr. Markus Wolperdinger, Institutsleiter des Fraunhofer IGB. Neben der neuen Ölsaaten-Bioraffinerie verfügt das Fraunhofer CBP über die europaweit erste frei zugängliche Lignocellulose-Bioraffinerie zum Aufschluss von Holz nach dem Organosolv-Verfahren, verschiedenste Prozesskapazitäten für biotechnologische und chemische Umsetzungen sowie Aufbereitungs- und Aufarbeitungstechniken.
An der flexibel einsetzbaren Fermenterkaskade können biotechnologische Fermentationen von 10 Liter auf bis zu 10 Kubikmeter Reaktorvolumen skaliert werden. »Seit der Eröffnung 2012 haben die CBP-Forschenden hier mehrere hundert Fermentationen durchgeführt und pilotiert, ob zur Herstellung von organischen Säuren, von Milchproteinen oder von Enzymen, im Auftrag von Start-ups und KMU aus Deutschland, Europa und dem außereuropäischen Ausland«, so Wolperdinger. Hier rentiert sich auch die enge Kooperation mit der ebenfalls im Chemiepark ansässigen EW Biotech GmbH. So arbeiten die Partner in Entwicklungsprojekten ebenso zusammen wie auch bei der Herstellung von Produktmustern, wenn zusätzliche Kapazitäten oder ergänzendes Equipment zur Aufarbeitung gefragt sind.
»Ermöglicht wurde der Aufbau des Prozesszentrums, das nach knapp zweijähriger Bauzeit am 2. Oktober 2012 durch die damalige Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff in Betrieb genommen wurde, durch Zuwendungen des Landes Sachsen-Anhalt und der Fraunhofer-Gesellschaft«, erinnert Wolperdinger. Ein weiterer Teil der Mittel wurde im Rahmen von Forschungsprojekten mit Unterstützung der Bundesministerien für Bildung und Forschung, Ernährung und Landwirtschaft sowie des Bundesumweltministeriums aufgebracht. Insgesamt wurden für das Kernprojekt inklusive Gebäude, technischer Ausstattung und Anschubfinanzierung einer Fraunhofer-Projektgruppe 53 Millionen Euro investiert. Bereits Mitte 2010 nahm die Projektgruppe unter der Leitung von Dr. Gerd Unkelbach – mit damals drei Mitarbeitenden – ihre Arbeit auf.
Ein Engagement, das sich ausgezahlt hat. Nach Ablauf der fünfjährigen Anschubfinanzierung und erfolgreicher Evaluierung im Jahr 2014 wurde die Projektgruppe als Institutsteil des Fraunhofer IGB in die Bund-Länder-Finanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft überführt. »Heute arbeiten rund 50 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker am Fraunhofer CBP. Es wurden aber nicht nur hochwertige Arbeitsplätze am CBP geschaffen, sondern auch wichtige Impulse für die Entwicklung einer Bioökonomie-Region im mitteldeutschen Chemiedreieck gesetzt«, resümiert Wolperdinger.
Eine wesentliche Rolle hierbei spielte und spielt das in Halle ansässige Cluster BioEconomy e.V., das sich unter der wissenschaftlichen Koordination des IGB 2012 beim dritten Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung als Gewinner platzieren konnte. Zu dem heute 44 Mitglieder zählenden Netzwerk gehören neben dem CBP weitere Fraunhofer-Einrichtungen sowie die Universitäten in Halle-Wittenberg und Leipzig, Konzerne und Mittelständler.
Zusammen mit Aktivitäten von Land und Kommunen trug das Wirken des BioEconomy-Clusters in enger Abstimmung mit dem CBP auch Früchte bei der Ansiedlung des finnischen Unternehmens UPM. Auf dem InfraLeuna-Gelände baut UPM derzeit die erste großindustrielle Holz-Bioraffinerie, mit der das Unternehmen ab 2024 den Wandel von fossilen auf nachwachsende Rohstoffe einläuten will – auch mit Unterstützung zweier ehemaliger Mitarbeiter des Fraunhofer CBP.
Mit dem vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES betriebenen Hydrogen Lab Leuna in direkter Nachbarschaft zum CBP hat 2021 zudem die erste Pilotanlage für die Testung und Skalierung von Wasserstoff-Elektrolysesystemen ihren Betrieb aufgenommen, die vollständig in einen Chemiepark integriert ist. In enger Kooperation untersucht das Fraunhofer CBP die Prozesse, um den erzeugten grünen Wasserstoff unter den realen Bedingungen eines fluktuierenden Wasserstoffstroms in chemische Grund- und Kraftstoffe umzuwandeln.
Eine für Fraunhofer einmalige Erfolgsgeschichte schrieb das CBP in einer langjährigen Kooperation mit der deutsch-französischen Firma Global Bioenergies (GBE). Im Auftrag von GBE errichtete das CBP in einem seiner technischen Module eine Demonstrationsanlage für die fermentative Herstellung des chemischen Grundstoffs Isobuten aus nachwachsenden Rohstoffen. Nach weniger als drei Jahren Bauzeit nahm GBE im Mai 2017 die Anlage mit einem Fermentationsvolumen von 5000 Litern in Betrieb. Während des operativen Betriebs, ebenfalls im Auftrag von GBE, konnte das Team am CBP den Herstellungsprozess bis zum Abschluss des Projekts 2021 mit zahlreichen Fermentationen weiter optimieren.
Parallel gelang es den CBP-Forschenden, in ihren eigenen Anlagen die Umwandlung von biobasiertem Isobuten zu Kraftstoffadditiven zu demonstrieren und 2017 weltweit erstmals vollständig regeneratives Ethyl‑tert‑butylether (ETBE) zu produzieren. Hierfür übertrugen sie etablierte chemisch-katalytische Verfahren auf die Anforderungen der biogenen Rohstoffquelle.
»Am CBP haben wir in enger Interaktion mit unseren Partnern seit mehr als 10 Jahren umfangreiches Wissen und breite technologische Kompetenz bei der Entwicklung von Prozessen zur Konversion und Nutzung biogener Rohstoffe sowie zur Skalierung von biotechnologischen Prozessen aufgebaut. Dadurch gelingt es regionalen und internationalen Partnern, neue und innovative Technologien in die Anwendung zu bringen und die Transformation hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie entscheidend voranzutreiben. Ich danke daher allen, die den Aufbau des Fraunhofer CBP ermöglicht und zu seinem Erfolg beigetragen haben«, so Wolperdinger.