An der Schnittstelle von Mensch und Pilz
Wird das Immunsystem geschwächt, können an sich harmlose Hefepilze zur tödlichen Bedrohung werden: Mithilfe verschiedener Proteine dringen sie in menschliches Gewebe ein. Wie sich eines davon – Tsa1p – in Pilzzellen verhält, untersuchte Xin Xiong am Fraunhofer IGB in seiner Diplomarbeit.
Einen Untermieter namens Candida albicans beherbergen etwa die Hälfte aller Menschen in ihrem Körper. Im Allgemeinen hält das Immunsystem diese Pilzart in Schach. Dennoch werden ihr allein in Deutschland mehrere Tausend Todesfälle pro Jahr angelastet – Tendenz steigend. Dabei handelt es sich überwiegend um Patienten auf Intensivstationen, deren Immunsystem z. B. durch Chemotherapien geschwächt ist. Bislang gibt es nur wenige Präparate, um Candidosen zu therapieren. Mit ihnen müssen oft erhebliche Nebenwirkungen ertragen werden und der Pilz wird zunehmend gegen sie resistent. Durch Forschungsarbeiten, die auch Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart durchführen, sollen an den Pilzzellen molekulare Strukturen gefunden werden, durch deren Erkennung Verbesserungen in Diagnostik, Therapie und Prävention von Mykosen beim Menschen möglich sein sollten.
In neuen Therapien wird es vermieden, die Pilzzellen einfach abzutöten, denn dies führt zu Selektion und Resistenzbildung. Spezifischere und verträglichere Antimykotika sollen vielmehr bewirken, dass der Hefepilz in seiner harmlosen Form verbleibt. Proteine in und auf seiner Zellwand bieten dazu ideale Ansatzpunkte, denn mit ihrer Hilfe haftet er am Wirtsgewebe. Wird Candida schließlich aggressiv, bildet er Hyphen genannte Formen, die ähnlich wie Wurzeln in Häute und Organe hineinwachsen. Ein zentrales und aussichtsreiches Ziel ist es also, diese »Schnittstellen« zu Homo sapiens medikamentös beeinflussen und damit die Wachstumsform kontrollieren zu können.
In der Arbeitsgruppe »Genomics, Proteomics, Screening« am IGB wurde dazu ein neuer biochemischer Ansatz entwickelt. Die Forscher können mit einem Bündel verschiedener Analysemethoden und gentechnischer Veränderungen bestimmen, in welcher Konzentration bestimmte Proteine im Inneren der Zellen, in der Zellwand und auf deren Oberfläche auftreten. So ermittelte Xin Xiong in seiner mit dem 1. Hugo-Geiger-Preis ausgezeichneten Diplomarbeit erstmals, unter welchen Bedingungen das für das Hyphenwachstum wichtige Protein Tsa1p gebildet wird und an der Zelloberfläche, gebunden in der Zellwand, auftritt.
Xiong fand heraus, dass das Protein Tsa1p während der Hyphenbildung aus dem Zellinneren in die Zellwand transportiert wird. Um die Funktion des Proteins in der Zellwand zu untersuchen, isolierte Xiong spezifisch nur die Tsa1p-Moleküle und ihre Wechselwirkungspartner, die tatsächlich in der Zellwand sitzen, nicht aber diejenigen aus dem Zellinneren. Hierzu markierte er alle Tsa1p-Moleküle mit einem aktiviertem Biotin, welches die das Zellinnere umhüllende Plasmamembran nicht passieren kann. Mit einem spezifischen Antikörper gegen Tsa1p konnte er dann die fraglichen Tsa1p-Proteine aufspüren. Der ebenfalls gebundene Biotinmarker hilft, die Proteine auf einer Affinitätssäule zu isolieren und weist gleichzeitig nach, dass die isolierten Proteine tatsächlich aus der Zellwand stammen. Die Wechselwirkungspartner von Tsa1p aus der Zellwand untersuchte Xiong mit modernsten biochemischen und spektroskopischen Methoden und fand heraus, dass sie an der Biogenese der Zellwand beteiligt sein können. In weiteren Studien – z. B. durch Deletion der für die Wechselwirkungspartner kodierenden Gene – soll untersucht werden, ob und wie diese Zellwandproteine an der Virulenz von Candida beteiligt sind.
»Das besondere besteht nicht nur darin, dass wir ein Protein entdeckt haben, das den Aufenthaltsort in unterschiedlichen Wachstumsformen des Pilzes wechseln kann«, betont Steffen Rupp, der Xiongs umfangreiche Arbeit betreut hat. »Die Ergebnisse sind auch ein wichtiger Beitrag, um unsere Untersuchungsmethoden zukünftig auf ein breites Spektrum von Proteinen und weitere pathogenen Organismen ausweiten zu können.«