Proteine als Medikamente nutzen
Ob man eine Hantel stemmt oder eine Infektion abwehrt – immer sind Proteine beteiligt. Die Eiweiße wirken unmittelbarer auf den Körper als Gene. Das wollen Forscher nutzen, um Krankheiten zu bekämpfen.Auf der diesjährigen MEDTEC vom 9.-11. März 2004 in Stuttgart stellen Fraunhofer-Forscher vor, wie an Nanostrukturen gekoppelte Proteine (NANOCYTES®) in Zukunft in der Medizin eingesetzt werden könnten.
Proteine sind der Stoff, aus dem das Leben ist. Menschen und Tiere bestehen zum größten Teil aus solchen Eiweißen – wenn man einmal vom Wasser absieht. Proteine wirken unmittelbarer auf den Körper als Gene. Jeder kennt den aufputschenden Kick, wenn nach einem Schrecken das Adrenalin – eines der bekanntesten Proteine – in den Körper schießt. Forscher wollen Eiweiße künftig stärker als Medikamente nutzen. Visionäre träumen bereits von einer intelligenten Medizin, die mithilfe eines ausgefeilten Protein-Cocktails Krankheiten individuell besiegt. Im Kampf gegen Krebs könnte das folgendermaßen aussehen: Winzige Kügelchen als Trägersubstanz, nicht größer als menschliche Zellen, werden mit einem handverlesenen Protein-Mix bestückt. Einige der Proteine wirken als Sensoren, die Krebszellen zuverlässig von gesunden Zellen unterscheiden und ansteuern. Sie docken an der Geschwulst an und bringen so die Killer-Proteine in Stellung, die die kranken Zellen abtöten.
Das klingt nach Science-Fiction. Doch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart hat sich diesem Ziel schon ein gutes Stück genähert. Der Gruppe um den Chemiker Dr. Günter Tovar ist es gemeinsam mit Forschern der Universität Stuttgart gelungen, das Protein »Tumor Nekrose Faktor« (TNF) auf winzigen Siliziumkügelchen zu verankern und so für den Einsatz in der Tumortherapie vorzubereiten. TNF gilt als Hoffnungsträger im Kampf gegen Krebs. Die Substanz dockt an Krebszellen an und entfaltet dort ihre fatale Wirkung: den programmierten Zelltod.
Allerdings verfügen nicht nur Krebszellen über Rezeptoren für TNF. Damit gesundes Gewebe nicht angegriffen wird, muss man die intelligenten Kügelchen daher mit einem weiteren Protein bestücken, das nur Krebszellen aufspürt. Zwei Eiweißmoleküle im Tandem verbessern die Zielgenauigkeit und verringern so unerwünschte Nebenwirkungen. Weiteres Problem: Außerhalb ihres natürlichen Milieus verlieren Proteine rasch ihre biologische Wirkung. Um die Aktivität der Winzlinge zu wahren, haben die Stuttgarter ihnen ein möglichst naturnahes Umfeld geschaffen: eine künstliche Zellmembran. Eine solche Membran nachzubauen, ist eine knifflige Arbeit – Experten sprechen von chemischer Nanotechnologie. Die Silizium-Kügelchen, die als künstliche Trägerzelle fungieren, sind nur 100 bis 1 000 Nanometer dick (1 Nanometer ist der millionste Teil eines Millimeters). Deren Oberfläche muss chemisch so präpariert werden, dass sie einer natürlichen Zellmembran ähnelt.