Die Ära Brunner endet: Wechsel der Institutsleitung am Fraunhofer IGB
Nach nahezu 14 Jahren erfolgreichen Wirkens übergab Prof. Dr. Herwig Brunner die Leitung des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB am 3. Dezember 2007 an seinen Kollegen Prof. Dr. Thomas Hirth. Im Kreise seiner Mitarbeiter überreichte Brunner seinem Nachfolger den symbolischen Schlüssel zum IGB.
Professor Herwig Brunner nahm den ersten Teil seines offiziellen Abschieds vom Fraunhofer IGB kurz vor seinem 65. Geburtstag im April dieses Jahres mit dem Festkolloquium »Trends spüren – Veränderung leben – Zukunft gestalten« im Beisein von Wegbegleitern, Mitarbeitern, Freunden und Familie. Hochrangige Vertreter aus Politik, Fraunhofer-Gesellschaft und Universitäten sowie Industriepartner waren angereist, um die Leistungen und Verdienste von Prof. Brunner für das Fraunhofer IGB zu würdigen. Prof. Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, überreichte ihm die Fraunhofer-Medaille als Zeichen der besonderen Anerkennung. In seiner Laudatio lobte Prof. Dr. Jahn von der BASF AG als Sprecher des Kuratoriums des Fraunhofer IGB die Leistungen Prof. Brunners im Bereich der industriellen Biotechnologie von der Grundlagenforschung über Anwendungsentwicklungen bis zur großindustriellen Realisierung.
Prof. Brunner, zuvor Forschungs- und dann Bereichsleiter Biotechnologie bei Boehringer Mannheim, leitete das Fraunhofer IGB seit 1994. Während dieser Zeit stieg die Zahl der Mitarbeiter von 120 auf heute über 200, das Forschungsbudget von ca. 4 auf heute 12 Mio Euro. Dank seiner Erfahrungen in der Pharmazeutischen Industrie gelang es ihm, die Biotechnologie am Fraunhofer IGB um wesentliche molekularbiologische Kompetenzen zu erweitern. Mit zwei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF geförderten Nachwuchsforschergruppen etablierte er die Genom- und Proteomforschung und verstärkte den Bereich der Biofunktionalisierung an Oberflächen am IGB, deren Früchte heute in den stetig gewachsenen, am Markt äußerst erfolgreichen Abteilungen Molekulare Biotechnologie und Biomimetische Grenzflächen geerntet werden. Mit einem generischen Interferon-beta gelang ihm der Durchbruch in der Entwicklung von rekombinanten pharmazeutischen Proteinen: Ein in Säugerzellen produziertes Interferon war das erste biogenerische Pharmaprotein, das in der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt, an eine Pharmafirma lizensiert und für den Markt zugelassen wurde. Desgleichen erkannte Brunner frühzeitig die Bedeutung des Tissue Engineering für Medikamententwicklung und individualisierte Therapie und stärkte konsequent die Zellsystemforschung am Fraunhofer IGB mit dem Ergebnis, dass das IGB mit vaskularisierten dreidimensionalen Testsystemen auch hier anderen einen Schritt voraus ist.
Überdies gelang es ihm, eine universitäre Plattform zu schaffen, an der auch die wissenschaftlichen Grundlagen für die mehr anwendungsorientierte Forschung am IGB erarbeitet werden können. 1994 bekleidete er einen Lehrstuhl für Grenzflächenverfahrenstechnik in der Fakultät Verfahrenstechnik und Technische Kybernetik an der Univer-sität Stuttgart. Zwei Jahre später wurde Brunner als Kooptiertes Mitglied in der Fakultät Chemie und der Fakultät Geo- und Biowissenschaften der Universität Stuttgart aufgenommen.
2000 schließlich wurden seine Bemühungen in der Akademia belohnt, als sein Lehrstuhl zu einem eigenen Institut, dem Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik IGVT, erhoben wurde. An die 50 Doktoranden – Molekular- und Zellbiologen, Chemiker, Verfahrenstechniker und Maschinenbauer – hat er betreut. In den Jahren 2002-2004 wirkte Prof. Brunner zudem als Prodekan des Fachbereichs Verfahrenstechnik und Technische Kybernetik in der Großfakultät Maschinenbau. Ebenso vertiefte Brunner Kontakte zur Universität Hohenheim, was in einem Kooperationsvertrag mit dem IGB mündete. Seit Oktober 2006 ist Prof. Brunner auch Mitglied des Hohenheimer Universitätsrates.
Prof. Brunner machte das Fraunhofer IGB zu einem in Forschung und Wirtschaft weithin sichtbaren »Innovationsmotor der Biotechnologie«. Er verstand es dabei, vorhandene Synergien zu Industrieunternehmen und Forschungspartnern auszubauen und neue wertvolle Kontakte zu knüpfen. Die Infrastruktur des Instituts passte er konsequent an die sich verändernden Erfordernisse industrieller Kunden an und schuf mit Erweiterungsbauten, Demonstrationszentren, Qualitätsmanagementsystem, akkredierten Analyselabors, einer GMP-Herstellungseinheit für Tissue-Engineering-Produkte sowie zellbasierten Assays nach GLP-Richtlinien Voraussetzungen für ein modernes und wettbewerbsfähiges Leistungsangebot. Gleichzeitig verfolgte er die erfolgreiche Strategie, marktreife Entwicklungen aus dem IGB – exemplarisch genannt sei ein autologes Knorpeltransplantat, das bis heute 1300fach implantiert wurde – in Form von Spin-offs als zukünftige Forschungspartner zu etablieren. So stieg die Zahl der Unternehmensgründungen aus dem IGB, beispielweise aus der Gendiagnostik, der Umwelttechnik und Algentechnik sowie der Zellsystemtechnik unter seiner Ägide sichtbar an.
Prof. Brunners Fachkompetenz wurde und wird von Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen geschätzt: Seine Mitarbeit ist auch in Zukunft in zahlreichen Wissenschaftlichen Beiräten von Life-Sciences-Firmen, Beratungsgremien von BMBF und EU sowie in der internationalen Zusammenarbeit gefragt. Verschiedene Ehrungen, u. a. die Wahl zum Mitglied der Leibniz-Sozietät und der European Academy of Sciences and Arts, zeigen ebenfalls die hohe Wertschätzung, die ihm Kollegen über nationale Grenzen hinweg entgegenbringen. Innerhalb dieser Grenzen machte er sich in vorbildlicher Weise um den Biotechnologiestandort Deutschland, Baden-Württemberg und hier besonders Stuttgart/Neckar Alb verdient.
Die Leitung des Instituts für Grenzflächenverfahrenstechnik IGVT an der Universität Stuttgart wird Prof. Brunner bis Ende März 2008 weiterführen. Auch seine Aktivitäten in zahlreichen Funktionen und Gremien, z. B. den wichtigen Vorsitz des Gutachter-Gremiums beim BMBF-Programm »KMU innovativ, Biotechnologie – BioChance« sowie der BioRegio STERN, nimmt er weiterhin wahr. Auch dem Fraunhofer IGB wird er noch eine Weile erhalten bleiben und den neuen Institutsleiter mit Rat und Tat unterstützen.