Die Rolle des IGB in der Entwicklung der Bioökonomie
Meine ersten Kontakte mit dem IGB stammen aus den Jahre 2005/2006, im zeitlichen Umfeld des Beginns der europäischen Bioökonomie als Teil der Vorbereitungen für das 7. Rahmenprogramm für Forschung und Technologie der Europäischen Union, das 2007 begann. Wenige Monate nach dem offiziellen Start und der Veröffentlichung des Konzepts der Knowledge Based Bioeconomy (KBBE) im September 2005 in Brüssel im Charlemagne-Gebäude meldeten sich nach Vermittlung des rührigen Fraunhofer-Büros vor Ort eine ganze Reihe von Institutsleitern und Mitarbeitern von Fraunhofer-Instituten bei mir im Büro in Brüssel an, die alle seit einigen Jahren im sogenannten Life-Science-Verbund von Fraunhofer zusammengefasst waren, darunter Prof. Rainer Fischer vom IME und Prof. Thomas Hirth, damals noch am ICT in Pfinztal.
Fraunhofer war als Großforschungseinrichtung seinerzeit übrigens die einzige Forschungseinrichtung in Deutschland, die als Gesamtinstitution Interesse zeigte, thematisch die Inhalte des KBBE-Programms für die ersten Ausschreibungen im 7. Rahmenprogramm mitzugestalten. Das änderte sich dann schlagartig 12−15 Monate später, als das KBBE-Programm, mit ca. zwei Milliarden Euro dotiert, im 7. Rahmenprogramm 2007 unter der deutschen Präsidentschaft begann und während dieser Zeit der deutschen Präsidentschaft das mittlerweile fast schon legendäre »Cologne Paper« über die Zukunft der Bioökonomie für Europa erarbeitet wurde. Hieran waren dann alle deutschen Großforschungseinrichtungen sehr aktiv beteiligt.
Die Zusammenarbeit mit dem IGB verstärkte sich dann ab 2007, als Thomas Hirth die Nachfolge von Herwig Brunner als Leiter des IGB antrat. 2009, nach meiner Pensionierung, war ich erfolgreich, Thomas Hirth als Mitglied im ersten deutschen Bioökonomierat, damals »Forschungs- und Technologierat Bioökonomie« genannt, zu gewinnen, sozusagen als den Vertreter von Fraunhofer.
In den folgenden Jahren erfolgte dann ein rasanter Aufstieg der Bioökonomie in Deutschland, zumindest im Bereich der Forschung und Technologie: mit der Gründung von BioCat in Straubing und vor allem aber der Gründung des CBP in Leuna, eingeweiht 2012 von der Bundeskanzlerin, quasi als Embryo der ersten deutschen kommerziellen Bioraffinerie, leistete das IGB hierbei einen einzigartigen Beitrag. Die Benennung der Bioregion Halle als erstem deutschen Bioökonomie-Excellenz-Cluster folgte da fast schon logisch.
Doch dann kamen schwierigere Zeiten, die nun vorüber sind. Unter Markus Wolperdinger hat das IGB wieder eine technologisch-wissenschaftliche Schlüsselstellung für die Entwicklung der Bioökonomie erlangt: sowohl innerhalb von Fraunhofer (der Verbund Life Science ist teilweise durch den Verbund Ressourcentechnologie und Bioökonomie abgelöst worden, in dem das IGB eine tragende Rolle spielt), als auch außerhalb. Markus Wolperdinger ist stellvertretender Vorsitzender des dritten deutschen Bioökonomierates geworden, der die Bundesregierung berät, wie auch Sprecher des Bioökonomierates des Landes Baden-Württemberg.
Neben all diesen sehr erwähnenswerten Details sind es zwei Dinge, die mir einfallen, wenn ich vom IGB spreche:
- Die starke und erfolgreiche Rolle, die das IGB in den europäischen Förderprogrammen der EU spielte und spielt, was keine Selbstverständlichkeit ist.
- Im Hinblick auf die Dynamik der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen und der technologischen Beantwortung den anderen immer eine ganze Länge voraus zu sein:
- Mangel an Phosphor als Rohstoff, mögliche Rückgewinnung aus Schlamm und Abwässern? – Machen wir schon!
- Potenziale von Chitin, Chitosan aus Seafood-Abfällen nutzen? – Dazu bearbeiten wir bereits drei Vorhaben.
- Upscaling? – Wird schon seit Jahren im CBP praktiziert.
- Mangel an Phosphor als Rohstoff, mögliche Rückgewinnung aus Schlamm und Abwässern? – Machen wir schon!
Das IGB begleitet auf diese Weise engagiert und vorausschauend seit fast zwei Jahrzehnten den notwendigen Rohstoffwandel in der Wirtschaft und auf unserem Planeten in der Kombination von Biologie und Technik. Der Ukrainekrieg und die davor währende Covid-Pandemie haben uns die essenzielle Bedeutung eines solchen Rohstoffwandels noch schärfer vor Augen geführt als es schon die Klimaherausforderungen taten. Mein Wunsch zum 70. Geburtstag von einem 80-jährigen Begleiter des Instituts: Weiter so, und einen Tick mehr Bekanntwerden in Europa!
Herzlichen Glückwunsch.
Christian Patermann,
Bonn, 20. Januar 2023