Etamax – Biogas aus lignocellulosearmen Abfall- und Algenreststoffen

Biogas aus Abfällen – für eine nachhaltige Mobilität

Um die Abhängigkeit von knapper werdendem Erdöl und gleichzeitig den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu verringern, ist die Nutzung erneuerbarer Energien eine nachhaltige Alternative. Hier spielt die Nutzung pflanzlicher Biomasse zur Gewinnung von Bioenergie – Strom, Wärme oder Kraftstoffen – eine herausragende Rolle.

Das Potenzial von Abfall-Biomasse zur Erzeugung von Biogas sowie dessen Anwendung als Kraftstoff werden jedoch bislang zu wenig ausgeschöpft. Bestens zur Vergärung geeignet sind organische Abfallstoffe mit einem hohem Wasseranteil und geringem Gehalt an Lignin und Lignocellulose, z. B. Abfälle aus der Lebensmittelindustrie, Großmarktabfälle oder Algenreststoffe.

Koordiniert durch das Fraunhofer IGB hat sich ein Projekt­konsortium daher zum Ziel gesetzt, leicht vergärbare, ligno­cellulosearme nasse Biomasse mit einem adaptierten Hochlastvergärungsverfahren unter maximaler Energie­gewinnung vollständig zu Biogas umzusetzen und gleichzeitig alle Stoffkreisläufe zu schließen. Insbesondere konzentriert sich das Konsortium im Projekt EtaMax auf kostengünstig anfallende Bioabfälle und Algenrestbiomasse, die keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln darstellen.

Im Rahmen des Projekts stand die regionale Erzeugung und Nutzung des regenerativen Methans aus Biogas im Mittelpunkt. Das aufgereinigte Biomethan wurde als Fahrzeugkraftstoff für den Antrieb von CNG-Fahrzeugen (Compressed Natural Gas) genützt. Bei der Vergärung anfallende, flüssige nährstoffreiche Gärreste wurden zur Anzucht von Mikroalgen eingesetzt, da sie die für das Wachstum von Algen notwendigen anorganischen Nährstoffe in ausreichendem Maß enthalten.

Technische Schlüsselkomponenten

EtaMax: Verfahrens- und Wertschöpfungskette.
EtaMax: Verfahrens- und Wertschöpfungskette.

Modulare Hochlastfaulung

Optimal zur Vergärung geeignet sind Abfallstoffe mit sehr hohem Wasseranteil und geringem Gehalt an Lignin und Lignocellulose aus der Lebensmittelindustrie, Küchenabfälle oder Großmarktabfälle, die heute meist in Kompostierungsanlagen gebracht werden, wobei die enthaltene Energie als Wärme verloren geht. In einem Hochlastvergärungsverfahren, das vor Jahren am Fraunhofer IGB entwickelt und für Klärschlamm mehrfach technisch realisiert wurde, werden die Feststoffe dieser Biomüllfraktionen in nur wenigen Tagen nahezu vollständig zu Biogas umgesetzt.

Damit eine Vergärungsanlage möglichst effektiv die unterschiedlichen Substrate zu Biogas umwandeln kann, wird die Prozesstechnik durch Verwendung einer flexiblen Multisubstrat-Hochlastvergärungsanlage für die jeweiligen Substrate spezifisch angepasst. Erst dadurch kann das Substrat mit maximalem Wirkungsgrad zu Methan umgesetzt werden. 

Zusätzliche Algenbiomasse

Zusätzliche nasse, lignocellulosearme Biomasse für die Multisubstrat-Hochlastvergärung wird in Form von Algenrestbiomasse beigesteuert. Die Gewinnung von Energie mit Algenbiomasse ist dank einer am Fraunhofer IGB entwickelten Photobioreaktor-Plattform heute schon effizient möglich. In den Reaktoren wachsen Algen nur mit Sonnenlicht als Energie- und Kohlenstoffdioxid als Kohlenstoffquelle sowie anorganischem Stickstoff und Phosphat zu hohen Zelldichten heran.

