Verstärkter Einsatz von Biokatalysatoren in der pharmazeutischen Industrie
In der Waschmittelindustrie haben sie erfolgreich Einzug gehalten – der Einsatz von Enzymen kann aber auch für die Pharma- und Lebensmittelindustrie vorteilhaft gegenüber chemischen Synthesen sein, beispielsweise dann, wenn hohe Reinheiten nur eines Enantiomers gefordert sind.
Biokatalysatoren haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Alltagsbereiche des Menschen erobert: Die in Waschmitteln enthaltenen Enzyme sorgen für »porentief« reine Wäsche. Sie entfernen Blut- und Eiflecken genauso gründlich wie Kakao und Fett. Auch als Sensoren werden sie zunehmend eingesetzt. Sie messen zuverlässig Schadstoffe in unserer Umwelt und helfen bei der Bestimmung des Zuckergehalts im Blut von Diabetikern.
Seit kurzem werden mit Hilfe von Enzymen oder Mikroorganismen sogar wertvolle Verbindungen für die chemische und pharmazeutische Industrie hergestellt. Insbesondere bei der Synthese chiraler Verbindungen werden Biokatalysatoren immer häufiger verwendet.
»Chirale Moleküle unterscheiden sich lediglich in ihrer räumlichen Anordnung – sie verhalten sich wie zwei Spiegelbilder zueinander«, erläutert Dr. Hiltrud Lenke vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB die Besonderheit dieser Verbindungen. Doch meist ist nur eine der beiden Varianten als Medikament, Pflanzenschutzmittel oder Nahrungsbestandteil wirksam. Das Spiegelbild ist nutzlos oder hat – wie der Contergan-Fall zeigte – sogar gesundheitsschädliche Nebenwirkungen. Daher muß die Synthese der Stoffe so gesteuert werden, daß nur die benötigte Verbindung entsteht. Und dabei können Biokatalysatoren helfen.
Kürzlich ist es am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart gelungen, ein chemo-enzymatisches Verfahren zur Synthese chiraler Amine zu entwickeln. Mit Hilfe von Amidasen werden Amide zu Aminen umgesetzt, wobei die gewünschte chirale Variante mit mehr als 99 Prozent Reinheit hergestellt wird. Dieser hohe Reinheitsgrad ist auch notwendig, da Amine bei der Produktion vieler Medikamente als Zwischenprodukt eingesetzt werden. Für diese neuartige Synthesetechnik hat das IGB sogar ein Patent angemeldet.
Obwohl die Natur über eine Vielzahl solcher stereoselektiver Katalysatoren verfügt, werden bislang nur wenige Enzyme in der synthetischen Chemie eingesetzt. »Die Suche nach den für einen technischen Einsatz geeigneten Biokatalysator ist sehr zeit- und arbeitsintensiv«, so die Erfahrung von Hiltrud Lenke. Und viele Firmen scheuen diese kostenintensive Recherche.
Das Fraunhofer IGB plant daher, mit Hilfe teilautomatisierter Verfahren eine effiziente Suche nach gewünschten Biokatalysatoren für verschiedenste Einsatzgebiete anzubieten. »Diese Verfahren könnten analog zum Wirkstoff-Screening in der Pharmaindustrie eingesetzt werden. Im Idealfall wird eine Probe automatisch analysiert und dann das geeignete Enzym ermittelt«, erläutert die Wissenschaftlerin.