Auf biochemischer Rasterfahndung – Neue Wirkstoffe gegen Pilzinfektionen gesucht
Das Tübinger Biochemie-Unternehmen EMC microcollections GmbH und das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB suchen in einem Verbundprojekt nach neuen Wirkstoffen gegen pilzbedingte Erkrankungen beim Menschen. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt werden vollkommen neuartige Verbindungen synthetisiert und anschließend auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Jetzt liegen erste vielversprechende Ergebnisse vor.
Etwa die Hälfte aller Menschen beherbergt Hefepilze in ihrem Körper. Im Allgemeinen hält das Immunsystem die lästigen Untermieter in Schach. Dennoch werden Hefepilzen allein in Deutschland mehrere Tausend Todesfälle pro Jahr angelastet – Tendenz steigend. Insbesondere immungeschwächte Chemotherapie-Patienten oder Transplantatempfänger sind von lebensgefährlichen Mykosen, also aggressiven Pilzinfektionen, betroffen. Bislang sind nur wenige Präparate gegen solche Erkrankungen verfügbar. Sie haben jedoch zum Teil erhebliche Nebenwirkungen. Außerdem werden die Pilze zunehmend resistent gegen die eingesetzten Wirkstoffe. Forscher des Fraunhofer IGB und Spezialisten der EMC microcollections GmbH haben sich jetzt in einem Forschungsprojekt auf die Suche nach neuartigen Verbindungen begeben, die ein breites Wirkspektrum gegen unterschiedliche Pilzarten aufweisen, aber besser verträglich sind als herkömmliche Antimykotika.
Dabei bringen beide Projektpartner ihr hoch spezialisiertes Know-how ein. Die EMC microcollections GmbH ist auf die mikrochemische Synthese einer sehr großen Zahl unterschiedlicher Verbindungen in kürzester Zeit spezialisiert. In dem aktuellen Projekt übernimmt das Tübinger Unternehmen daher die Aufgabe, Tausende potenzieller Wirkstoff-Verbindungen herzustellen. Am IGB werden diese Verbindungen in neu entwickelten Assay-Systemen auf ihre Verträglichkeit und Wirksamkeit hin getestet. In diesen speziellen Versuchsanordnungen untersuchen IGB-Mitarbeiter die Auswirkungen der Test-Substanz auf das Pilzwachstum in Anwesenheit von menschlichen Zellen. So kann sichergestellt werden, dass nur pilztötende, aber für den Menschen verträgliche Verbindungen weiter untersucht werden.
Die räumliche Nähe in der BioRegion STERN und der gute Name der Projektpartner in der Branche brachten das IGB und die EMC microcollections GmbH dann letztendlich zusammen. Seit Ende letzten Jahres läuft das BioProfile-Projekt, an dem zwei Wissenschaftler des IGB und vier Mitarbeiter der EMC arbeiten
Heute liegen erste Ergebnisse vor. Die Projektpartner sind auf Verbindungen gestoßen, bei denen es sich offenbar lohnt, ganz genau hinzuschauen. »Wir haben bereits Strukturen auf dem Tisch, bei denen unsere Chemiker überlegen, wie diese zu modifizieren sind, damit sich die Wirkung noch weiter verbessert«, erklärt EMC-Geschäftsführer Prof. Dr. Karl-Heinz Wiesmüller. In einer zweiten Phase des Projektes kann somit an interessanten Einzelverbindungen, so genannten »Hits«, gezielt weitergearbeitet werden. »Im Fokus stehen dann die molekularen Wirkmechanismen dieser Substanzen und ihre Weiterentwicklung zu einem pharmazeutisch interessanten Wirkstoff«, so Wiesmüllers Projektpartner Dr. Steffen Rupp vom IGB. Dann wollen sich EMC und IGB auch weitere Industriepartner suchen. Schließlich sollte jemand die neuen Wirkstoffe als Arzneimittel auf den Markt bringen – damit Pilzinfektionen auf Intensivstationen und in Transplantationszentren ihren Schrecken verlieren.