Plasmatechnik und Entwicklung von Plasmaverfahren

Vielseitige Plasmatechnik: Oberflächen abtragen, funktionalisieren oder beschichten

Stentbeschichtung im Plasma.
Stentbeschichtung im Plasma.

Die Plasmatechnik heute eines der wichtigsten Werkzeuge zur Herstellung hochwertiger dünner Schichten und folglich Schlüssel für innovative Oberflächen oder neue Produkte. Die zum Einsatz kommenden Plasmen sind so genannte Niedertemperatur-Plasmen im Gasdruckbereich vom Feinvakuum bis hin zu Subatmosphärendruck. Die Verwendung solcher Plasmen ermöglicht uns eine schonende und kontrollierte Prozessführung.

Mit diesen Techniken können wir Oberflächen abtragen (z. B. reinigen) oder auch chemische Funktionen aufbringen (Funktionalisierung). Es können auch dünne Schichten aufpolymerisiert werden (z. B. Kratzschutzschichten). Die individuelle Einstellung von Gaszusammensetzung, Energieeintrag und weiteren Prozessparametern ermöglicht ein breites Spektrum chemischer, physikalischer und biologischer Oberflächenmodifikationen.

 

Vorteile

Die Plasmabehandlung von polymeren Materialien hat mehrere Vorteile, verglichen mit der klassischen nasschemischen Ausrüstung: 

  • Optimierung der Oberflächeneigenschaften ohne Veränderung der Volumencharakteristik
  • An Polymeren, die nicht oder nur schwer mit nasschemischen Verfahren modifiziert werden können, können ebenfalls die Oberflächeneigenschaften geändert werden.
  • Der Verbrauch von Chemikalien ist aufgrund des physikalischen Vakuumprozesses gering.
  • Der Prozess wird trocken in einem geschlossenen System ausgeführt dadurch ist der Prozess sicher und zuverlässig.
  • Umweltfreundlich

Was ist ein Plasma und wie funktioniert die Plasmabehandlung?

Definition Plasma

Ein Plasma wird physikalisch definiert als ein ionisiertes Gas mit exakt gleicher Anzahl positiver und negativer Ladungen. Es lässt sich über einen sehr breiten Bereich von Druck und Temperatur realisieren. Beispiele sind die Sonne, ein Blitz, eine Flamme oder die Neonlampe.

Prinzip der Plasmabehandlung

Die Plasma-Atmosphäre besteht aus freien Elektronen, Radikalen, Ionen, UV-Strahlung und einer großen Anzahl unterschiedlich angeregter Teilchen, je nachdem, welches Gas verwendet wird. Die Abbildung unten verdeutlicht das Plasmaprinzip.

In der Plasmakammer werden verschiedene reaktive Spezies erzeugt, die mit der Substratoberfläche wechselwirken und diese reinigen, modifizieren oder beschichten, je nach den eingestellten Prozessparametern.

Weiterhin kann die Plasmabehandlung mit unterschiedlicher Prozessführung ausgeführt werden:

  1. Die Substrate werden direkt in der Plasmazone behandelt.
  2. Die Proben werden ausserhalb der Plasmazone positioniert; dieser Prozess wird Remote-Prozess genannt.
  3. Die Substrate werden im Plasma aktiviert und direkt anschliessend eine Pfropfreaktion ausgeführt.
  4. Die Substrate werden vorher mit einer Polymerlösung oder einem Polymergas beaufschlagt und diese durch das nachfolgende Plasma fixiert bzw. polymerisiert.

Wie wirkt das Plasma?

Plasmakammer.
Plasmakammer.

Energiereiche und reaktive Teilchen aus der Plasmagasphase bombardieren alle mit ihnen in Kontakt stehenden Werkstoffe. Dabei können sie, je nach Prozessführung,

  • die Oberfläche abtragen,
  • chemische Funktionen auf der Oberfläche erzeugen oder
  • Schichten abscheiden.

Abtrag, Funktionalisierung und Abscheidung finden bei jeder Plasmabehandlung als elementare Prozesse gleichzeitig statt. Dadurch können Plasmaverfahren zum

  • Ätzen, Reinigen, Aktivieren,
  • chemischen Funktionalisieren und
  • Beschichten eingesetzt werden.

Welcher der Prozesse das Nettoergebnis der Behandlung bestimmt – ob schliesslich eher geätzt oder beschichtet wird – hängt von verschiedenen Parametern bei der Prozessführung ab. Wir ermitteln für jede Aufgabenstellung die jeweils optimalen Parameter für die angestrebte Veränderung der Oberflächeneigenschaften.

 

Je nach Behandlungsparametern können im wesentlichen folgende vier Effekte erwirkt werden:

  1. Reinigung /Ätzabtrag: Der reinigende Effekt ist meist mit einer Veränderung der Benetzbarkeit und topographischer Veränderungen (siehe Punkt 2) verbunden. Dies führt z. B. zu einer Verbesserung der Bedruckbarkeit, der Anfärbbarkeit, der Adhäsion usw.
  2. Erhöhung der Mikrorauigkeit: Dies bewirkt z. B. eine verbesserte Filzfreiausrüstung von Wolle.
  3. Radikalstellenbildung: Durch die Radikalstellen kommt es zu Sekundärreaktionen, wie z. B. die Vernetzung. Weiterhin stellen sie den Ausgangspunkt für Pfropfpolymerisationen und die Reaktion mit Luftsauerstoff zur Hydrophilierung dar.
  4. Durch die Plasmapolymerisation ist man in der Lage, Schichten mit gewünschten Eigenschaften auf den Substraten abzuscheiden.

Beispiel: Plasmaoxidation von Polyethylen

Animiertes Schema.
Animiertes Schema.
en
Plasmaoxidation von Polyethylen.

Die Animation (links) zeigt nur einen der möglichen Reaktionsverläufe bei der plasmachemischen Oberflächen-Oxydation von Polyolefinen. Die Reaktion wird durch atomaren Sauerstoff initiiert, der Wasserstoffatome von der Oberfläche abstrahiert. Die so gebildete Radikalstelle kann mit molekularem Sauerstoff unter Bildung einer Hydroperoxid-Gruppe reagieren, die zur einer Ketogruppe zerfallen kann.

Neben Ketogruppen werden auch Aldehyd-, Carboxyl- sowie Hydroperoxid-, Hydroxid- und Äther-Gruppen gebildet (Abbildung oben). Ausserdem führt Plasmaoxydation zu einer Kettenspaltung und dem Materialabtrag. Unter genauer Kontrolle der Reaktionsbedingungen ist eine gezielte Funktionalisierung der Oberfläche möglich.

Literatur: F.Clouet and M.K.Shi, J. Appl. Polym.Sci. , v.46, p.1955 (1992)

Plasmaanlagen

Eine typische Plasmaanlage besteht aus fünf Modulen bzw. Funktionen: Vakuumsystem, Energieversorgung, Abstimmeinheit, Reaktionskammer und Kontrolleinheiten.

  • Vakuumsystem: Die Niederdruckplasmabehandlung arbeitet im Druckbereich zwischen 0,1 mbar und 1 mbar mit einem kontinuierlichen Gasfluss in die Reaktionskammer. In einigen Fällen ist es jedoch notwendig, dass der Basisdruck vor der Behandlung auf Werte unterhalb 0,1 mbar gesenkt wird.
  • Energieversorgung: Sie liefert die notwendige elektrische Energie, um das Plasma zu zünden. Die Leistung variiert zwischen 10 und 5000 Watt, abhängig von der Größe des Reaktors und der gewünschten Behandlung. Zur Anregung kann ein großer Bereich von Frequenzen, von Gleichstrom bis hin zu Mikrowelle eingesetzt werden.
  • Reaktionskammer: Sie ist das »Herz« der Anlage und kann an den Prozess angepasst werden. Das zu behandelnde Material kann im batch, halbkontinuierlich oder von Luft-zu-Luft behandelt werden. Letzteres ist aufgrund der erforderlichen Schleusentechnik sehr teuer.
  • Kontrolleinheit: Sie kontrolliert alle Prozessvariablen: Gasart, Druck, Gasfluss, Leistung und Prozesszeit.

 

Beispiel: Physikalische Parameter einer Anlage am Fraunhofer IGB in Stuttgart

  • Frequenz: 13,56 MHz
  • Plasma Leistung: 10-1000 W
  • Basisdruck: 10-3 mbar
  • Arbeitsdruck: 0.01-1 mbar
  • Geschwindigkeit: 0,2-20 m/min
  • Maximale Breite: 18 cm

Entwicklung effizienter Plasmaprozesse durch Optimierung der Prozessführung

Plasmafunktionalisierte Wälzlager für die Lebensmittelindustrie.
Plasmafunktionalisierte Wälzlager für die Lebensmittelindustrie.

