Staatssekretär Müller beeindruckt von Umweltbiotechnik am Fraunhofer IGB
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart-Vaihingen war erste Adresse des Informationsbesuchs von Ulrich Müller MdL, Staatssekretär im baden-württembergischen Ministerium für Umwelt und Verkehr, bei Stuttgarter Umweltforschungsinstituten am Mittwoch letzter Woche.
Mit von der Partie aus dem Umweltministerium waren die Ministerialräte Stephan Gloger, Leiter des Referats Ökologie und Forschung, und Rüdiger Beyl, Leiter des Referats für anlagenbezogenen Gewässerschutz, sowie der Prorektor der Universität Stuttgart Prof. Dr. Holger Jeske.
»Es freut uns, daß Sie die Initiative ergriffen haben, sich vor Ort über unsere Forschungs- und Ausbildungsaktivitäten in Sachen Umwelttechnik informieren zu lassen«, begrüßte Jeske den Gast in den Seminarräumen des Fraunhofer IGB. Neben dem Begriff Umwelt – je nach Verständnis unterschiedlich verwendet – sei heute aber doch »ein Konsens festzustellen, daß der Stoff- und Energiewechsel des Menschen mit der ihm umgebenden Umwelt eine Dynamik erreicht hat, die gefährlich für den Fortbestand der Menschheit werden könnte«, so die Meinung des Prorektors. Die Umweltschutzforschung gehöre ohne Zweifel zu den Komplexen Systemen und erfordere daher nicht nur einen interdiszipinären Ansatz sondern auch eine informationstechnische Modellentwicklung. Für beide Anforderungen biete die Stuttgarter Universität sowie deren Vernetzung mit Fraunhofer-Instituten beste Voraussetzungen.
Im Anschluß an einen umfassenden Überblick über das Leistungsspektrum des Fraunhofer IGB durch Institutsleiter Professor Herwig Brunner nutzte Staatssekretär Müller die Gelegenheit zu einem Besichtigungsrundgang durch verschiedene Einrichtungen des Instituts. Er zeigte sich sichtlich beeindruckt von den Ergebnissen industrienaher Umweltschutzforschung, die in Biotechnikum, Membrantechnikum und Demonstrationszentrum für prozeßintegrierte Umwelttechnik präsentiert wurden und ließ sich durch konkrete Fragen über technische und umweltpolitische Zusammenhänge informieren. Neben innovativen Lösungen für die Abwasserreinigung produzierender Unternehmen, entwickelten IGB-Forscher auch neue Konzepte für Kommunen und Landwirtschaft.
Mit dem Slogan »Energie statt Klärschlamm« faßte Abteilungsleiter PD Dr. Walter Trösch seine jüngsten Entwicklungen zusammen. Klärschlamm, der nicht auf die Felder ausgebracht wird, kann mit Hilfe spezieller Bakterien zu Biogas vergärt werden. »Analog untersuchen wir die Vergärung von Biomüll aus der Biotonne oder Gastronomieabfällen«, erklärte der Umweltbiotechnik-Experte. Ein ganzheitliches Konzept sei beispielsweise für Gülle aus der Landwirtschaft sinnvoll. Ebenfalls mit Hilfe von Bakterien wird Biogas und Kompostgrundstoff erzeugt, durch anschließende Dampfstrippung läßt sich zusätzlich ein konzentrierter Stickstoff-Mineraldünger abtrennen. »Bakterien können sogar noch mehr: Aus dem ein oder anderen Abfall lassen sich mit ihrer Hilfe Wertstoffe produzieren, wie wir am Beispiel der Milchsäureproduktion aus Molkereiabwasser gezeigt haben«, leitete Trösch über zu seinem letzten Projektbeispiel, das er eingehend erläuterte.
Doch damit ist das Potential der Mikroben noch lange nicht erschöpft. Auch Schadstoffe, die Mensch und Umwelt gefährden, werden oftmals von ihnen beseitigt. Dies machen sich IGB-Forscher ebenfalls zu Nutze. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik entwickelt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie der Universität ein biologisches Verfahren für die Reinigung von Grundwasser, das mit den berüchtigten CKW (Chlorkohlenwasserstoffen) belastetet ist. Bakterien die unter Ausschluß von Luftsauerstoff den Chlorkohlenwasserstoff Tetrachlorethen abbauen, wurden an der Universität isoliert. Der Stoff, der dabei entsteht, besitzt zwar schon zwei Chloratome weniger, ist aber immer noch giftig. Um zu vermeiden, daß ein noch giftigeres Folgeprodukt entsteht, greifen die Fraunhofer-Spezialisten genau hier an: Ihnen gelang es, Bakterien zu finden, die genau diese Zwischenprodukte abbauen und gereinigtes Wasser zurücklassen. Das Konzept erscheint vielversprechend – gerade werden die ersten Versuche im halbtechnischen Maßstab durchgeführt.
Bevor der Staatssekretär das Gespräch mit Wissenschaftlern am Institut für Siedlungswasserbau suchte, begleitete IGB-Leiter Professor Brunner den Gast aus dem Landtag zum benachbarten Zentrum für Bioverfahrenstechnik der Universität, mit dem das Fraunhofer IGB weitere enge Kooperationen pflegt. Beispielsweise werden innerhalb des Zentralen Schwerpunktprojekts Bioverfahrenstechnik umweltrelevante Fragestellungen mit dem interdiziplinären Wissen der Fakultäten Verfahrenstechnik, Biologie und Chemie gemeinsam mit dem Fraunhofer IGB geklärt. Nur ein Beispiel dafür, daß – um mit den Worten Professor Jeskes zu schließen – «das Erkennen und Analysieren der Umweltprobleme nicht nur zum nachträglichen Beheben von Umweltsünden führt, sondern direkt in die Gestaltung von industriellen Prozessen einfließen kann, um Umweltschäden vermeiden zu helfen.«