Reallabor »urban BioÖkonomieLab« weist Städten den Weg zu nachhaltiger Bioökonomie

Die Bioökonomie ermöglicht eine klimaneutrale und zukunftsfähige Wirtschaft auf Basis des erneuerbaren Rohstoffs Biomasse. Das Fraunhofer IGB entwickelt im Projekt »urban BioÖkonomieLab« erstmals ein Transformationsmodell und ein Reallabor, um bioökonomische Lösungen für die nachhaltige Gestaltung von Städten und kommunaler Industrie zu finden. Dafür arbeitet das IGB mit urban geprägten Pilotregionen in Baden-Württemberg zusammen, Hand in Hand mit den lokalen Unternehmen und Behörden.

Herausforderung und Ziel

Zahlreiche neue bioökonomische Herangehensweisen und Prozesse wurden in den vergangenen Jahren bereits untersucht und weiterentwickelt, um eine biobasierte, klimaneutrale und zukunftsfähige Wirtschaft auf Basis des erneuerbaren Rohstoffs Biomasse voranzutreiben. Die Umsetzung industrieller Reststoffe mit biotechnologischen Verfahren in einem systemischen Ansatz, der nicht nur einzelne Prozesse berücksichtigt, sondern ganzheitlich gestaltet ist, existiert bislang jedoch nicht.

Ziel des vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts »urban BioÖkonomieLab« ist daher die Entwicklung eines bioökonomischen Wirtschaftsraums auf der Systemebene der Stadt, in dem die biobasierte Wertschöpfung zu einem großen Teil im System selbst erfolgt, indem Biomasse und CO2 in Abwasser, Abfall und Abluft als Rohstoffe dienen.

 

Vorhaben

Das Fraunhofer IGB erarbeitet im Projekt Methodik- und Lösungsansätze sowie konkrete inhaltliche Umsetzungsvorschläge, um bioökonomische Prozesse, Materialien und Produkte in die urbane und industrielle Realität zu überführen. Der Fokus liegt dabei besonders auf der nachhaltigen Gestaltung von Stoffströmen und Lieferketten – idealerweise in Form von geschlossenen Kreisläufen. So wird beispielsweise analysiert, wo Bioabfälle, sonstige Abfälle und Reststoffe, Abwässer, Abgase und CO2 anfallen, die sich mit biologischen Prozessen, Verfahren und Prinzipien im industriellen, gewerblichen und kommunalen Sektor nutzen lassen.

Das Projekt untersucht exemplarisch drei Ballungsräume in Baden-Württemberg: Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe. Einer dieser Ballungsräume wird ausgewählt, um die entwickelte Methodik zu validieren und weiter anzupassen. Am Beispiel der beiden anderen Ballungsräume wird die Methode anschließend eingesetzt, um die Übertragbarkeit des Methodik aufzuzeigen. Parallel werden Umsetzungsmöglichkeiten der vorgeschlagenen Maßnahmen identifiziert.

 

Lösungsansatz

Zur Anwendung kommt die in der Fraunhofer-Morgenstadt-Initiative entwickelte und bereits in zahlreichen Projekten eingesetzte City-Lab-Methodik, die im Projekt zur BioÖkonomieLab-Methode weiterentwickelt wird, um relevante Parameter analysieren und übergreifende Maßnahmen, die für einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Bioökonomie notwendig sind, adressieren zu können.

Die Methode ermöglicht es, alle Bereiche einer Stadt inkl. ihrer Unternehmen im Hinblick auf bioökonomische Stoffströme zu analysieren und Handlungsfelder unter Beteiligung lokaler Akteure zu identifizieren. Mit Blick auf Stoffströme der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse einerseits und der Nährstoffe und organischen Reststoffe andererseits sollen zudem Schnittstellen zum ländlichen Raum betrachtet werden.

 

Die Methodik

Kernstück der BioÖkonomieLab-Methodik ist eine umfassende Analyse aller urbanen Sektoren (Abfall und Ressourcen, Abwasser, Energie, Industrie, Verkehr, Verwaltung), aus der Handlungshilfen für die Entscheidungsträger abgeleitet werden können, um fundierte und nachhaltige Entscheidungen treffen zu können.

