Tag der Technik bei Fraunhofer
Unter dem Motto »Neue Technologien für Mensch und Umwelt« forschen wir am IGB für die Gesundheit des Menschen, aber auch für eine gesunde Umwelt.
Die Forschung am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB zielt stets darauf, Anwendungspotenziale für die Industrie und die Gesellschaft zu erschließen. Unter dem Motto »Neue Technologien für Mensch und Umwelt« forschen wir für die Gesundheit des Menschen, aber auch für die Umwelt: Denn Vorausetzung für einen gesunden Menschen ist – auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit – eine gesunde Umwelt. Die Forschung am Fraunhofer IGB reicht daher von den molekularen Zusammenhängen in der Biotechnologie und den Nanodimensionen der Grenzflächentechnologie und Materialwissenschaft über neue Entwicklungen für die Regenerationsmedizin und Medizintechnik bis hin zu neuen nachhaltigen Konzepten für ein urbanes Wassermanagement, bei denen Wasser und Kosten gespart und organische Abfälle in Hochleistungsbioreaktoren zu Biogas vergoren werden.
Brustkrebs gilt als häufigste Krebserkrankung von Frauen in industrialisierten Ländern – jede neunte Frau erkrankt im Lauf ihres Lebens daran. Die Gründe für das Tumorwachstum sind vielfältig, z. B. kann dies die krankhafte Überexpression von Wachstumsfaktor-Genen sein. Um im Voraus abschätzen zu können, mit welcher Behandlungsmethode die Heilungschancen am größten sind, benötigt der behandelnde Arzt aber eine individuelle, differenzierte Diagnose. Hierzu kann die Untersuchung der Tumoren mit Hilfe von Biochips ein geeignetes Mittel sein. In einem von der Landesstiftung Baden-Württemberg geförderten Verbundforschungsprojekt entwickelt das Fraunhofer IGB in Zusammenarbeit mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart sowie den Universitäten Tübingen und Stuttgart einen DNA-Biochip zur individuellen therapiebegleitenden Brustkrebsdiagnose. »Der Biochip wird gegenwärtig mit klinischen Tumorbiopsien erprobt. Aus den Ergebnissen soll dann der optimale Therapieansatz individuell bestimmt werden« sagt Dr. Nicole Hauser, Projektleiterin in der IGB-Arbeitsgruppe »Genomics, Proteomics, Screening«.
Blutvergiftungen verlaufen in fast jedem zweiten Fall tödlich. Die Ärzte müssen sehr schnell reagieren und das Blut von den giftigen Stoffwechselprodukten der Bakterien (Endotoxinen) reinigen. Das ist sehr aufwändig: Über eine Kanüle entnimmt der Arzt dem Patienten Blut. Ein Plasmafilter trennt die Zellen vom Plasma. In einem zweiten Schritt wird das Plasma über Adsorbersäulen geleitet, in denen die Giftstoffe herausgefischt werden. Das gereinigte Plasma wird wieder mit den Blutzellen vereinigt und zurück in den Körper geleitet. Forscher am Fraun-hofer IGB arbeiten gemeinsam mit ihren Kollegen von der Universität Stuttgart und dem Unternehmen Gambro Dialysatoren an einem neuen Verfahren: Es fischt die Giftstoffe gezielt und schnell aus dem lebenswichtigen Saft, ohne das Blutbild zu verändern. Kernstück ist eine neuartige, plasmachemisch regioselektiv ausgerüstete Hohlfasermembran. »Hiermit kann die Abtrennung der Blutzellen und die Reinigung des Plasmas in einem Verfahrensschritt erfolgen«, erläutert IGB-Projektleiter Dr. Michael Müller. »Durch den geringeren apparativen Aufwand lassen sich die Kosten drastisch reduzieren.« Doch nicht nur der Geldbeutel wird geschont, sondern auch der ohnehin geschwächte Patient: Durch das neue Verfahren kann werden die Blutzellen des Patienten kaum mechanisch beansprucht und damit geschont.
