Nanodyn

Verminderte Reibung und Eishaftung – Optimierung durch Plasmatechnik

Schätzungen zufolge entstehen in den Industrieländern durch Reibung und Verschleiß auf Oberflächen in Maschinen, beispielsweise in Wälzlagern, jedes Jahr Verluste in Höhe von fünf Prozent des Bruttosozialprodukts. Diese Verluste könnten beträchtlich vermindert werden, bestehen doch große Potenziale durch die gezielte Veränderung der physikalisch-chemischen Eigenschaften der Materialoberflächen. Durch Verminderung von Reibung und Verschleiß kann Energie, die sonst durch Wärme verloren geht, eingespart werden. Ein vielversprechender Weg ist dabei, das Benetzungsverhalten von Oberflächen gegenüber Medien wie Schmierstoffen oder auch Luftfeuchte, Wasser und Reinigungsmitteln mittels einer Plasmamodifikation zu verändern.

Auch die Haftung von Eis auf Tragflächen oder außen liegenden Sensoren von Flugzeugen und Hubschraubern wird vom Benetzungsverhalten der Oberflächen beeinflusst. Durch eine Plasmafunktionalisierung kann die Eisbildung verzögert und die Haftung von Eis auf Oberflächen unterbunden werden. Eine teure Enteisung von Flugzeugen, große Mengen an Enteisungsmitteln, vor allem aber bis zu 30 Prozent Flugbenzin und damit erhebliche Mengen CO2-Emissionen könnten somit vermieden werden. Darüber hinaus würde eine Anti-Icing-Ausrüstung einen erheblichen Beitrag zur Luftfahrt- und Gebäudesicherheit leisten.

Verbundprojekt NANODYN

Nanodyn.

Mit dem Ziel, mikro- und nanoskalig strukturierte Schichten zu entwickeln, um die Benetzungseigenschaften von Oberflächen zu steuern, haben sich zwei Forschungsinstitute und vier Industrieunternehmen in dem Verbundprojekt NANODYN zusammengeschlossen. Während sich die Universität Bremen mit der Simulation strukturierter be- und entnetzender Oberflächen beschäftigt, unterstützt das Fraunhofer IGB das Vorhaben durch die Entwicklung neuer Plasmamodifikationen, die Herstellung der Oberflächenstrukturierungen sowie eine gezielte Analytik der erzeugten Strukturen.

Strukturierte Oberflächen mittels Plasma

Präzisionslager.
Präzisionslager.

Mikro- und nanostrukturierte Oberflächen weisen geordnete Strukturen bis zu einer Größenordnung von nur wenigen Nanometern auf. Die Strukturierung der Oberflächen beeinflusst neben den chemischen Eigenschaften die Benetzungseigenschaften. Beides, sowohl die Chemie der Oberfläche als auch die Topographie, kann durch eine Plasmabeschichtung gezielt auf die Anwendung abgestimmt werden. Mittels einer speziellen Maskentechnologie können die Strukturen auch auf Kunststofffolien, die als Rollenware vorliegen, aufgebracht werden. Die Eishaftung auf den modifizierten Oberflächen wird in einer Eiskammer, in welcher die Temperatur und Luftfeuchtigkeit gezielt eingestellt werden, über die Eisbildung (Icing) und die Enteisung (De-Icing) untersucht.

Anwendungsfelder für Plasmastrukturierung

Eisbildung an unbehandeltem Flugzeugflügel im Windkanalversuch.
Eisbildung an unbehandeltem Flugzeugflügel im Windkanalversuch.

Die Vielfältigkeit der Anwendungsfelder, in denen die neue Technologie zum Einsatz kommen soll, lässt sich gut an den beteiligten Unternehmen ablesen. So erhofft sich der Wälzlagerhersteller Cerobear, die Ressourceneffizienz bei der Produktion und die Laufzeiten der Wälzlager in der Anwendung zu steigern. Für ROWO Coating sind Effizienzsteigerungen von Interesse, die durch die Beschichtung von Folienmaterial erreicht werden können. Aus einem ganz anderen Bereich kommt die EADS Surface Technology, die sich von der Plasmastrukturierung eine Minimierung der Eisbildung an Flugzeugflügeln verspricht. Die Einbindung des Anlagenherstellers PINK Thermosysteme stellt sicher, dass die neue Beschichtungstechnologie tatsächlich auch im Serienmaßstab umsetzbar ist.

Ergebnisse

Vereiste Hubschraubersensorik.
Vereiste Hubschraubersensorik.

In beschichteten Wälzlagern konnte durch die Plasma-Oberflächenbeschichtung die Reibung um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Auf Textilien und Kunststofffolien konnten wir die Benetzungseigenschaften gezielt von hydrophil bis super-hydrophob einstellen. Dies erlaubt, neuartige Sensoren für beispielsweise Luftfeuchte, Temperatur oder elektrische Spannung in die beschichteten Textilien einzuarbeiten. Ohne die Funktionalisierung der Textilien würden die Sensoren sehr träge oder nicht ausreichend lange funktionieren. Für die Luftfahrt haben wir plasmafunktionalisierte nanostrukturierte PU-Folien entwickelt. Im Vergleich zu unbeschichteten Folien konnte die Eishaftung auf plasmabeschichteten PU-Folien um über 90 Prozent reduziert werden.

Ausblick

Plasmafunktionalisierte Wälzlager für die Lebensmittelindustrie.
Plasmafunktionalisierte Wälzlager für die Lebensmittelindustrie.

Die entwickelten Oberflächenfunktionalisierungen werden Anwendung in einer Vielzahl von Produkten finden wie in Wälzlagern für die Lebensmittelindustrie oder be- und entnetzenden Sensor-Textilien. Plasmafunktionalisierte Kunststofffolien mit veränderten Benetzungseigenschaften können auf Flugzeugflügel geklebt werden, um die gefährliche Oberflächenvereisung zu verringern oder zu unterbinden. Darüber hinaus eignen sie sich auch für Windkrafträder, auf Solarpanelen und bei Gebäuden, deren Oberflächen von Schnee und Eis freigehalten werden sollen.

Projektpartner

  • Universität Bremen
  • Cerobear GmbH, Herzogenrath
  • ROWO Coating Gesellschaft für Beschichtung mbH, Herbolzheim
  • Pink Thermosysteme, Wertheim-Bestenheid
  • EADS, München

 

Förderung

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Finanzierung und dem Projektträger Karlsruhe (PTKA) für die Betreuung des Projekts »NANODYN«, Förderkennzeichen 02PO2481.

Bundesministerium für Bildung und Forschung.