Schmierstoffe aus Pflanzenöl
Unabhängigkeit vom Erdöl ist der Traum vieler rohstoffarmer Länder. Doch das schwarze Gold nimmt nach wie vor nicht nur eine dominante Rolle als Energieträger, sondern auch als Material für die chemische Industrie ein. Um das zu ändern, haben Forscher das Projekt »Integrierte BioProduktion« gestartet. Im Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna beginnt ab Anfang Oktober die Herstellung von Epoxiden aus heimischen pflanzlichen Ölen im Pilotmaßstab. Die chemischen Zwischenprodukte dienen zur Herstellung von Schmierstoffen, Tensiden oder Emulgatoren.
Epoxide sind sehr reaktionsfähige organische Verbindungen, die aus einem Dreiring mit zwei Kohlenstoff- und einem Sauerstoffatom bestehen. Die chemische Industrie nutzt sie unter anderem zur Herstellung von Schmierölen für Fahrzeuge und Motoren oder von Tensiden und Emulgatoren für Wasch- und Reinigungsmittel. Bisher basieren Epoxide meist auf Ausgangsstoffen, die aus Erdöl gewonnen werden. Forscher am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben ein chemoenzymatisches Verfahren entwickelt, dass deren Herstellung jetzt auch auf Basis pflanzlicher Öle bei niedriger Temperatur und umweltfreundlicheren Bedingungen erlaubt.
Das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP in Leuna macht diese Technologie nun reif für die industrielle Anwendung. Ab Oktober 2012 werden hier die im Labor gewonnen Erkenntnisse auf einen größeren Maßstab hochskaliert. In dem neuen Zentrum sind Volumen von bis zu 100 Litern möglich. Das entspricht einer Menge von bis zu 70 Kilogramm an Epoxiden. Bislang konnte diese Reaktion lediglich im Gramm-Bereich realisiert werden. Bis April 2014 entwickeln die 14 Partner des Projekts »Integrierte BioProduktion« ein Verfahren zur Gewinnung von Epoxiden aus heimischen Pflanzenölen für die Industrie.
Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie nutzen
Zur Herstellung von Epoxiden eignen sich zum Beispiel Senf-, Holunderkern-, Krambe- oder Drachenkopföl. Teilweise fallen diese Öle als Nebenprodukte in der Lebensmittelproduktion an, werden selbst aber nicht als Lebensmittel genutzt. Das Epoxid wird in Leuna aus den flüssigen Ölen oder auch Fettsäuren mit Hilfe der chemo-enzymatischen Epoxidierung gewonnen. Im Unterschied zu der etablierten rein chemischen Variante katalysiert hier das Enzym Lipase das Epoxidierungsmittel Persäure. Die wesentlichen Vorteile liegen in der einfacheren und effizienteren Handhabung der Enzyme. Im Vergleich zu vielen anderen chemischen Reaktionen arbeiten sie bei moderateren Temperaturen, Normaldruck und neutralem pH-Wert. Gleichzeitig führen Enzyme die Epoxidierung nur an der gewünschten Stelle im Molekül ohne Nebenreaktionen aus.
»Auch wenn sich die petrochemischen Verfahren nie vollständig ersetzen lassen – das Potential von nachwachsenden Rohstoffen für die chemische Industrie ist enorm. 2009 wurden etwa 14 Millionen Tonnen Pflanzenöl für chemisch-technische Produkte verwendet, im Vergleich zu ca. 400 Millionen Tonnen Mineralöl im gleichen Jahr. Um die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren und Einsparpotentiale an CO2-Äquivalenten auszuschöpfen, benötigt die Industrie hochmoderne Bioraffinerien. Wir entwickeln in Leuna dafür die geeigneten Prozesse«, erklärt Dr. Katja Patzsch, Gruppenleiterin Biotechnologische Verfahren am CBP.
Projekt »Integrierte BioProduktion«
Das Verbundvorhaben »Integrierte BioProduktion« wird vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) gefördert. Im Mittelpunkt der Forschungsaktivitäten steht die Steigerung des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe, vor allem heimischer pflanzlicher Öle, zur Herstellung von Synthesebausteinen für die chemische Industrie. In der 1. Phase bis April 2012 wurden relevante Pflanzenöle ausgewählt und bewertet, chemische und biotechnologische Konversionsverfahren im Labormaßstab entwickelt und getestet sowie geeignete Katalysatoren identifiziert. In der bis 2014 angesetzten 2. Phase liegt der Fokus auf der Optimierung und der Skalierung ausgewählter Prozesse in industriell relevante Maßstäbe, wobei das Fraunhofer-Zentrum CBP den Schnittpunkt darstellt. Ab Oktober 2012 testet es die hochskalierten Anlagen und Prozesse zusammen mit den Projektpartnern Addinol Lube Oil GmbH, Dracosa AG, DHW Deutsche Hydrierwerke GmbH Rodleben, Taminco GmbH, Umicore AG & Co. KG, Linde Engineering Dresden GmbH, Eucodis Bioscience GmbH, Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, InfraLeuna GmbH, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT und Karlsruher Institut für Technologie KIT.