Im Detail erfolgen dabei fünf Arbeitsschritte: Nach einer ersten Analyse anhand eines Fragebogens, in dem Indikatoren und Parameter abgefragt werden, folgt eine Bewertung der identifizierten Handlungsfelder und eine Sensitivitätsuntersuchung der lokalen Einflussfaktoren.

Im Projekt urban BioÖkonomieLab werden dabei auch Interviews mit Stakeholdern geführt und Vor-Ort-Besichtigungen vorgenommen, um sich mit den lokalen Begebenheiten vertraut zu machen. Auf dieser Basis arbeiten die Forschenden des IGB strategische Maßnahmen aus und priorisieren diese. In der letzten Stufe werden die Maßnahmen zu Clustern zusammengefasst und in eine Roadmap überführt, die den Beteiligten als Grundlage für das weitere konkrete Vorgehen dient.

Urbane und industrielle Sektoren nach BioÖkonomieLab-Methode
© Fraunhofer IGB
Urbane und industrielle Sektoren nach BioÖkonomieLab-Methode

Pilot Stuttgart: Datenerhebung für relevante Sektoren

Verfügbare Indikatoren aus öffentlichen Quellen, viele davon auch online abrufbar, und mögliche Handlungsfelder wurden für die Region Stuttgart aufgenommen und auf einen für diese Region charakteristischen Datensatz mit unter 100 Einzelwerten reduziert.

In semi-strukturierten Interviews wurden in der Region Stuttgart Vertreter der Sektoren

  1. Bevölkerung und Regierungsführung
  2. Wirtschaft und Industrie
  3. Energie
  4. Wasser- und Kreislaufwirtschaft
  5. Umwelt

nach ihren Erfahrungen und Einsichten und insbesondere zu Treibern und Hemmnissen der bioökonomischen Transformation in der Region befragt.

In einem nächsten Schritt werden auf Basis dieser Vorarbeiten in einem Workshop konkrete inhaltliche Vorschläge gesammelt und diskutiert, um bioökonomische Prozesse, Materialien und Produkte in die urbane und industrielle Realität zu überführen. Auf dieser Grundlage wird eine Roadmap zur Transformation der Region Stuttgart hin zu einer urbanen Bioökonomie erstellt, inklusive konkreter Handlungsempfehlungen und Maßnahmen.

 

Pilotregionen als Transformationsmodell

Am 13. Februar 2023 fand am Fraunhofer IGB in Stuttgart ein Vernetzungstreffen baden-württembergischer Akteure im Bereich der industriellen urbanen Bioökonomie statt, das einen Grundstein dauerhafter produktiver Zusammenarbeit legt.

Aufbauend auf der am Beispiel der Region Stuttgart entwickelten BioÖkonomieLab-Methode werden in den Jahren 2023 und 2024 auch für die Regionen um Mannheim und Karlsruhe analoge Erhebungen und Workshops zur Identifikation vorrangiger Maßnahmen zur Förderung der bioökonomischen Transformation des Wirtschaftssystems durchgeführt.

 

Auswirkung

Mit den so ausgearbeiteten Szenarien und Maßnahmen will das Projekt die beteiligten Stadtregionen dazu befähigen, eine auf erneuerbaren und recycelten Rohstoffen sowie biologischen Ressourcen beruhenden rohstoffeffizienten und kreislauforientierten Wirtschaft umzusetzen, um die Transformation zu einer nachhaltigen bioökonomischen Wirtschaftsweise zu ermöglichen. Damit wird auch die Umsetzung der Landesstrategie Nachhaltige Bioökonomie Baden-Württemberg unterstützt.

Projektinformationen

Projekttitel

urban BioÖkonomieLab – Transformationsmodell und Reallabor für einen systemischen nachhaltigen Ansatz einer urbanen und industriellen Bioökonomie in Baden-Württemberg

 

Projektlaufzeit

Dezember 2021 – November 2024

 

Projektkoordinator

Fraunhofer IGB

Förderung

Das Projekt »urban BioÖkonomieLab« wird im Umweltforschungsprogramm »BWPLUS – Baden-Württemberg Programm Lebensgrundlage Umwelt und ihre Sicherung«, Förderkennzeichen L75 22101, finanziert aus Landesmitteln, die der Landtag Baden-Württemberg beschlossen hat (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg).