Plasmatechnologie zur Erhaltung des kulturellen Erbes

Bedeutung und wissenschaftliche Herausforderung zur Erhaltung des kulturellen Erbes

Fotografie eines mikrobiell kontaminierten Buches.
© Fraunhofer IGB
Fotografie eines mikrobiell kontaminierten Buches.

Über tausende von Jahren haben die Menschen Zeugnisse ihrer Kulturen hinterlassen. Europa ist reich an Kunst- und Kulturgütern und führt mit mehr als 200 Eintragungen die UNESCO-Weltkulturerbeliste an. Europa ist mit seiner Kunst und Kultur darüber hinaus ein touristischer Anziehungspunkt. Dadurch stellt unser Kulturerbe auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Jedes Jahr verzeichnet Europa neue Rekorde an Besuchen aus aller Welt: Heute kommen etwa 300 Millionen Besucher nach Europa, und bis zum Jahr 2025 erwartet die Welt Tourismus Organisation über 800 Millionen. Allein Deutschlands Museen ziehen mehr als 100 Millionen Besucher pro Jahr an. Das sind weit mehr als die Fussballstadien an Besuchern verzeichnen. Zum Beispiel sorgten die Touristen in London für einen Umsatz vonsage und schreibe 14 Milliarden Euro im Jahre 2003.

Plasmatechnologie - Innovationsmotor für Industrie, Forschung und Geisteswissenschaften

Die Plasmatechnologie ist auf Grund ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten eine Schlüsseltechnologie, die nicht nur bereits in vielen Bereichen industriell etabliert ist, sondern nach wie vor einen Innovationsmotor darstellt. Optimierung der Prozesse, Weiterentwicklung der Anlagentechnik, Anpassung an immer kompliziertere Fragestellungen erfordern interdisziplinäre Forschungsprojekte. Eine besondere Herausforderung stellt hierbei der Einsatz der Plasmatechnologie für den Erhalt des kulturellen Erbes und der damit verbundenen konservatorischen und restauratorischen Massnahmen dar. Dies gelingt nur in enger Kooperation mit geisteswissenschaftlichen Institutionen, da dort das kulturelle Erbe gesammelt, bewahrt und erhalten wird. Deshalb ist das Fraunhofer IGB Gründungsmitglied der Forschungsallianz Kulturerbe.

www.forschungsallianz-kulturerbe.de

Was ist Plasmatechnik?

Die Plasmatechnik nutzt das physikalische Prinzip der Plasmaerzeugung, wie es z. B. auch in Neonröhren eingesetzt wird, zur gezielten Modifizierung von Materialoberflächen.

Materialoberflächen können dabei

  • gereinigt,
  • modifiziert oder
  • beschichtet werden.

Plasmaunterstützte Prozesse sind bereits in unterschiedlichsten Produktionsabläufen Stand der Technik.

Plasmatechnologie zur Restaurierung historischer Papiere

Eine mit Schimmelpilz kontaminierte Buchseite vor und nach einer Plasmabehandlung.
Eine mit Schimmelpilz kontaminierte Buchseite vor und nach einer Plasmabehandlung.
Reißdehnung nach Behandlung mit verschiedenen Plasmagasen.
Reißdehnung nach Behandlung mit verschiedenen Plasmagasen.

Die Plasmatechnologie eignet sich prinzipiell zur Inaktivierung von Pilzen und zur Entfernung von locker aufliegenden Pilzhyphen im Bild. Aufgrund der Prozesstechnik ist jedoch bisher nur eine Einzelseitenbehandlung möglich, wobei das zu behandelnde Blatt gewendet werden muss, wenn auf beiden Seiten Kontamination vorliegen. Sehr dicke Kontaminationsschichten sind jedoch nur schwer oder mit langen Behandlungszeiten zu entfernen. Dabei müssen die Parameter auch so optimiert werden, dass eine Beeinträchtigung des Papieres vermieden wird. So konnte an einem Beispiel gezeigt werden, dass bei der Verwendung reduzierend wirkender Prozessgase sogar eine geringe Verfestigung eines Holzschliffpapieres erwirkt werden konnte. Oxidierend wirkende Plasmen sind zwar auch effektiver bei der Inaktivierung der Mikroorganismen, können aber auch die Cellulosefasern angreifen.

Plasmatechnologie zum Reinigen von Silberobjekten

Plasmabehandlung eines Serviettenrings.
Plasmabehandlung eines Serviettenrings.

Silberobjekte zeigen nach Lagerung häufig eine graue bis schwarze Verfärbung, die durch die Bildung von Silbersulfid verursacht wird. Wasserstoffhaltige Plasmen können dieses Silbersulfid sehr leicht wieder in reines Silber umwandeln ohne dass es zu einem Abtrag von Silber kommt.

Plasmen zur Behandlung archäologischer Funde

Münzen und Nagel.
Münzen und Nagel.

Die Erhaltung archäologischer Funde als Zeitzeugen vergangener Kulturen ist ein weiterer wesentlicher Aspekt bei der Erhaltung des kulturellen Erbes. Metallische Funde sind meist umgeben von einer Agglomeratschicht, die entfernt werden muss, um das Objekt freizulegen und zu konservieren. Es hat sich gezeigt, dass die Behandlung solcher Fundstücke in reduzierenden Plasmen dazu führt, dass die nachfolgende mechanische Freilegung leichter und schonender erfolgen kann und zum Teil auch eine partielle Reduktion der in der Kruste enthalten Oxide erfolgt.

Parylenschichten als Schutzschichten auf Kulturgütern

Im Plasma gereinigte Kuchengabel aus Silber, die mittels einer Parylenschicht vor erneutem Anlaufen geschützt ist.
Im Plasma gereinigte Kuchengabel aus Silber, die mittels einer Parylenschicht vor erneutem Anlaufen geschützt ist.

In einer speziellen Anlage können sogenannte Parylenschichten auf Objekte appliziert werden. In einem aktuellen Forschungsprojekt wird zur Zeit geprüft, welche Substrate behandelt werden können. Neben Ausgrabungsobjekten werden auch gereinigte Silberproben, um das Wiederanlaufen zu verhindern, beschichtet, aber auch Gewebe, Kunststoffe oder Pastellgemälde zur Verfestigung der Farbe untersucht. Die Schichthaftung wird über Primerschichten beeinflusst und auf das Objekt angepasst. Dabei wird auch die Reversibilität untersucht. Auf glatten metallischen Oberflächen, lassen sich die Parylenfilme wieder leicht entfernen. Weitere Infos 

Weiterführende Literatur

  • U. Vohrer, M. Anders, I. Trick, C. Oehr,Plasmatechnologie in der Restaurierung, Restauro 1 (1996) 40-43
  • U. Vohrer, Plasma treatment – an increasing technology for paper restoration, Surface Coating and Technology 142-144 (2001) 1069-1073
  • U. Vohrer, I. Trick, Stop dem Buchverfall, Labor2000 (2000) 112-115
  • B. Koch, I. Trick, U. Vohrer, Stopp dem Buchzerfall, Spektrum der Wissenschaft 4 (2000) 85-87
  • Joachim Bernhardt, Erhaltung von historischen Dokumenten unter der besonderen Berücksichtigung der Plasmatechnik, Doktorarbeit Universität Stuttgart Institut für Textil- und Faserchemie