Das Fraunhofer IGB verfügt über langjährige Erfahrungen in der Entwicklung und Optimierung von Plasmaprozessen für verschiedenste Aufgabenstellungen. Die Vorgänge innerhalb eines Plasmas kontrollieren wir zunächst über Gasfluss, Druck, Anregungsfrequenz und Leistung.

Die Einstellung dieser Plasmaparameter hat Einfluss auf die Dichte und Energie der geladenen Teilchen, auf die Dichte chemischer Radikale und elektronisch angeregter Teilchen sowie die vom Plasma erzeugte Strahlung – die alle zusammen die physikalisch-chemische Wirkung des Plasmas bestimmen. Zu berücksichtigen ist, dass sich die genannten Effekte innerhalb eines Plasmas räumlich unterscheiden können, insbesondere in der Nähe von Oberflächen.

Eine wesentliche Schwierigkeit liegt zudem darin, dass sich die Prozesse innerhalb des Plasmas in der Regel nicht unabhängig voneinander steuern lassen, und die relativen Abhängigkeiten oft nicht leicht zu erkennen sind. Um in diese Einblick zu erhalten und den Plasmaprozess zu optimieren, nutzen wir am Fraunhofer IGB unterschiedliche Methoden zur Plasmadiagnostik.

 

Plasmadiagnostik und Oberflächencharakterisierung – Prozess- und Ergebniskontrolle während der Behandlung und danach

Während und nach der Behandlung werden die Prozessbedingungen kontrolliert und, sofern notwendig, unterstützend plasmadiagnostische Methoden eingesetzt.

Die dem Plasma ausgesetzten Produktoberflächen werden nach der Behandlung je nach Bedarf mit unterschiedlichen Methoden untersucht. Hierzu verfügen wir über umfassende oberflächenanalytische Möglichkeiten. So versuchen wir, optimierte Prozessparameter zu finden und kontrollierte und reproduzierbare Prozesse zu etablieren.

Folien.
Folien.

Skalierung und Anlagenentwicklung

Die vielen Fragestellungen, für die am Fraunhofer IGB Plasmaprozesse entwickelt werden, hören nicht bei kleinen Laboranlagen auf. Durch die gute instrumentelle Ausstattung können auch Skalierungskonzepte wie zum Beispiel die kontinuierliche Behandlung von Faser- und Rollenware durchgeführt werden.

Plasmageeignete Materialien

In Niederdruckplasmen, die bei vermindertem Druck arbeiten, können sämtliche Feststoffe behandelt werden, soweit sie vakuumtauglich sind:

  • Metalle
  • die meisten Polymere
  • Materialien biologischer Herkunft und viele weitere organische und anorganische Substanzen.

Vorteile der Niederdrucktechnik sind die unübertroffene Schichthomogenität sowie der extrem geringe Chemikalieneinsatz. Mit Plasmaverfahren, aber insbesondere Niederdruckverfahren, lassen sich selbst chemisch inerte Materialien wie Teflon® modifizieren und für eine Weiterverarbeitung (z. B. Verklebung) zugänglich machen

Es gibt jedoch materialbedingte Grenzen, wenn Stoffe im Plasma zu stark angegriffen werden, sei es chemisch oder durch (UV-)Strahlung wie im Falle des Kunststoffs Polyoxymethylen (POM).

Unterschiedlichste Geometrien behandelbar

Prozessgase.
Prozessgase.

Formkörper (Gefäße)

Die meisten Produkte sollen dreidimensional und flächendeckend beschichtet werden. Eine entscheidende Rolle für die Behandlungshomogenität spielt die Spaltgängigkeit des verwendeten Plasmas.

Flachmaterialien (Folien, Gewebe, Vliese, Membranen)

2-D-Körper wie Folien lassen sich verhältnismäßig einfach bearbeiten. Gewebe, Vliese und Membranen sind in Plasmen ebenfalls bearbeitbar, doch können wir hier, je nach Anwendungsfall, auf die Tiefenwirkung des Plasmas gezielt Einfluss nehmen: Sei es, dass eine Funktionalität nur an der Oberfläche gewünscht ist, sei es, dass auch das Volumenmaterial dieselben Eigenschaften besitzen soll. Zur Bearbeitung von Bahnware steht am Fraunhofer IGB eine Anlage für halbkontinuierliche Behandlung zur Verfügung.

