Synthetische Proteine in humanpathogenen Pilzen

Virulenzfaktoren bestimmen die Pathogenität

Candida albicans in hyphaler Morphologie.
Candida albicans in hyphaler Morphologie.

In den letzten Jahren ist die Anzahl an Erkrankungen durch humanpathogene Pilze stetig gestiegen. Aufgrund ihrer hohen Morbidität und Mortalität sind sie zu einem ernsten Problem im Gesundheitswesen geworden. Vor allem schwerwiegende Krankheitsverläufe wie systemische Mykosen, die den gesamten Körper betreffen, sowie entstehende Resistenzen bereiten Probleme in der Behandlung. Häufigster Auslöser systemischer Mykosen im Menschen ist der humanpathogene Pilz Candida albicans, der bei supprimiertem Immunstatus des Wirtes, beispielsweise in Folge von Operationen, Chemotherapien oder krankheitsbedingt, schwere Infektionsverläufe auslösen kann. Candida albicans verfügt über eine Vielzahl von Mechanismen, die zur Pathogenität führen. Vermittelt werden diese Mechanismen durch Virulenzfaktoren, Proteine mit unterschiedlichsten Funktionen in der Zelle. Virulenzfaktoren sind essenziell für die Pathogenität, insofern bieten sie ein vielversprechendes Ziel für die Entwicklung von Therapeutika. Voraussetzung dafür ist jedoch ein fundiertes Wissen über die molekularen Eigenschaften und physiologischen Interaktionsnetzwerke der Proteine in der Zelle. Da insbesondere für Candida albicans Techniken fehlen, um die Interaktionsnetzwerke von Proteinen in vivo zu analysieren, wurde am Fraunhofer IGB eine neue Methodik zur Analyse von Protein-Protein-Interaktionen mithilfe synthetischer Aminosäuren entwickelt.

Analyse der Proteininteraktion mit synthetischen Proteinen

Die artifizielle Aminosäure p-Azidophenylalanin.
Die artifizielle Aminosäure p-Azidophenylalanin.

Dabei wird das zu analysierende Protein in nur einem Baustein, also einer Aminosäure, modifiziert und anstelle einer natürlichen an dieser Position eine artifizielle Aminosäure integriert. Diese kann dem Protein neue physikalisch-chemische Eigenschaften verleihen. Artifizielle Aminosäuren entstammen dem Forschungsfeld der synthetischen Biologie, bislang sind schon über 300 artifizielle Aminosäuren verfügbar. Die synthetischen Aminosäuren ermöglichen Forschern ein breites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten, so dass Proteine beispielsweise leichter analysiert werden können oder neuartige Eigenschaften erhalten. Für die Studie von molekularen Interaktionen bietet sich die unnatürliche Aminosäure p-Azidophenylalanin an, ein Derivat der natürlichen Aminosäure Phenylalanin. Die nicht natürlich in Proteinen vorkommende Azido-Gruppe kann durch Anregung mit UV-Licht aktiviert werden und dadurch eine stabile kovalente Bindung mit Molekülen in der Umgebung eingehen. Findet in der Zelle eine Interaktion des modifizierten synthetischen Proteins mit einem anderen Protein statt, kann diese Interaktion unter physiologischen Bedingungen durch Kreuzvernetzung fixiert werden und ist stabil für die weitere Aufreinigung und Identifizierung des Interaktionspartners.

Erweiterter genetischer Code

Um in vivo Interaktionsstudien durchführen zu können, muss die artifizielle Aminosäure zunächst in Proteine integriert werden. Dies wird durch eine Methodik der synthetischen Biologie ermöglicht, dem sogenannten erweiterten genetischen Code. Die artifizielle Aminosäure kann durch spezielle Biomoleküle, tRNAs und tRNA-Synthetasen, direkt während der Proteinsynthese positionsspezifisch und mit bislang unerreichter Effizienz in das Zielprotein eingebaut werden.

Erfolgreicher positionsspezifischer Einbau in C. albicans-Virulenzfaktoren

Kristallstruktur von interagierenden Tup1-Domänen.
Kristallstruktur von interagierenden Tup1-Domänen.
Identifizierung interagierender Proteine per Massenspektrometrie.
Identifizierung interagierender Proteine per Massenspektrometrie.

Nach umfassenden grundlegenden Forschungsarbeiten konnten wir am Fraunhofer IGB die Methodik des erweiterten genetischen Codes erfolgreich für den humanpathogenen Pilz Candida albicans etablieren. Dazu wurden die benötigten tRNAs und tRNA-Synthetasen am Fraunhofer IGB speziell für den Einbau artifizieller Aminosäuren in C. albicans angepasst. Dabei ist es uns gelungen, die generelle Anwendbarkeit der Methode nicht nur an einem Modellprotein, sondern darüber hinaus auch an dem zentralen Virulenzfaktor Tup1 zeigen. Somit ist erstmals der positionsspezifische Einbau einer artifiziellen Aminosäure in ein eukaryontisches Humanpathogen gelungen. Zugleich konnten wir erstmals eine durch die synthetische Markierung vermittelte physiologische Interaktion des Virulenzfaktors Tup1 charakterisieren. Die so veränderten Candida-albicans-Stämme können nun für weitreichende Interaktionsstudien, beispielsweise von Virulenzfaktoren, eingesetzt werden, denkbar ist aber auch die Erforschung von Wirt-Pathogen-Interaktionen.

Das entwickelte System ist außerdem für Protein-DNA- sowie Protein-Metabolit-Interaktionen nutzbar. Nachdem die generelle Anwendbarkeit gezeigt werden konnte, ist darüber hinaus denkbar, dem genetischen Code von Candida albicans weitere artifizielle Aminosäuren hinzuzufügen und dadurch das Spektrum an molekularen Werkzeugen, die zur Erforschung der Virulenzmechanismen zur Verfügung stehen, noch weiter auszudehnen.

Förderung

Wir danken dem Landesgraduiertenförderungsprogramm des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg für die Förderung des Projekts »Erweiterung des genetischen Codes zur Analyse von Protein-Protein-Interaktionen im humanpathogenen Pilz Candida albicans«.