Dreidimensionale (3D-) Mikrobiom- und Infektionshautmodelle

Wir entwickeln 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodelle mit integriertem Immunsystem, mit denen Wirt-Pathogen/Mikrobiom Interaktionenuntersucht werden können.

Als Basis nutzen wir unsere rekonstituierten Epidermis- und Vollhautmodelle aus gezielt immortalisierten primären oder primären Zellen sowie Modelle, die um Immunzellen ergänzt werden. Die ausgebildete Hornschicht (Stratum corneum) der Modelle wird entsprechend der gewünschten Anwendung mit spezifischen Hautmikrobiom- oder pathogenen Mikroorganismen besiedelt. 

 

Mikrobiom-Hautmodelle

sind rekonstruierte Modelle, deren Stratum corneum mit kommensalen Hautmikrobiomstämmen wie Staphylococcus ssp., beispielsweise S. epidermidis, oder Micrococcus luteus besiedelt werden.

 

Infektionshautmodelle

sind rekonstruierte Modelle, deren Stratum corneum mit pathogenen, opportunistischen Mikroorganismen wie Staphylococcus aureus, Staphylococcus pyogenes, Escherichia coli, Klebsiella ssp., Pseudomonas aeruginosa., Cutibacterium acnes, Herpes simplex Virus 1, Candida albicans oder Malassezia furfur infiziert werden, welche dermatologische Infektionen hervorrufen können. 

Herausforderung: Hautmikrobiom als Teil der natürlichen Schutzfunktion der Haut

Das Hautmikrobiom besteht aus unterschiedlichen Mikroorganismen und ist Teil des natürlichen Schutzmechanismus der Haut. Hauptbestandteil sind kommensale Mikroorganismen, welche auf der Haut eng mit dem Wirt leben, ihn aber dennoch nicht schädigen.

Kommensale können die Besiedelung pathogener Bakterien auf den Hautzellen verringern. Zudem können sie die Immunantwort auf pathogene Bakterien verstärken, indem sie die Produktion von Interferon und anderen Zytokinen sowie die Phagozytose anregen .

 

Störung des Mikrobiom-Gleichgewichts durch Medikamente oder Kosmetika

Das Hautmikrobiom kann aber auch aus pathogenen, opportunistischen Mikroorganismen bestehen, die Krankheiten auslösen. Im gesunden Wirt besteht ein individuelles Gleichgewicht zwischen kommensalen und opportunistischen Mikroorganismen. Dieses Gleichgewicht kann sich durch geschwächte Abwehrkräfte des Wirts, durch eine veränderte Hormonproduktion, aber auch durch die Anwendung von Medikamenten, Kosmetika oder Körperpflegeprodukten zugunsten der opportunistischen Mikroorganismen verschieben. Verschiedenen Studien zufolge sind solche Veränderungen im Hautmikrobiom an der Pathophysiologie verschiedener Dermatosen beteiligt .

 

Speziesspezifische Unterschiede erfordern spezifische Hautmodelle 

Obwohl viele Mausmodelle zur Untersuchung der Hautphysiologie und -biologie angewandt werden, unterscheidet sich die Maushaut maßgeblich von der menschlichen Haut in der anatomischen Struktur, in der Genexpression, dem Zytokinprofil, den antimikrobiellen Peptiden und in der Zusammensetzung der Proteine, die mit der Hautbarriere zusammenhängen und den epidermalen Differenzierungskomplex bilden. In der Folge beeinflussen diese artspezifischen Unterschiede in der angeborenen kutanen Abwehr die Interaktion zwischen Haut und Mikrobiota auf unterschiedliche Weise. Es liegt daher nahe, dass die Maushaut kein geeignetes Modell für die Untersuchung der Interaktion zwischen Haut und Mikrobiota des Menschen ist und dass Mausexperimente mit Organismen des humanen Hautmikrobioms zu irreführenden Schlussfolgerungen führen  können. 

Humane 3D-Hautmodelle mit ihrer vollständigen differenzierten epidermalen Barriere haben sich als wertvolles Instrument in der dermatologischen Forschung etabliert und sind hier von wesentlicher Bedeutung. 

Unsere Entwicklung: Humane und tierische 3D-Mikrobiom- und Infektionsmodelle zur Untersuchung von Wirtsreaktionen der Haut

Mit unserer über Jahrzehnte gesammelten Erfahrung in der Zelllinienentwicklung, in der Arbeit mit (pathogenen) Mikroorganismen und der Einhaltung höchster Qualitätsstandards etablieren wir humane und tierische 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodelle.

