Pasteurisierung mit Mikrowellen spart Zeit, Energie und Kosten
Mit Mikrowellen können Getränke und Lebensmittel auf schonende Weise haltbar gemacht werden. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelt und optimiert entsprechende Verfahren für die Nahrungsmittelindustrie. In einen Langzeitversuch im Industriemaßstab konnte nun gezeigt werden, dass die Mikrowellentechnologie den Reinigungsaufwand in Pasteurisierungsanlagen deutlich reduziert und somit Zeit, Energie und Kosten einspart.
Bei der Pasteurisierung werden Keime in flüssigen, pastösen oder hochviskosen Lebensmitteln durch eine kurzzeitige Erwärmung abgetötet. Die so bearbeiteten Produkte – wie etwa Pürees, Joghurt oder Quark – lassen sich auf diese Weise haltbar machen. Für die Erhitzung gibt es unterschiedliche Methoden. Bei der Milchbearbeitung und bei der Herstellung von anderen Milchprodukten kommen beispielsweise meist Plattenwärmetauscher zum Einsatz. Dabei werden die Produkte im Gegenstrom zu heißem Wasser oder Dampf geführt und somit auf die benötigte Temperatur gebracht. Eine Alternative hierzu bietet die Mikrowellentechnologie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IGB in Stuttgart beschäftigen sich im Rahmen des EU-Forschungsprojekts »EnReMilk« damit, solche Mikrowellenverfahren zu erforschen und weiter zu entwickeln.
Langzeitversuch im Industriemaßstab zeigt Einsparungspotenzial
Die IGB-Forschungsgruppe »Aseptische Technologien« geht der Frage nach, inwieweit Mikrowellenverfahren effizienter sind als herkömmliche Pasteurisierungsmethoden und – wenn ja – welche Einsparungen und Vorteile sie mit sich bringen. Dafür arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Schwarzwaldmilch als Industriepartner zusammen. In dessen Produktionsanlagen im badischen Offenburg führten sie einen Langzeitversuch im industriellen Maßstab durch. Dabei konnten sie nun nachweisen, dass die Mikrowellentechnik deutliche Einsparungen möglich macht, indem sie den Reinigungsaufwand in den Produktionsanlagen stark reduziert. Für einen optimalen Testbetrieb wurden auch internationale Industriepartner aus dem Bereich der Anlagentechnik hinzugezogen. Beteiligt waren das niederländische Unternehmen C. van’t Riet und der britische Anlagenbauer Dantech.
Gleichmäßige Erwärmung vermindert Fouling und Bildung von Rückständen
Im Rahmen des etwa einjährigen Versuchs wurde die Wirkweise der Mikrowellenerhitzung bei der Herstellung von Milcherzeugnissen wie Joghurt oder Quark untersucht. Diese Produkte sind dickflüssiger als Milch und fließen damit langsamer durch die Pasteurisierungsanlage. Dadurch entstehen schneller Rückstände, vor allem durch die längere Kontaktdauer mit den wärmegebenden Anlagenteilen. Mikrowellen haben hier den Vorteil, dass sie eine räumlich gleichmäßige Erwärmung erreichen. Die Wärme muss also nicht von außen nach innen in das zu erhitzende Volumen durchdringen und der Kontakt zur Wärmequelle wird auf diese Weise deutlich reduziert. Durch die kürzere Kontaktdauer entstehen wiederum weniger Anbrennungen.
Optimierte Produktion durch verringerten Reinigungsaufwand
»Weniger Rückstände bedeuten, dass die Produktion nicht so oft für eine Reinigung unterbrochen werden muss«, erklärt Dr. Ana Lucía Vásquez Caicedo, Leiterin der Forschungsgruppe am Fraunhofer IGB. »Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Energie, die vor allem beim Wiederhochfahren der Anlage benötigt wird. Damit birgt das Mikrowellenverfahren ein großes Kosteneinsparungspotenzial.« Um das Verfahren zur Marktreife zu bringen, integrierte das Forscherteam um Vásquez Caicedo die entsprechende Technologie bei Schwarzwaldmilch in die Produktionsanlagen. Etwa ein Jahr lang konnte somit im industriellen Maßstab die herkömmliche Pasteurisierung und die mikrowellenbasierte Alternative parallel betrieben und direkt miteinander verglichen werden.
Zeit-, Energie- und Kostenersparnis durch Mikrowellenverfahren
Das Ergebnis des Testbetriebs ist deutlich: Bei der Quarkproduktion konnte im Vergleich mit der herkömmlichen Wärmebehandlung die drei- bis vierfache Menge hergestellt werden, bis eine Reinigung der Anlage notwendig wurde. Die Mikrowellenpasteurisierung kommt also mit weniger Produktionsstopps aus. Die während des Versuchs erhobenen Daten legen nahe, dass sich dieser Effekt bei einer noch längeren Betriebsdauer sogar verstärkt und noch weniger Unterbrechungen notwendig werden. Bei der Herstellung von Joghurt, der nicht so zähfließend ist wie Quark, gehen Vásquez Caicedo und ihre Projektpartner von einem noch stärkeren Effekt aus als bei der Quarkproduktion. Weiteres Potenzial sehen die beteiligten Forscher und Produzenten insbesondere auch bei der Verarbeitung von flüssigen Produkten mit stückigen Anteilen, da Mikrowellen das Volumen gleichmäßiger erhitzen.
Weitere Anwendungsgebiete: Live-Demonstrationen für Interessenten
Das Fraunhofer IGB wird die getestete Mikrowellentechnologie weiter fortentwickeln. Dazu suchen die Forscherinnen und Forscher nach weiteren Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Lebensmittelproduktion. »Unser Pasteurisierungsverfahren mit Mikrowellen ist nicht nur für die Milchverarbeitung geeignet«, erläutert Vásquez Caicedo. »Deswegen suchen wir weiter Projektpartner aus der Industrie.«
Nach dem erfolgreichen Langzeittest im Industriemaßstab lädt das IGB-Forschungsteam Interessenten zu Führungen durch die Versuchsanlage in Offenburg ein. Das Institut spricht dabei in erster Linie Experten aus der Nahrungsmittelindustrie an, aber auch an Fachleute zum Beispiel aus der Kosmetikindustrie und anderen produzierenden Gewerben. Der erste Termin steht bereits fest: Am 20. Juli 2016 findet die erste Führung statt, weitere sollen folgen.