Aufbruch in die industrielle Biotechnologie und Bioökonomie
Mit der Berufung und dem Wechsel nach Stuttgart zum Dezember 2007 hat sich für mich die einmalige Gelegenheit ergeben, an einem Standort Grundlagenforschung und angewandte Forschung zunächst auf dem Gebiet der industriellen Biotechnologie und später der Bioökonomie zu verbinden.
Die Voraussetzungen dafür waren sehr gut, da die Fraunhofer-Gesellschaft bereits 2005 die Bedeutung des Themas »Industrielle Weiße Biotechnologie« erkannt und in der Folge als Innovationsthema ausgebaut hat. Darüber hinaus gab es am Fraunhofer IGB bereits einige Projekte zur weißen Biotechnologie wie beispielsweise die Herstellung von Milchsäure aus Molke, die durch meinen Vorgänger Professor Herwig Brunner und seinen Stellvertreter Professor Walter Trösch initiiert wurden. Am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik der Universität Stuttgart, das ich von 2008 bis 2015 in Personalunion leiten durfte, wurden seit den 80er Jahren grundlegende wissenschaftliche Arbeiten zur Bioprozesstechnik durchgeführt, zunächst unter der Leitung von Professor Horst Chmiel und später unter der Leitung von Professor Herwig Brunner.
Aufbauend auf dem 2008 gemeinsam mit allen Mitarbeitenden des Fraunhofer IGB durchgeführten Strategieprozess, dank der finanziellen Unterstützung durch die Fraunhofer-Gesellschaft und die Universität Stuttgart im Rahmen der Berufung sowie des großartigen Engagements der Mitarbeitenden an beiden Instituten, ist es uns gelungen, zunächst das Thema Industrielle Biotechnologie und eng damit verknüpfte Themen gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zu entwickeln und nachhaltig an beiden Instituten zu verankern. Darauf aufbauend haben wir dann gemeinsam das Thema Bioökonomie entwickelt.
Besonders dankbar bin ich dafür, dass ich Mitglied im ersten Bioökonomierat der Bundesregierung sein durfte und an der Entwicklung der ersten Bioökonomie-Strategie für Deutschland mitwirken konnte sowie später durch den Vorsitz des Lenkungsausschusses das Forschungsprogramm »Bioökonomie Baden-Württemberg« mitgestalten durfte. Dadurch entstanden wertvolle Impulse, die die Entwicklung des Fraunhofer IGB aber auch des IGVP entscheidend und nachhaltig beeinflusst haben. Ein wesentlicher Meilenstein war sicher auch die Einrichtung des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP am Chemiestandort Leuna, das 2012 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel feierlich eröffnet wurde. Die Aktivitäten in Leuna und Stuttgart waren die Grundlage für den Erfolg im Spitzenclusterwettbewerb des Bundes und den Start des Spitzenclusters BioEconomy, der auch zur Ansiedlung von Unternehmen der Bioökonomie am Standort Leuna geführt hat.
Neben der Bioökonomie, die sicher der zentrale Baustein der strategischen Entwicklung des Fraunhofer IGB in den Jahren 2007–2015 war, haben wir aber auch andere Themen wie die Wasser- und Nährstoffaufbereitung, die Membranverfahren und Elektrochemie, die pharmazeutische Biotechnologie sowie die Plasmatechnologie entwickelt und ausgebaut. Dadurch wurde das Fraunhofer IGB zu einem Leuchtturm in der Wissenschaft mit internationaler Sichtbarkeit und nachhaltiger Finanzierung.
Wenn ich heute auf meine Zeit am Fraunhofer IGB zurückblicke, so tue ich das mit Dankbarkeit, da ich gemeinsam mit den Mitarbeitenden für die Wissenschaft und Wirtschaft wichtige Themen entwickeln und umsetzen konnte, das Institut gut für die Zukunft vorbereiten konnte und insbesondere vielen jungen Menschen etwas für ihre berufliche Zukunft mit auf den Weg geben konnte.
Ich gratuliere dem Fraunhofer IGB zu seinem 70. Geburtstag und wünsche ihm eine gute Entwicklung auf dem eingeschlagenen Weg in die Zukunft in der Verbindung von Biologie und Technik sowie der Entwicklung von Verfahren, Technologien und Produkten für Gesundheit, Nachhaltige Chemie sowie Umwelt und Klimaschutz.
Thomas Hirth