EtaMax nutzt das Kohlenstoffdioxid, das bei der Vergärung als Koprodukt und bei der Verbrennung von Biogas entsteht, als Kohlenstoffdioxidquelle für die Algenkultivierung. Außerdem wird das Filtratwasser aus dem Vergärungsprozess, in dem Stickstoff und Phosphor als Nährstoffe enthalten sind, zur Algenzucht verwendet. Hier gilt es, robuste Algen zu finden, die mit diesem Rauchgas und zudem in Mitteleuropa jahreszeitlich schwankenden Licht- und Temperaturverhältnissen schnell wachsen.

Hydrothermale Vergasung von Gärreststoffen

Für die bei jeder Vergärung anfallenden geringen Gärreststoffanteile, die nicht weiter anaerob abgebaut werden können, wird die katalysatorgestützte hydrothermale Vergasung bei hohem Druck und hoher Temperatur untersucht. Hierbei entstehen die gleichen Produkte wie bei der Vergärung: Kohlenstoffdioxid und Methan.

Aufreinigung von Biogas zu Biomethan

In einer Großanlage könnten aus den kommunalen Bioabfällen der Stadt Stuttgart 300 000 Kubikmeter Methangas pro Jahr erzeugt werden. Dieses soll mittels Membrantechnik als Fahrzeugkraftstoff aufgereinigt und für eine kleine Flotte von Müllfahrzeugen mit Erdgasantrieb genutzt werden.

Vergärungsanlage im Technikumsmaßstab

In einer Vergärungsanlage im Technikumsmaßstab (2 x 30-l- Reaktoren) wurden am Fraunhofer IGB innerhalb des ersten Projektjahres die Prozessparameter für die Übertragung in den Pilotmaßstab (2 x 3,5 m3) ermittelt. Die zweistufige Technikumsanlage produzierte aus Großmarktabfällen 850 l Biogas bezogen auf die organische Trockensubstanz (oTR), das entspricht bei dem vorliegenden Reaktorvolumen durchschnittlich 190 l Biogas pro Tag bei einer Raumbelastung von 7 g oTR/ld. Während der Untersuchungen wurden in regelmäßigen Abständen unsortierte Marktabfälle vom Großmarkt Stuttgart bereitgestellt, zerkleinert und der Vergärung zugeführt. Die Zuführung solch unsortierter Abfälle stellt eine Herausforderung an die Mikroorganismen dar. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Schwankungen in der Zusammensetzung des Substrats nur durch eine intelligente Prozesssteuerung aufgefangen werden können: Indem wir über mehrere Vorvergärungstanks Substratportionen unterschiedlicher Gärprozessstufen zuführen, können wir trotz einer großen Schwankungsbreite bei den Substraten eine kontinuierliche Biogasproduktion mit nur geringen Schwankungen im Gasertrag gewährleisten.

Mit den Untersuchungen in der Technikumsanlage konnten wir auch die für eine Übertragung in den größeren Maßstab wichtigen Grenzwerte wie minimale Verweilzeit und maximale Raumbelastung sowie Parameter für die optimierte Zuführung verschiedener Substratzusammensetzungen erfolgreich ermitteln.

Übertragung der Ergebnisse auf Demonstrationsanlage

Der gemeinsame Faktor für alle zur Anwendung kommenden Teilkomponenten ist der minimale Energieeintrag zur Realisierung der jeweiligen Aufgaben. 2012 wurden die im Technikumsmaßstab ermittelten Erkenntnisse auf eine Demonstrationsanlage auf dem Gelände des EnBW-Heizkraftwerks in Stuttgart-Gaisburg übertragen. Das entstehende Biogas wird in einer Membrananlage aufgereinigt und anschließend in Fahrzeuge eingespeist.

Ergebnisse der Demonstrationsanlage

Obst- und Gemüseabfälle vom Großmarkt Stuttgart.
© Fraunhofer IGB
Obst- und Gemüseabfälle vom Großmarkt Stuttgart.

Umsetzung von Großmarktabfällen zu Biogas

Erstmals wurden überlagerte Obst- und Gemüseabfälle eines Großmarktes (Großmarkt Stuttgart) in einem zweistufigen Verfahren in zwei Gas-Lift-Reaktoren mit je 3,2 m3 sehr effizient zu Biogas umgesetzt. Dazu wurde das Hochlastvergärungsverfahren, das am Fraunhofer IGB entwickelt und für Klärschlamm seit 1994 mehrfach technisch realisiert wurde, erweitert und für dieses Substrat angepasst.

