Süße Päckchen aus Afrika
Naturstoffe, die Forscher in tropischen Regenwäldern fanden, werden später oft von gentechnisch veränderten Organismen in Fermentern hergestellt. Dennoch steht in Ghana bald eine Anlage, die aus heimischen Pflanzen einen der süßesten Stoffe für Lebensmittel gewinnt.
Eine gegenwärtige Form des Kolonialismus funktionierte so: Ein Unternehmen schickt Forscher in den tropischen Urwald und lässt dort nach neuen und Erfolg versprechenden Substanzen fahnden. Wurde eine gefunden, meldet sie das Unternehmen zum Patent oder als Marke an und verdient damit Geld. Noch effektiver ist die modernste Variante: Sie nutzt nicht die Pflanze, sondern lediglich das Gen. In einen einzelligen Organismus wie Hefe oder Bakterium verpflanzt, produziert er den interessanten Stoff in einem Fermenter der im Mutterland steht. Die Nachteile dieser Vorgehensweise sind bekannt: Das Kolonialland geht leer aus.
Natürlich gibt es Regulative, wie ein Fall im westafrikanischen Ghana zeigt. Im April 2001 startete dort das Oda-Kotoamso Community Agroforestry Project OCAP. Die Ziele: Brachflächen des massiven Holzeinschlags nachhaltig bewirtschaften, die Artenvielfalt erhalten und neue Einkommensquellen für die heimische Bevölkerung erschließen. Dazu verpflichteten sich die Holz verarbeitetende Firma Samartex, Grundbesitzer, Pächter und staatliche Behörden; der Deutsche Entwicklungsdienst hilft bei technischen Fragen.
Eine Nutzpflanze, die sich gut unter Plantagenbäumen anbauen lässt, ist der im afrikanischen Regenwald heimische Katemfe-Strauch. Dass aus seinen Früchten Thaumatin - einer der stärksten bekannten Süßstoffe - gewonnen werden kann, ist nicht neu. Ebenso wenig, dass ihn die US-amerikanische Behörde FDA als unbedenklich einstuft und dass er auch in der EU als E 957 in Kaugummis, Desserts oder Suppen landet. Das kalorienarme Proteingemisch wird bereits vermarktet und Versuche für gentechnisch produziertes sind im Gange. Damit das ehemalige Kolonialland nicht leer ausgeht, entsteht derzeit in Ghana eine Produktionsanlage, die natürliche Ressourcen nutzen soll. Die finanzielle Förderung kommt von der Deutschen Investitions- und Entwicklungs-GmbH.
»Die komplette Aufbereitung von der Frucht bis zum fertigen Pulver haben wir bewusst einfach gehalten«, betont Dr. Wolfgang Krischke vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. »Die einzelnen Verfahrensschritte haben wir so ausgelegt und kombiniert, dass die bei uns geschulten ghanaischen Fachleute bei Wartung und Reparatur möglichst allein zurechtkommen.« Ein Mitarbeiter von Samartex führt derzeit in Deutschland Marktanalysen durch und knüpft bereits Kontakte zu potenziellen Abnehmern. Eine Arbeitsgruppe von der Universität Hohenheim untersucht, wie höhere landwirtschaftliche Erträge erzielt werden können.