Warum Algen züchten und wie Luft trinken?
Fraunhofer IGB beteiligt sich am Stuttgarter Wissenschaftsjahrmarkt zur Sonnenfinsternis.
Anläßlich der totalen Sonnenfinsternis am 11. August 1999 – Stuttgart befindet sich im nur 100 km breiten Kernschatten – veranstaltet die Stadt Stuttgart vom 10. bis zum 13. August einen Wissenschaftsjahrmarkt, auf dem Forschungseinrichtungen Neues, Aktuelles, oder einfach nur Kurioses rund um die Wissenschaft präsentieren. Auch das Fraunhofer IGB beteiligt sich und ist mit zwei Exponaten – dirket und indirekt zum Thema Sonne – in Zelt 2 auf dem Karlsplatz vertreten.
Warum Mikroalgen züchten?
Während der Sonnenfinsternis werden die grünen Mikroalgen im Sonnen-Bioreaktor für kurze Zeit aufhören zu wachsen. Denn für das Wachstum benötigen die mikroskopisch kleinen Algen Energie – und diese gewinnen sie aus dem Sonnenlicht, im komplexen biochemischen Prozeß der Photosynthese. Mit der Photosynthese wandeln die grünen Pflanzen wie auch ihre einzelligen Verwandten, zumeist grüne Algen, die Energie des Sonnenlichts um in chemische Energie, mit der sie wiederum energiereiche Zuckermoleküle aus Kohlendioxid (CO2) aufbauen. Die Photosynthese ist so die Grundlage nahezu allen Lebens auf der Erde, denn jedes Lebewesen ist auf Energiezufuhr mit der Nahrung angewiesen, die letztendlich aus der Photosynthese stammt.
Die Photosynthese hat aber noch einen anderen wichtigen Effekt: Während lebenswichtiger Sauerstoff frei wird, wird in den grünen Zell-organellen von Pflanzen und Algen Kohlendioxid aus der Luft gebunden. Dies hat positive Auswirkungen für Klima und Umwelt. Vor allem dann, wenn aus den Mikroalgen wertvolle Substanzen, z. B. Vitamine und Farbpigmente, Fettsäuren und Aminosäuren, sogar Antibiotika und pharmazeutisch wirksame Stoffe oder auch zu Brennstoffzellen-Kraftstoff transformierbares Methan, gewonnen werden, die derzeit z. T. noch unter hohem Aufwand an (fossiler) Energie chemisch hergestellt werden. Selbst wenn die Algen-Produkte irgendwann in der Müllverbrennungsanlage (oder im Magen) landen, wird aus ihnen nie mehr CO2 freigesetzt werden, als ursprünglich für ihre Biosynthese aus der Atmosphäre entfernt wurde.
Um die wertvollen Produkte der Mikroalgen gezielt nutzen zu können, wurde am Fraunhofer IGB ein sogenannter »Photo-Bioreaktor« entwickelt – quasi ein Wachstumsgefäß für Algen. Damit die Sonnenstrahlen auch tatsächlich den Weg zu den Algenzellen finden, ist besagter Photo-Bioreaktor aus Glas. Er ist zudem länger als gewöhnlich und sehr flach. Denn in einem normalen Reaktor werden die Algen nicht optimal mit Licht versorgt. Mittagssonne ist zu intensiv und schädigt die an der Oberfläche liegenden Algen, während für die Algen im Inneren kaum noch Licht für die Photosynthese übrig bleibt. Da es schwierig ist, das Sonnenlicht optimal im Bioreaktor zu verteilen, sollen statt dessen die Algen zum Licht hin bewegt werden: Die Forscher durchmischen die Algen im Reaktor, z. B. indem sie sie mit Luft durcheinanderwirbeln. Auf diese Weise kommt jede Algenzelle für kurze Zeit an die Oberfläche des Reaktors und so in den Genuß von viel Licht. Ist die Lichtintensität hoch genug, reichen selbst Lichtperioden von Sekundenbruchteilen aus, um optimal von den Algen genutzt zu werden. Es ist also gewährleistet, daß die Algen gut wachsen, und das heißt, daß sie möglichst viele verwertbare Inhaltsstoffe synthetisieren.
Wie kann man Luft trinken?
An einem schwülen Sommertag merkt es jedermann: Wasser liegt in der Luft. Doch auch in vermeintlich trockener Luft, wie z. B. bei trockener Wüstenhitze, sind immer noch genügend Wassermoleküle fein als Wasserdampf in der Luft verteilt. Mit einer ausgeklügelten Technik läßt sich aus Umgebungsluft trinkbares Wasser gewinnen – mithilfe feiner Membranen.
Kernstück des am Fraunhofer IGB entwickelten Apparates ist ein Bündel langer, rohrförmiger Membranen, sogenannter Kapillar- oder Hohlfasermembranen. Der Durchmesser einer einzelnen Röhre beträgt etwa 0,6 mm. Membranen haben die Eigenschaft, für bestimmte Stoffe durchlässig zu sein, für andere dagegen nicht. Daher eignen sie sich hervorragend, Gemische von Stoffen – ob gasförmig, flüssig oder fest – zu trennen und bestimmte Anteile eines Stoffgemisches aufzukonzentrieren. Bei der hier präsentierten Kombinationsanlage werden die in der Luft enthaltenen Wasserdampfmoleküle von der Luft getrennt: Als Produkte entstehen Wasserdampf, der die Membran passiert, und trockene Luft, die nicht durch die Membran tritt.
Damit das ganze tatsächlich funktioniert, sind gewisse Vorkehrungen nötig: So muß die Umgebungsluft, die von einem Kompressor angesaugt und verdichtet wird, zunächst abgekühlt werden. In einem zweiten Schritt passiert die nun kühlschranktemperierte Luft einen Kondensatabscheider. Hier wird bereits ein Teil der Wassermoleküle von der Luft abgetrennt, indem der Wasserdampf zu Wasser kondensiert wird. Der eigentliche Clou ist der nun folgende Schritt im Membranmodul, in dem die einzelnen Hohlfasern zusammengebündelt sind: Während die Luft mit hohem Druck in den Hohlfasern entlang strömt, tritt der größte Teil der in ihr enthaltenen Wasserdampfmoleküle durch die Membran, die für Wasserdampf um ein Vielfaches durchlässiger als für trockene Luft. Auf der Außenseite der Membran - gleichzeitig das Innere des Membranmoduls - herrscht ein viel niedriger Druck. Dieser entspricht etwa dem Druck der Umgebung, diese Membranseite wird daher als Niederdruckseite bezeichnet. Von hier wird der Wasserdampf über eine Vakuumpumpe, die einen Unterdruck erzeugt, abgesaugt, kondensiert und im Sammelbehälter aufgefangen.
Die gesamte Energie, die die Anlage benötigt, liefern Solarzellen. Sie wandeln die Sonnenenergie direkt in elektrischen Strom um, der auch in einer Batterie zwischengespeichert werden kann – für die Zeit der Sonnenfinsternis oder, im Fall der Wüste, für nachts. Vielleicht läßt sich auf diese Weise tatsächlich eines Tages das Trinkwasserproblem der Wüste lösen. Denn Sonne gibt es in der Wüste bekanntlich zu Genüge.