Rohre und Schlauchwaren

Rohre und Schläuche behandeln wir ebenfalls  in Plasmen  – nicht nur außenseitig, sondern auch inwendig. Physikalisch stößt man an Grenzen, wenn die lichte Weite (Lumen) bei inwendiger Behandlung deutlich unter einem Millimeter liegt. Hier ergeben sich Verfahrens- und Materialabhängigkeiten, die einen entsprechenden Entwicklungsaufwand erfordern. Am Fraunhofer IGB haben wir bereits Materialien mit Lumina unter 200 µm innenseitig behandelt.

Fasern und Garne

Wir behandeln des Weiteren Fasern und Garne als quasi 1-D-Körper: Hierzu verfügen wir über kontinuierliche Anlagen, die zwar mit Niederdruckplasmen arbeiten, bei denen es jedoch dank Schleusensystemen möglich ist, die Fasern »von-Luft-zu-Luft« zu führen. Dadurch kann das System beispielsweise direkt hinter eine bestehende Faserproduktionsanlage geschaltet werden (Inline-Betrieb).

Granulate und Pulver

Schließlich gibt es noch Granulate und Pulver (Mikro- bis Nanopartikelgröße). Je kleiner die Korngrösse des Materials ist, umso schwieriger wird die Bearbeitung. Dies liegt an der Aufladung des Materials im Plasma, durch die sich die Teilchen deutlich schlechter kontrollieren und prozessieren lassen. Durch gezielte Anpassungen ist jedoch auch hier eine Plasmabehandlung möglich. 

Kontrolle des Plasmaprozesses

Die Plasmadiagnostik erlaubt Einblick in das physikalisch-chemische Geschehen während der Plasmabehandlung.

Bei plasmadiagnostischen Methoden muss man zwischen nicht-invasiven und invasiven Methoden unterscheiden. Da invasive Methoden wie zum Beispiel Sonden das Plasma verändern können, wenden wir am Fraunhofer IGB hauptsächlich nicht-invasive optische Methoden an:

  • Mikrowellen-Interferometrie zur Bestimmung der Elektronendichte
  • laserinduzierte Fluoreszenz zur ortsaufgelösten
  • Bestimmung von Teilchendichten im Plasma
  • optische Emissionsspektroskopie zum Nachweis emittierender Spezies
  • Oberflächentemperaturdetektion durch Messung der Fluoreszenzabklingzeit eines angeregten Kristalls

Als invasive Methoden nutzen wir

  • Massenspektrometrie (wenig invasiv) zum Tracing chemischer Reaktionen im Plasma und
  • Langmuir-Sonden zur Messung der Elektronenenergieverteilung, der Elektronen- und Ionendichte.

Leistungsangebot

Am Fraunhofer IGB werden Oberflächen zur gezielten Anpassung der Eigenschaften zunächst eingehend charakterisiert, um im zweiten Schritt mit verschiedenen Modifizierungs- und Beschichtungstechniken funktional ausgerüstet zu werden. Eine Vielzahl von Aufgabenstellungen bewältigen wir am Fraunhofer IGB durch den Einsatz der Niederdruckplasmatechnik, teilweise in Kombination mit nasschemischen Verfahren.
 

  • Prozessentwicklung zur Plasmamodifizierung von Oberflächen (Pulver, Fasern, Flächen und Formkörper)
  • Schichtentwicklung
    • Kratzschutz-, Abriebschutzschichten
    • Erzeugung eines Haftvermittlers oder Haftverhinderers
    • Korrosionsschutzschichten
    • Barriereschichten (z. B. sauerstoffundurchlässig)
  • Funktionalisierung von Oberflächen
    • Biofunktionalisierung
    • Chemische Funktionalisierung
  • Entwicklung von Plasma-Reinigungsprozessen
  • Entwicklung von Plasma-Sterilisationsprozessen
  • Oberflächen- und Schichtcharakterisierung
    • Geometrie, Morphologie, Rauhigkeit
    • chemische Zusammensetzung, biologische Eigenschaften
    • Grenzflächenenergie, Haftung
  • Verfahrens- und Anlagenentwicklung
  • Upscaling von Laborprozessen
  • Beratung, Beurteilung und Machbarkeitsstudien zur Etablierung von Plasmaverfahren als technologische Alternative
  • Patent- und Literaturrecherchen zu Themen der Plasmatechnologie

Musterbeschichtungen

Benötigen Sie eine Musterbeschichtung? Wir realisieren Beschichtungen im Labormaßstab auf einer Fläche von bis zu DIN A3.