Kleinere Löcher in der Luftröhre können Ärzte einfach zunähen. Sind durch Krebs oder Unfälle größere Defekte zu heilen, sind Knorpelspangen im Weg, die dem Muskelschlauch Halt geben. Einer solchen Atemwegserkrankung stehen Mediziner daher meist machtlos gegenüber. Versuche, die Luftröhre mit einem körperfremden Gewebe zu flicken, scheitern, da bisher kein geeignetes Material gefunden wurde: Kunststoffe werden oft von Krankheitserregern besiedelt. Auch mit körperfremden Geweben lässt sich das Immunsystem nicht überlisten, und sie werden bald abgestoßen. Doch können Patienten mit solchen Erkrankungen bald aufatmen. »Wir züchten menschliches Gewebe auf einem tierischen Darmstück, den wir zuvor von allen Tierzellen befreien«, erklärt Professorin Heike Walles, die die Abteilung Zellsysteme am Fraunhofer IGB leitet. »Vom Darm bleibt nur die mit Blutgefäßen durchzogene Matrix übrig – also das Netzwerk ehemaliger Blutgefäße. Dies verwenden wir als Gerüst für körpereigene menschliche Zellen.« Das derart gezüchtete Gewebe nähten Mediziner bei einem Patienten bereits auf die Löcher der Luftröhre – mit positivem Ergebnis: Das Implantat blieb stabil, der Körper stieß das neue Gewebe nicht ab.
Sauberes Wasser ist viel zu schade für die Kanalisation. Am Fraunhofer IGB wurden Konzepte entwickelt, die den Verbrauch von Trinkwasser drastisch reduzieren. Kernstück einer neuen Klärtechnologie ist ein Rotationsscheibenfilter mit keramischen Membranscheiben. Noch in diesem Sommer wird eine erste Membrankläranlage in Neurott bei Heidelberg in Betrieb gehen. Mit dem Pilotprojekt wird gezeigt, dass dezentrale Abwasserentsorgung technisch machbar und ökonomisch sinnvoll ist. »Neurott ist ein Beispiel für eine abgelegene Siedlung, bei der sich der Anschluss an das öffentliche Kanalnetz nicht lohnt, weil das Verlegen der Leitungen zu teuer wäre«, erklärt Professor Walter Trösch. Neurott ist kein Einzelfall: Siedlungen ohne Anschluss an die Kanalisation gibt es auf der ganzen Welt. »Das neue Entsorgungskonzept kostet nicht mehr als die Behandlung der Abwässer in Großkläranlagen.« Das Konzept der dezentralen Entsorgung entwickelte Tröschs Team im Projekt DEUS 21 – Dezentrales Urbanes Infrastruktur-System – und wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF. Die Abwasseraufbereitung ist dabei nur ein – wenn auch wichtiger – Teil des umfassenden Wassermanagements. Der erste Schritt ist die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, wichtig ist weiter der sparsame Umgang mit dieser Ressource und schließlich die Weiterverwertung der Abfallstoffe. Am Römerweg, einem Neubaugebiet in Knittlingen bei Pforzheim, entsteht derzeit eine Demo-Siedlung in der die Forscher vom Projekt DEUS 21 die Stoffströme optimiert haben: Alle Häuser bekommen zwei Wasseranschlüsse – einen für Trink- und einen für Brauchwasser. Das Brauchwasser wird vor Ort aus Regenwasser gewonnen: Eine Membran filtert Keime heraus, das gereinigte Nass erfüllt nun die Anforderungen der Trinkwasserverordnung. Da Regenwasser salz- und kalkfrei ist, eignet sich das »Pflegewasser« gut zum Geschirr- und Wäschewaschen, für Dusche und Toilettenspülung oder zum Blumengießen. Durch die Nutzung des Regenwassers wird der Trinkwasserverbrauch drastisch reduziert. Aber das ist noch nicht alles. In Knittlingen gibt es außerdem ein neues Entsorgungskonzept: Ein Vakuumsystem saugt das Abwasser aus den Häusern kontinuierlich ab und transportiert es zusammen mit dem Biomüll in das dezentrale Klärwerk am Rand der Siedlung. Dort wird aus den Schmutzstoffen Biogas und hieraus Energie gewonnen. Phosphor und Stickstoff werden separiert, sie lassen sich zu Dünger weiterverarbeiten.
Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelt und optimiert seit über 25 Jahren erfolgreich Verfahren und Produkte für Umwelt, Gesundheit und Technik. In Kooperationsprojek-ten mit Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern werden unsere Kreativität und unser Ideenreichtum zum Motor von Innovationen. Unser Ziel ist stets die direkte Umsetzung der Forschungsergebnisse in die industrielle Praxis. Als eingespieltes Team von Biologen, Chemikern und Biochemikern, Physikern und Ingenieuren denken wir über den Tellerrand hinaus und erarbeiten so auch Lösungen komplexer, fachübergreifender Fragestellungen.