Die Hautmodelle zur Untersuchung von Wirtsreaktionen der Haut bei Anwesenheit von Mikrobiom- oder pathogenen Mikroorganismen können neben Komponenten der Haut und den Mikroorganismen auch Immunzellen beinhalten. 

Infektion von Hautmodellen mit C. albicans in der Anwesenheit (rechts) und Abwesen­heit (links) von Immunzellen.
© Fraunhofer IGB
Infektion von Hautmodellen mit C. albicans in der Anwesenheit (rechts) und Abwesen­heit (links) von Immunzellen.

Alleinstellungsmerkmal: Speziesspezifische Modelle mit hoher Aussagekraft

Unsere 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodelle werden aus gezielt immortalisierten primären Hautzellen gesunder menschlicher oder tierischer Spender, beispielsweise dem Hund, hergestellt. Diese Zellen behalten ihr physiologisches Verhalten bei und sind gleichzeitig unbegrenzt verfügbar. 

Unsere speziesspezifischen 3D-Mikrobiom- und Infektionsmodelle bieten eine Vielzahl an Vorteilen : 

  • Unabhängigkeit von Spendern
  • Hohe Reproduzierbarkeit
  • Vollständig differenzierte Epidermis
  • Einfache Simulation von Entzündungen oder Krankheiten durch Zugabe von Zytokinen oder Wachstumsfaktoren oder durch den Einsatz gezielt genetisch modifizierter Hautzellen, welche intrinsisch Entzündungen verstärken
  • Speziesspezifische Ergebnisse und Erkenntnisse 

Einsatzgebiete

Unsere 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodelle können individuell an spezifische Anwendungen und Fragestellungen angepasst werden und eignen sich grundsätzlich zur Untersuchung von Auswirkungen auf kommensale Mikroorganismen und Hautpathogene in ihrer natürlichen Wirtsumgebung unter physiologischen Eigenschaften. 

Unsere Modelle finden Einsatz bei der

  • Beurteilung der Auswirkungen von kosmetischen und dermatologischen Produkten sowie von Arzneimitteln und Körperpflegeprodukte auf die Entwicklung kommensaler Mikroorganismen des Hautmikrobioms
  • Entwicklung und Testung von probiotischer Hautpflegeprodukten
  • Entwicklung und vorklinischen Testung von antimikrobiellen Wirkstoffen zur Bekämpfung pathogener Mikroorganismen
  • Analyse zu Auswirkungen bioaktiver Textilien auf Mikrobiome und pathogene Mikroorganismen der Haut
  • Analyse von Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und der Haut bzw. von Hautreaktionen gegenüber Mikroorganismen 

Infektion rekonstituierter Haut mit einem klinischen Isolat von C. albicans oder einem nicht virulentem Stamm.
© Fraunhofer IGB
Infektion rekontituierter Haut (A) mit einem klinischen Isolat von C. albicans (B) oder einem nicht virulentem Stamm (C). Das klinische Isolat zerstört die schützende Keratinozyten-Schicht und dringt in der Hyphenform in das Hautmodell nach 48 h ein und zerstört es. Nicht-virulente Candida-Zellen bilden keine Hyphen und sind nicht in der Lage, in das Gewebe einzudringen. Sie sind nur auf der Oberfläche des Hautequivalents nachzuweisen (C).

Leistungsangebot

Wir bieten eine breite Palette an Dienstleistungen rund um unsere Hautmodelle an, die wir in hochmodernen Laboren im Auftrag von und in Zusammenarbeit mit Kunden durchführen:

  • Durchführung von Wirkungsuntersuchungen
  • Entwicklung innovativer und komplexer 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodelle
  • Bereitstellung von Hautmodellen für den Versand

Analysemethoden

Die Analysen von 3D-Mikrobiom- und Infektionshautmodellen können sowohl mit dem Vollhautmodell als auch getrennt in Dermis und Epidermis sowie – falls gegeben – einer darunterliegenden Population von Immunzellen durchgeführt werden. 

Unsere Analysenmöglichkeiten umfassen unter anderem

  • Histologische und immunohistochemische Färbungen von Gewebedünnschnitten
  • Mikrobiologische Analysen (Vitalität, Quantifizierung der koloniebildenden Einheiten)
  • Multiplex-Analysen zur Bestimmung von Zytokinprofilen und antimikrobiellen Peptiden
  • RNA- und DNA-Analysen

Ausstattung

 

  • Molekularbiologische und mikrobiologische Laboratorien für Arbeiten nach Sicherheitsstufen L2, S1 und S2 GenTSV