Ausstattung

Wir verfügen über eine Reihe von Anlagen, um verschiedene plasmachemische und -physikalische Prozesse hauptsächlich im Nieder- und Subatmosphärendruckplasmen (0,01 bis 300 mbar) durchzuführen und weiterzuentwickeln. Vereinzelt arbeiten wir auch mit Plasmaverfahren bei Atmosphärendruck. Neben kommerziell erhältlichen Anlagen (z. T. modifiziert) sind eigene Konstruktionen vorhanden. Für besondere Probengeometrien und Prozessanforderungen können wir schnell geeignete Reaktoren bauen und sie mit vorhandenen Anlagenkomponenten (Prozessgas-, Fluss- und Druckreglern, Vakuumkomponenten, Hochfrequenz-Generatoren) zu Labor- oder Technikumsanlagen zusammenstellen.

Anwendungsbereiche der Plasmatechnik

Plasmatechnik: Schlüsseltechnologie für zahlreiche Anwendungsgebiete

Wasserabweisend ausgerüstetes Baumwolle/Polyester-Gewebe. Links unbehandelt, rechts nach Plasmaausrüstung.
Wasserabweisend ausgerüstetes Baumwolle/Polyester-Gewebe. Links unbehandelt, rechts nach Plasmaausrüstung.

Die Plasmatechnologie gilt als Schlüsseltechnologie und leistet in verschiedensten Anwendungsfeldern wichtige Beiträge – von der Kunststoff- und der Metallverarbeitung, über Verpackung, Automotive, Elektronik, Optik und Energietechnik bis hin zu Medizintechnik, Biotechnologie und Diagnostik. Plasmaverfahren liefern hier neue und bessere Lösungen für viele werkstoffbezogene Fragestellungen. 

Optimierung von Oberflächeneigenschaften durch Plasmabehandlung

3M-Öltest an einem Baumwolle-Polyester-Gewebe.
3M-Öltest an einem Baumwolle-Polyester-Gewebe, das mittels der Plasmatechnologie ölabweisend ausgerüstet wurde. Der Test beruht auf dem unterschiedlichen Netzvermögen von 8 flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen. Die hier gezeigte Qualität 7B/8D kann mit nasschemischen Verfahren konkurrieren.

Die Plasmabehandlung von polymeren Materialien, die zu Textilien, Membranen, Folien, Vliese, Verbünde etc. verarbeitet sind, ist in der Lage, ein breites Spektrum interessanter Oberflächeneigenschaften zu optimieren. Von der sehr großen Zahl von in der Literatur beschriebenen Ergebnissen werden im folgenden exemplarisch einige genannt.

Mechanische Eigenschaften

  • Verbesserte Weichheit mit gleichbleibender Zugfestigkeit
    • Material: z. B. Baumwolle, andere cellulosische Materialien
    • Behandlung: z. B. Sauerstoffplasma
  • Geringere Verfilzung
    • Material: z. B. Wolle
    • Behandlung: z. B. Sauerstoffplasma
  • Knitterfreiheit
    • Material: z. B. Wolle, Baumwolle, Seide
    • Behandlung: z. B. Tauchen in DMSO gefolgt von einem Stickstoffplasma

Elektrische Eigenschaften

  • Antistatische Ausrüstung
    • Material: z. B. Rayon
    • Behandlung: z. B. Plasma aus Chlor(chlormethyl)disilan

Benetzung

  • Verbesserung der Benetzung
    • Material: z. B. PA, PE, PP, PET, PTFE,...
    • Behandlung: z. B. O2-, Luft, NH3-Plasmen
  • Die Hydrophilierung dient ebenfalls der Schmutzabweisung und der Antistatikausrüstung
  • Hydrophobe Ausrüstung
    • Material: z. B. Baumwolle, BW/Polyester,
    • Behandlung: z. B. Siloxan- Perfluorcarbonplasmen (nebenstehende Abbildung)

