Viren und virale Vektoren stellen eine neue Therapieklasse dar, die enormes Potenzial besitzt, bisher nur unzureichend oder nicht behandelbare Erkrankungen wie Gendefekte oder Krebs zu therapieren oder sogar zu heilen. Viren sind komplexe Biopharmazeutika, die sich in ihren Eigenschaften grundsätzlich von herkömmlichen Medikamenten unterscheiden. Um sie in stärkerem Maße klinisch verfügbar zu machen, sind Entwicklungen zu ihrer effizienten biotechnologischen Produktion erforderlich.
Plattformtechnologie onkolytische Viren
Ein solches therapeutisches Virus wurde im Innovationsfeld Virus-basierte Technologien am Fraunhofer IGB durch gentechnisches Engineering zu einer Plattformtechnologie für die onkolytische Virotherapie etabliert. Diese zum Patent angemeldete Technologie steht nun zur modularen Funktionalisierung für die kombinierte Virus-Immuntherapie von Tumoren bereit. In dem von Prof. Bailer koordinierten TheraVision-Projekt, an dem neben dem IGB die Fraunhofer-Institute IZI, ITEM, ISC und ITWM beteiligt waren, wurden auf Basis dieser Plattformtechnologie funktionalisierte Viren entwickelt, die nachweislich sicher sind, Tumorzellen des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) zielgerichtet erkennen und zerstören können und gleichzeitig eine wirksame therapeutische Fracht in Tumorzellen einbringen.
Virusaktivität in Echtzeit bestimmen
Weltweit ist ein starker Trend in der Entwicklung und Anwendung von virusbasierten Therapien für die Zell-, Gen- und Virotherapie zu beobachten. Erste angewandte Virus-Produkte überzeugen mit hoher Wirksamkeit und Verträglichkeit, die steigende Zahl an klinischen Studien lässt die Zulassung weiterer viraler Therapien erwarten. Um den zukünftigen Bedarf an viralen Therapeutika zu decken und damit ihre Translation in die klinische Anwendung zu beschleunigen, werden digitalisierte und automatisierte Verfahren benötigt. Nur so kann die Ausbeute von Virusprodukten bei hoher Qualität gesteigert und damit die Kosten pro Dosis reduziert werden.
Das Ziel des 2022 gestarteten EU-Projekts BioProS unter Koordination des Fraunhofer IPA ist es daher, eine kontinuierliche und echtzeitfähige Sensortechnologie zur Detektion der Virusaktivität zu entwickeln und diese als Plattformtechnologie mit weiteren Analyten zu kombinieren. Hierbei bündeln mehrere Disziplinen (Virologie, Ingenieurwissenschaften, Data Science, Fertigungsexperten) ihre Kompetenzen, um den Produktionsprozess von Viren zu transformieren und Virusprodukte bereitzustellen, die den höchsten Qualitätsanforderungen genügen.
Ziel: Personalisierte Herstellung
Die Kombination aus optischer Sensortechnologie und zell- sowie affinitätsbasierten Messtechniken ermöglicht eine biohybride Überwachung der viralen Infektionszyklen in Echtzeit während der Produktion. Durch die biointelligente Herstellung der Viren kann eine personalisierte Produktion ermöglicht werden, die in Form einer Plattformtechnologie von verschiedenen Partnern genutzt und durch neue Qualitätskontrollstrategien einen nachhaltigen und robusten Herstellungsprozess gewährleistet.