Publikationen

  1. Kühbacher A, Burger-Kentischer A, Rupp S. Interaction of Candida Species with the Skin. Microorganisms. 2017 Jun 7;5(2):32. doi: 10.3390/microorganisms5020032. PMID: 28590443; PMCID: PMC5488103.
  2. Hiller E, Zavrel M, Hauser N, Sohn K, Burger-Kentischer A, Lemuth K, Rupp S. Adaptation, adhesion and invasion during interaction of Candida albicans with the host--focus on the function of cell wall proteins. Int J Med Microbiol. 2011 Jun;301(5):384-9. doi: 10.1016/j.ijmm.2011.04.004. Epub 2011 May 14. PMID: 21571590.
  3. Kühbacher A, Sohn K, Burger-Kentischer A, Rupp S. Immune Cell-Supplemented Human Skin Model for Studying Fungal Infections. Methods Mol Biol. 2017;1508:439-449. doi: 10.1007/978-1-4939-6515-1_25. PMID: 27837520.
  4. Hogk I, Rupp S, Burger-Kentischer A. 3D-tissue model for herpes simplex virus-1 infections. Methods Mol Biol. 2013;1064:239-51. doi: 10.1007/978-1-62703-601-6_17. PMID: 23996262.
  5. Kühbacher A, Henkel H, Stevens P, Grumaz C, Finkelmeier D, Burger-Kentischer A, Sohn K, Rupp S. Central Role for Dermal Fibroblasts in Skin Model Protection against Candida albicans. J Infect Dis. 2017 Jun 1;215(11):1742-1752. doi: 10.1093/infdis/jix153. PMID: 28368492 
  6. Jbara-Agbaria D, Blondzik S, Burger-Kentischer A, Agbaria M, Nordling-David MM, Giterman A, Aizik G, Rupp S, Golomb G. Liposomal siRNA Formulations for the Treatment of Herpes Simplex Virus-1: In Vitro Characterization of Physicochemical Properties and Activity, and In Vivo Biodistribution and Toxicity Studies. Pharmaceutics. 2022 Mar 13;14(3):633. doi: 10.3390/pharmaceutics14030633 . PMID: 35336008 
  7. Hogk I, Kaufmann M, Finkelmeier D, Rupp S, Burger-Kentischer A. An In Vitro HSV-1 Reactivation Model Containing Quiescently Infected PC12 Cells. Biores Open Access. 2013 Aug;2(4):250-7. doi: 10.1089/biores.2013.0019. PMID: 23914331; PMCID: PMC3731678.
  8. Ron-Doitch S, Sawodny B, Kühbacher A, David MMN, Samanta A, Phopase J, Burger-Kentischer A, Griffith M, Golomb G, Rupp S. Reduced cytotoxicity and enhanced bioactivity of cationic antimicrobial peptides liposomes in cell cultures and 3D epidermis model against HSV. J Control Release. 2016 May 10;229:163-171. doi: 10.1016/j.jconrel.2016.03.025. Epub 2016 Mar 21. PMID: 27012977.

Referenzprojekte

Dezember 2019 – November 2025

imSAVAR –

Immune Safety Avatar: Modellsysteme für die nicht-klinische Evaluierung immunmodulierender

 

Im Projekt imSAVAR entwickelt ein interdisziplinäres EU‑Konsortium innovative Modellsysteme, um Nebenwirkungen immunmodulierender Therapeutika auf das Immunsystem identifizieren und neue Biomarker für die Diagnose und Prognose entwickeln zu können. Das Fraunhofer IGB entwickelt neuartige immunkompetente In‑vitro‑Modelle auf der Basis von Organ‑on‑Chip‑Systemen sowie zellbasierte Reportergenassays mit Rezeptoren des Immunsystems und ist darüber hinaus im Projektmanagement involviert.

 

April 2017 – März 2020

InnateFun – Stimulierung des angeborenen Immunsystems zur Bekämpfung von Pilzinfektionen

 

Pilzinfektionen sind schwer zu diagnostizieren und zu therapieren und können zu schwerwiegenden Komplikationen in der Klinik führen. In dem vom BMBF geförderten Projekt InnateFun untersucht das Fraunhofer IGB, ob Immunmodulatoren – als quasi neue Art von Antimykotika – das angeborene Immunsystem so stimulieren können, dass Pilzinfektionen effizient bekämpft werden können.

Oktober 2013 – September 2017

ImResFun – Identifizierung von Schutzmechanismen der Haut mithilfe von immunologischen 3D-Gewebemodellen

 

In der Infektionsforschung sind In-vitro-Modelle ideal dazu geeignet, um initiale Vorgänge bei der Kolonisation von epithelialen Oberflächen durch Pathogene zu untersuchen. Ziel ist es neue Mittel zur Bekämpfung von Candida-Infektionen zu finden.