Oleophobie

  • Material: z. B. BW/Poyester
  • Behandlung: Propfung mit Perfluoracrylaten (Abbildung links)

Färben, Bedrucken

  • Verbesserte Kapillarität
    • Material: z. B. Wolle, Baumwolle
    • Behandlung z. B. Sauerstoffplasma
  • Verbesserte Färbung
    • Material: z.B. Polyester
    • Behandlung: z. B. SiCl4-Plasma
  • Erhöhung der Farbtiefe
    • Material: z. B. Polyamid
    • Behandlung: z. B. Ar-Plasma

Weitere Eigenschaften

  • Bleichen
    • Material: z. B. Wolle
    • Behandlung: Sauerstoffplasma
  • UV-Schutz
    • Material: z.B. gefärbtes BW/Polyester
    • Behandlung: z. B. HMDSO-Plasma
  • Flammschutz
    • Material: z. B. PAN, Rayon, cotton
    • Behandlung: z. B. phosphorhaltige Monomere

Metallbeschichtete Polymere und Verbundmaterialien

Metallbeschichtete Polymere

Metallbeschichtete Polymere werden in einer Vielzahl von Anwendungen unterschiedlicher Industriezweige eingesetzt. Damit das metallisierte Polymer die gewünschten Eigenschaften erfüllt, ist eine feste Haftung des Metalls auf dem Polymersubstrat erforderlich. Dies kann durch eine Plasmavorbehandlung des Polymers erreicht werden.

  • Beispiel: Sauerstoffplasmabehandlung von ABS vor dem Aufdampfen von Kupfer

 

Verbünde/Laminate

Eine gute Haftung zwischen Faser und Matrix (oder Laminaten) ist abhängig von den Oberflächeneigenschaften der Faser, Matrix und den physicochemischen Wechselwirkungen an der Grenzfläche. Eine wichtige Vorraussetzung für eine gute Haftung zwischen Faser und Matrix ist, dass die Faser eine grössere Oberflächenenergie aufweisen muss als die Matrix. Dies kann durch Plasmabehandlung erreicht werden.

Anwendungen in Biologie und Medizin

  • Bevorzugtes Zellwachstum auf (auch bioabbaubaren) Geweben für
    • Zellkulturtests
    • Fermentation
    • Implantate (Blutgefässe, Haut)
  • Verhinderung des Zellwachstums für
    • Katheter
    • Membranen in Fermentern
  • Enzym-Immobilisierung
  • Sterilisation

Anwendungen als Träger in der Membran- und Umwelttechnologie

  • Gastrennung
    • z. B. Sauerstoffanreicherung
  • Lösungs-Diffusionsmembranen
    • z. B. Alkoholanreicherung
  • UF/MF-Membranen
    • Verbesserung der Selektivität
    • Antifouling Ausrüstung
    • Hydrophilierung von Poreninnenräumen
  • Funktionalisierte Membranen
    • Affinitätsmembranen
  • Geladene Membranen
    • Bipolare Membranen

Anwendung von Plasmaprozessen am Fraunhofer IGB

 

Beschichtungen und Oberflächenausrüstung

Die Plasmatechnologie erlaubt es, Oberflächen mit einer Vielzahl von Eigenschaften auszustatten. Dabei können Eigenschaften hergestellt werden, die das Volumenmaterial des Werkstücks nicht besitzt. Beispiele sind Beschichtungen zum Schutz vor Verschmutzungen, Kratzern oder Klima- und Wettereinflüssen.

 

Fasermodifizierung

Die Behandlung von Einzelfasern über Plasmatechnik wird beispielsweise genutzt, um Hohlfasermembranen der chemischen Industrie und der Medizintechnik mit angepassten Oberflächeneigenschaften auszurüsten. Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Anpassung der Faser-Matrix-haftung über Plasmavorbehandlungen sowie Verfahren zur Modifikation des Faservollumenmaterials. Das Fraunhofer IGB verfügt über die entsprechenden Methoden und Anlagen, um Einzelfasern und Garne zu bearbeiten.

