Aufschluss
Lignocellulose ist aufgrund seiner kompakten Struktur und des hohen Ligninanteils im Gegensatz zu zucker- und stärkebasierten Rohstoffen wie Zuckerrüben und Kartoffeln sehr beständig gegenüber einem enzymatischen Angriff. Aus diesem Grund benötigt man für lignocellulosebasierte Rohstoffe geeignete Aufschlussmethoden, um für diese biogenen Rohstoffe eine optimale Koppelnutzung zu gewährleisten. Durch den Aufschluss werden die Komponenten Lignin (aromatische Verbindungen), Cellulose (C6-Zucker) und Hemicellulose (C5-Zucker) effektiv voneinander separiert und für die stofflich-industrielle Nutzung verfügbar gemacht.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Aufschlussprinzipien, die sich in physikalische, physikalisch-chemische, chemische und biologische Verfahren einteilen lassen. Hierbei sind die sogenannten Organosolv-Prozesse von besonderem Interesse, welche eine Vielzahl an Verfahren umfassen, die entweder organische Säuren, Alkohole oder Aromaten als Lösemittel in Kombination mit Wasser verwenden. Alkohole, vor allem niedermolekulare Alkohole, sind die in Organosolv-Prozessen am häufigsten verwendeten organischen Lösemittel, da diese eine energetisch günstigere Rückgewinnung gewährleisten. Welche Bedingungen und Chemikalien beim Organosolv-Verfahren eingesetzt werden, hängt von der eingesetzten regenerativen Rohstoffquelle und den angestrebten Zielprodukten ab.
Beim Aufschluss von Lignocellulose entstehen in der Regel zwei Wertstoffströme, zum einen die cellulosehaltige Faser, die nachfolgend durch cellulolytische Enzyme zu Glukose hydrolysiert werden kann (Faserhydrolysat), zum anderen eine flüssige Aufschlusslösung. In dieser Aufschlusslösung sind gelöste Hemicellulose-Zucker sowie gelöstes Lignin enthalten. Nach Abtrennung des Lignins mittels Ausfällen können auch diese Bestandteile getrennt weiterverwertet werden.
Verzuckerung
Durch den Aufschluss erhält man aus Lignocellulose, wie oben beschrieben, die Stoffströme Cellulosefaser und den Überstand der Aufschlusslösung (Hemicellulose). Im nächsten Schritt erfolgt die Gewinnung der monomeren Zucker aus Cellulose bzw. Hemicellulose durch enzymatische Behandlung. Dazu werden Enzymkomplexe eingesetzt, welche synergistisch zusammenwirken, um eine optimale Zuckerausbeute zu erzielen. Cellulasen spalten Cellulose in die enthaltenen Glukose-Einheiten, Hemicellulasen setzen die in Hemicellulose enthaltenen Zuckerarten, hauptsächlich Xylose, frei.
Ein weiterer Effekt des Aufschlusses ist die Veränderung der Kristallinität der zurückbleibenden Cellulosefraktion und eine Erhöhung der spezifischen Oberfläche der Faserpartikel. Dies erleichtert die Adsorption der Enzyme und erhöht so die Ausbeute. Des Weiteren ist die gleichmäßige Verteilung der hydrolytischen Enzyme durch eine ausreichende Vermischung der Pulpemasse für eine optimale Raum-Zeit-Ausbeute des Hydrolyse-Prozesses von großer Bedeutung. Am Fraunhofer IGB wurde ein leistungsstarkes Rührreaktorsystem entwickelt, das sich durch die besondere Rührer-Geometrie zur Durchmischung von Faserpulpe mit bis zu 30 Prozent Feststoffanteil eignet. Es konnte dabei Ausbeuten von > 100 g/kg Glukose erreicht wurden. So kann eine vollständige Hydrolyse und damit eine ganzheitliche Nutzung der Cellulosefraktion gewährleistet werden.
Verwertung der einzelnen Fraktionen
Die erhaltenen Fraktionen eignen sich für unterschiedliche Anwendungen. Das glukosehaltige Faserhydrolysat kann von einer Vielzahl an Mikroorganismen als Substrat in Fermentationen verwertet werden. Nach Ausfällen des Lignins und einer enzymatischen Spaltung der enthaltenen Zucker-Oligomere kann neben dem Faserhydrolysat auch die hemicellulosereiche Aufschlusslösung zur Fermentation von Mikroorganismen verwendet werden. Durch die gewählte Aufschlussmethode können die Fraktionen ggf. toxische Abbauprodukte der Lignocellulose wie Furfural oder Hydroxymethyl-Furfural enthalten, welche das Wachstum von Mikroorganismen beeinträchtigen können. Um die Fermentierbarkeit für solche Organismen zu erhöhen, können Detoxifikationsmethoden angewendet werden. Hierzu haben wir am Fraunhofer IGB ein enzymatisches Verfahren zur Detoxifizierung etabliert. Eine Laccase aus Trametes versicolor wurde immobilisiert und die minimale benötigte Enzymkonzentration ermittelt, um > 80 % der aromatischen Substanzen aus der Lösung zu entfernen. Zudem konnte gezeigt werden, dass für diesen Prozess kein Laccase-Mediator benötigt wird. Die restlichen toxischen Substanzen können dann z. B. durch Adsorption an Trägermaterialien aus den Fraktionen entfernt werden.
Lignin ist die größte natürliche, regenerative Rohstoffquelle für aromatische Verbindungen. Eine stofflich-industrielle Nutzung von Lignin verlangt eine Konversion des Rohstoffes zu geeigneten Biosynthesebausteinen, welche wiederum zu Polyurethan oder anderen Kunststoffen polymerisiert werden können.
Für den natürlichen Abbau von Holz und ligninhaltiger Biomasse sind verschiedene Organismen bekannt. Dabei handelt es sich um Insekten, Weißfäulepilze und Bakterien. Diese Organismen produzieren unterschiedliche Enzymcocktails, welche benötigt werden, um die komplexe Struktur des Lignins zu degradieren. Bisher gibt es keinen großtechnischen biotechnologischen Prozess zur Lignin-Degradierung und -Modifizierung. Eine wesentliche Voraussetzung für die zukünftige Nutzung biotechnologischer, ökologischer Verfahren zur effizienten Verwertung von Lignin ist die Verfügbarkeit effizienter und stabiler Biokatalysatoren.