Mit einer hydraulischen Verweilzeit von 17 Tagen je Stufe konnte die Anlage auch mit wechselnden Obst- und Gemüseabfällen dauerhaft stabil betrieben werden. Es wurden Abbaugrade von bis zu 95 Prozent erzielt, wobei der überwiegende Teil des Abbaus in Stufe 1 erfolgte. Die Biogasausbeute lag hier zwischen 840 – 920 Normliter Biogas pro Kilogramm zugeführter organischer Trockensubstanz, der Methangehalt bei 55 – 60 Prozent.

Zweistufige Pilotanlage zur Vergärung von Obst- und Gemüseabfällen.
© Fraunhofer IGB
Zweistufige Pilotanlage zur Vergärung von Obst- und Gemüseabfällen.

Biogaserzeugung und Algenkultivierung als effizienter Stoffkreislauf

Für die energetische Nutzung von Algeninhaltstoffen wurde im Fraunhofer IGB ein zweistufiger vollautomatisierter Prozess zur Erzeugung von lipidreicher Algenbiomasse in Flachplatten-Airlift-Reaktoren (FPA) im Freiland entwickelt und in den Pilotmaßstab übertragen.

Die Schließung der Stoffkreisläufe für Stickstoff und Phosphat zwischen Biogaserzeugung und Algenkultivierung erfolgte über die Nutzung des Flüssiggärrests aus den Biogasreaktoren als Mediumskomponente für die Produktion von Algenbiomasse. Eine speziell auf diesen Flüssiggärrest adaptierte Algen-Mischkultur wurde mit Flüssiggärresten aus der Obst- und Gemüseabfallvergärung erfolgreich über vier Monate in 180-Liter-FPA-Reaktoren kultiviert. Dabei wurde die im Flüssiggärrest enthaltene Ammoniumkonzentration von ca. 800 mg / L vollständig verbraucht. Die Biomassekonzentration im FPA-Reaktor betrug 2,5 g / L bis 5,5 g / L zwischen den Erntezeitpunkten. Die volumetrische Biomasseproduktivität schwankte je nach Witterungsverhältnissen zwischen 0,1 und 0,35 g L–1 d–1.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Vergärung von Obst- und Gemüseabfällen in wechselnder Zusammensetzung konnte erstmals im Langzeitbetrieb unter kontinuierlichen Bedingungen mit einer Verweilzeit von 17 Tagen stabil mit hohem Abbaugrad und hoher Biogasausbeute betrieben werden.

Die Stoffkreisläufe wurden durch die Verwertung des Biogases (nicht dargestellt) und die Verwertung der Gärreststoffe geschlossen. Die Nutzung von Flüssiggärrest als Mediumskomponente für die Algenkultivierung ist ein Schritt zur Senkung der Produktionskosten für Algenbiomasse. Diese Ergebnisse zeigen aber auch einen Weg zur Reduktion der Stickstoff- und Phosphatfracht von Flüssiggärresten und zur Erzeugung von phototrophen Biomassen, die sowohl energetisch als auch stofflich verwertet werden können. Dies geht einher mit einer Kostenreduktion sowohl bei der Algenproduktion als auch bei der Abwasserreinigung von Biogasabläufen.

Projektinformationen

Projekttitel

EtaMax – Mehr Biogas aus lignocellulosearmen Abfall- und Mikroalgenreststoffen durch kombinierte Bio-/Hydrothermalvergasung

 

Projektpartner

  • Fraunnhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Stuttgart (Koordination)
  • Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Freising
  • Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
  • Paul Scherrer Institut PSI, Villigen, Schweiz
  • Daimler AG, Stuttgart
  • EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe
  • FairEnergie GmbH, Reutlingen
  • Netzsch Mohnopumpen GmbH, Selb
  • Stulz Wasser- und Prozesstechnik GmbH, Grafenhausen
  • Subitec GmbH, Stuttgart
  • Stadt Stuttgart

Förderung

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Förderung des Verbundvorhabens »EtaMax – Mehr Biogas aus lignocellulosearmen Abfall- und Mikroalgenreststoffen durch kombinierte Bio-/Hydrothermalvergasung«, Förderkennzeichen 03SF0350A innerhalb des Programms »Bio-Energie 2021«.

Bundesministerium für Bildung und Forschung.