 

Wasserreinigung mit Atmosphären-Plasma

Schwer abbaubare Substanzen wie PFAS, Medikamentrückstände oder Pestizide in Industrieabwässern müssen mit oxidierenden Substanzen wie Ozon und Wasserstoffperoxid oder UV-Bestrahlung entfernt werden. Der Einsatz von Plasmaverfahren, die zu den AOP (advanced oxidation processes) zählen, kann eine Alternative darstellen, um Spurenschadstoffe abzubauen.

 

Reinigung und Entkeimung

UV und Plasmen haben eine abtötende Wirkung auf Mirkoorganismen und ermöglichen die Entfernung von organischen Kontaminationen. Sie können so zur Sterilisation von Oberflächen oder zur Entkeimung in der Lebensmittelproduktion eingesetzt werden. Darüber hinaus entwickeln wir Adsorberpartikel zur selektiven Entfernung von Umweltschadstoffen oder Störstoffen.

 

Schnelltest zur Materialcharakterisierung: Plasmabewitterung von Oberflächen

Die Produktentwicklungszyklen für polymere Materialien wie Lacke sind vor allem aufgrund der Testverfahren aufwendig, teuer und langwierig. Plasmabasierte Verfahren können die Freibewitterung nachahmen. Ergebnisse zeigen, dass die Entwicklungszyklen für Lacke dadurch deutlich verkürzt werden können.

 

Vorteile und Wirtschaftlichkeit von Plasmatechnik

Vorteile von Plasmaverfahren

Verfahrenstechnische Aspekte

  • Feinreinigung, Aktivierung und Beschichtung in einem Verfahrensschritt
  • Auch 3-D-Substrate sind behandelbar, selbst Fasern und die Innenseiten von Kapillaren

Chemische Aspekte

  • Chemische Vielfalt der Ausgangssubstanzen zur Plasmapolymerisation
  • Keine Polymerisationshilfsmittel erforderlich
  • Hoher Vernetzungsgrad
  • Möglichkeit, spezielle funktionelle Gruppen an (auch reaktionsträgen) Oberflächen zu erzeugen, z. B.
    • Hydroxyl-,
    • Amino-,
    • Aldehyd-,
    • Carboxylgruppen
  • Pfropfung großer Moleküle

Schichteigenschaften der Plasmaschichten

  • Gute Haftung zum Substrat erreichbar
  • Hohe Gleichmäßigkeit der Schichtdicke und Struktur
  • Oberflächen- und Schichteigenschaften in weiten Grenzen gezielt einstellbar
  • Schichten sind lochfrei bei geringer Dicke

Wirtschaftliche und ökologische Aspekte der Plasmabehandlung

  • Geringe Kosten für Ausgangsmaterialien und laufenden Betrieb
  • Geringer Verbrauch von Chemikalien
  • Lösungsmittelfreier, trockener Prozess
  • Chemikalien werden in geschlossenen Anlagen gehalten

Wirtschaftlichkeit von Plasmaprozessen

Plasmatechnologien.
Plasmatechnologien.

Häufig werden vermeintlich hohe Anschaffungskosten als Gegenargument gegen die Plasmatechnik ins Feld geführt. Doch selbst Niederdruckprozesse sind bei weitem nicht so teuer, wie dies vor vielen Jahrzehnten einmal der Fall gewesen sein mag: Durch die vielseitige und zunehmende Verwendung der Vakuumtechnik nicht nur in der Halbleiterindustrie, sondern auch in vielen anderen industriellen Bereichen, ist der Preis zur Erzeugung eines Vakuums in den vergangenen Jahren nochmals deutlich gefallen. Dies betrifft sowohl die Beschaffung und Bereitstellung der Anlagen als auch – durch hohe technische Qualität und hohe Effizienz – die laufenden Kosten.

Dem finanziellen Aufwand durch Beschaffung, Installation und Betrieb einer Plasmaanlage stehen die hohen laufenden Kosten nasschemischer Verfahren entgegen. Allein schon der Verzicht auf Prozesse mit verschiedenen Bädern, bei denen neben regelmässigem Medienaustausch und -entsorgung auch hohe Kosten für die Abfallentsorgung anfallen, führt zu Einsparungen.

