techtextil 2019

Insekten liefern Chitin als Grundstoff für die Textilindustrie

Fraunhofer IGB | Presseinformation /

Bei der Textilverarbeitung kommen oftmals Chemikalien aus fossilen Quellen zum Einsatz. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB forscht an unbedenklichen biobasierten Alternativen. Insektenchitin, das in großen Mengen als Reststoff in der Futtermittelindustrie anfällt, wird dabei zu hochreinem Chitosan aufgearbeitet. Das Biopolymer eignet sich als Schlichtemittel bei der Verarbeitung von Garnen. Entsprechend modifiziert kann es auch zur funktionalen Ausrüstung von Textilien eingesetzt werden. Vom 14. bis 17. Mai präsentiert das IGB seine Arbeiten auf der Messe techtextil in Frankfurt am Main.

Exuvien
© Fraunhofer IGB
Nach der Häutung der Larven bleiben Insektenhäute als Reststoff.
Chitosan
© Fraunhofer IGB
Aus Insektenhäuten aufgereinigtes Chitosan.
Chitosanfilm
© Fraunhofer IGB
Film aus Chitosan. Die Filmbildung ist wichtig beim Schlichten der Garne.

Chitin ist ein Hauptbestandteil von Insektenhäuten und ‑panzern und fällt in großen Mengen als Nebenprodukt bei der Herstellung von Tierfutter an, seitdem die Futtermittelindustrie verstärkt auf Insekten als Proteinlieferanten setzt. Seit Sommer 2017 ist Insektenprotein zudem als Fischfutter in der Aquakultur zugelassen; die Mengen der Chitin‑Abfälle werden daher weiter ansteigen. Chitin ist ein stickstoffhaltiges acetyliertes Polysaccharid und Ausgangsstoff für die Herstellung von Chitosan, das durch Deacetylierung aus Chitin gewonnen wird. Aufgrund seiner Fähigkeit zur Filmbildung kann Chitosan beispielsweise als Schlichtemittel eingesetzt werden. Derzeit wird Chitosan hauptsächlich noch aus Krabbenschalen‑Chitin gewonnen.

 

Chitosan aus regional verfügbaren Quellen

Der Futtermittelindustrie geht es um Proteine und auch Fette, die Häute und Panzer der Insekten bleiben als Abfallprodukt zurück. Das Potenzial, diese zu nutzen, ist enorm: Im Laufe ihrer Entwicklung häuten sich die Larven der Insekten mehrere Male. Die dabei zurückbleibenden Häutungsprodukte bestehen bis zu 40 Prozent aus Chitin.

Wie regional verfügbares Insektenchitin aus der Futtermittelproduktion für die Textilverarbeitung aufgearbeitet werden kann, untersucht das Fraunhofer‑Institut für Grenzflächen‑ und Bioverfahrenstechnik IGB zusammen mit seinen Projektpartnern im Projekt ChitoTex, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird (FKZ 031A567A).

 

Biopolymer Chitosan zur Verwendung als Schlichtemittel

Die Insektenhäute werden von Protix (Niederlande), dem führenden Hersteller von Insektenprotein, zur Verfügung gestellt. Um die relevanten Reststoffströme aus der Insektenproteinproduktion mit einem hohen Chitingehalt zu identifizieren, entwickelten die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IGB zunächst spezielle Analysemethoden. Diese legen den Grundstein zur Etablierung von geeigneten Aufreinigungsverfahren des Polysaccharids.

In einem ersten Schritt trennen die Fraunhofer‑Wissenschaftler das Chitin von weiteren Bestandteilen der Insektenhäute, vor allem Proteinen und Mineralien. »Um dann Chitin mittels Deacetylierung zu Chitosan zu verarbeiten, untersuchen wir verschiedene Wege«, erläutert Fraunhofer‑Forscher Dr. Thomas Hahn. »Zusammen mit den Partnern Eucodis (Österreich) und NMBU (Norwegen) haben wir in einem Enzymscreening nach passenden Enzymen für den Deacetylierungsprozess gesucht«. Die Aufarbeitung und nachfolgende Konversion des Insektenchitins resultierte in hochreinem Insektenchitosan. Physikalisch‑chemische Untersuchungen zeigten, dass dieses Insektenchitosan zu Krabbenchitosan analoge Eigenschaften aufweist.

Anwendungsspezifische textiltechnologische Tests der Projektpartner DITF Denkedorf, Dr. Petry und Lauffenmühle bestätigten die Eignung des Chitosans als Schlichtemittel. Chitosan verringert die Reibung und verhindert im Webprozess das Aufrauen der Fasern. Da Schlichtemittel nach dem Weben ausgewaschen werden oder auf der Faser verbleiben, bieten biobasierte, natürliche Alternativen gegenüber den bisherigen synthetischen Mitteln Vorteile für die Verträglichkeit für Mensch und Umwelt.

 

Hydrophobierung von Textilien mit modifiziertem Chitosan

Eine zweite Einsatzmöglichkeit für Chitosan ist die Funktionalisierung von Textilien – also die Ausrüstung von Textilgeweben mit spezifischen Eigenschaften. »Hierfür muss das Chitosan weiter modifiziert werden«, so Hahn. »Über die funktionelle Aminogruppe wollen wir hydrophobe Moleküle mit dem Chitosan verknüpfen, um Textilien mit wasserabweisenden Eigenschaften zu erzeugen«. Das Chitosan dient dabei als Matrix, fixer Ankerpunkt und auch Quervernetzer für die hydrophoben Moleküle. Grundlage zur Verwendung des Chitosans in der Textilbeschichtung bildet neben den leicht zu funktionalisierenden Aminogruppen die reguläre Wiederholungsstruktur.

Zusammen mit den deutschen Partnern aus ChitoTex, ergänzt durch Knopf´s Sohn, werden im Rahmen des Projekts Hydrofichi (FKZ 031B0341A, BMBF) Formulierungen entwickelt, die nach Foulardierung und Temperatureinwirkung eine homogene Hydrophobierung der textilen Fläche erlauben. Hauptziel des Projekts ist die Ausrüstung von Textilien mit modifiziertem Chitosan zum Einsatz im Sport‑ und Freizeitbereich. Damit sollen die üblicherweise genutzten synthetischen Agenzien und Textilhilfsmittel zumindest teilweise ersetzt werden.

 

Präsentation auf der techtextil

Auf der techtextil vom 11. ‑ 16. Mai 2019 in Frankfurt am Main zeigt das Fraunhofer IGB aus Insektenhäuten aufgereinigtes Chitosan am Gemeinschaftsstand der Fraunhofer Allianz Textil in Halle 3.0, Stand C76.