Hinzu kommt, dass auch nasschemische Verfahren hohe Anschaffungs- und Wartungskosten mit sich bringen können – denn oft müssen die chemischen Medien während des Gebrauchs permanent auf ihre Qualität hin überwacht werden, was eine entsprechende Wartung der Anlagentechnik und -sensorik erfordert. Dies alles führt dazu, dass die Plasmatechnik – trotz deutlich höherer anfänglicher Investitionskosten – aufgrund geringerer Betriebskosten (z. B. Entsorgungskosten für Bäder) und höherer Qualität beispielsweise bei der Beschichtung von Kontaktlinsen nasschemische Verfahren mittlerweile verdrängt hat.

Umweltaspekte und Wirtschaftlichkeit gehen Hand in Hand. Weniger Materialumsatz bei gleicher oder besserer Produktqualität bedeutet Materialersparnis und weniger Entsorgungsaufwand. Aus prozesstechnischem Blickwinkel stellen Plasmaverfahren somit Musterbeispiele für Ressourcen- und Kosteneffizienz dar. Hinzu kommt, dass ihr Anwendungspotenzial nicht auf wenige Materialsysteme beschränkt ist und für die meisten Fragestellungen zur Optimierung von Oberflächen genutzt werden kann. So stellen wir fest, dass Plasmatechnik zu fast allen Zukunftsfeldern einen Beitrag liefern wird.

Umweltaspekte der Plasmatechnik

Die Plasmatechnik bietet ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten. Sie kann zahlreiche nasschemische Verfahren ersetzen und kommt dabei ohne Lösemittel aus, welche einen grossen Teil technologischen Sondermülls ausmachen. Speziell bei den Niederdruckplasmaverfahren ist der Chemikaliendurchsatz sehr niedrig.

Feinreinigung

Als Beispiel sei hier die ansonsten lösemittelintensive Feinreinigung von Metallen genannt, für die gelegentlich aber Wasserplasmen vorzuziehen sind. Bei der Reinigung in kleineren Anlagen (40 l Volumen) reicht ein Mol (18 g Wasser) für mehrere Reinigungszyklen. Dies ist dadurch möglich, dass während der Entladung hochreaktive Teilchen erzeugt werden, die Verunreinigungen entsprechend angreifen. Die Konzentration aggressiver Teilchen ist indes viel niedriger als in flüssigen Reinigungsmitteln. Dies tut der Reinigungsleistung keinen Abbruch, da bei Niederdruckgasentladungen die Mobilität der Teilchen um Grössenordnungen höher ist als in Flüssigkeiten. Zudem fallen kaum gefährliche Abfallstoffe an: Beim Ausschalten der Entladung reagieren die aktiven Teilchen ab, indem sie beispielsweise rekombinieren. Somit kann die Plasmareinigung in Produktionsanlagen nasschemische Reinigungsverfahren ersetzen.

Sterilisation von thermolabilen Kunstoffen

Diese sind für eine konventionelle Dampfsterilisation ungeeignet. Konventionelle Verfahren der Niedertemperatursterilisation arbeiten mit toxischen oder krebserregenden Stoffen wie Formaldehyd, Ethylenoxid oder Peroxyessigsäure. Mit Niederdruckplasmen kann schon bei Einsatz einer speziellen Mischung aus Sauerstoff und Stickstoff mit einigen mW/cm2 Energieeintrag eine sterile Oberfläche erhalten werden.

Chemische Aktivierung von Kunststoffen

Die chemische Aktivierung von Kunststoffen zwecks Überschichtung oder Verklebung benötigt im Allgemeinen harsche Bedingungen. So werden Chromschwefelsäure für ABS und Natriumnaphtalenid in Tetrahydrofuran für Fluorkohlenwasserstoffe als Aktivatoren eingesetzt. Diese Substanzen sind jedoch leichtentzündlich oder toxisch und dürfen nicht freigesetzt werden! Durch die Verwendung verschiedener Plasmaprozesse können diese Behandlungsmethoden ersetzt werden. Auch die auf chlorhaltigen Verbindungen basierende Antifilzausrüstung von Wolle lässt sich durch eine umweltschonendere Plasmabehandlung substituieren.

Des Weiteren kann die Plasmatechnik auch bei bestehenden Industrieprozessen die Umwelt entlasten, indem unerwünschte (z. B. schlecht riechende) oder schädliche Abgase durch eine entsprechende Plasma-Abgasreinigungsstufe zersetzt werden. Dies lässt sich auch auf Motorenabgase übertragen.