Fein- und Spezialchemikalien

Generell bietet die industrielle Biotechnologie in diesem Segment Zugang zu vielen unterschiedlichen Stoffgruppen. Im Institut besteht eine seit Jahrzehnten aufgebaute Expertise zur Identifikation, Modifikation und Kultivierung von Mikroorganismen oder dem Einsatz von Enzymen, welche − gekoppelt mit dem Know-how und Technologien aus der Grenzflächenverfahrenstechnik − neue Produkte und Anwendungen ermöglichen. Beispiele hierfür sind oberflächenaktive Substanzen wie Tenside oder biobasierte Beschichtungssysteme. Spezielles Wissen ist ebenfalls für die Synthese, das Downstream Processing und die Charakterisierung von Stoffen und Materialien vorhanden, für die eine Wechselwirkung mit biologischen Systemen essenziell ist. Additive für die Landwirtschaft, etwa Pflanzenstärkungsmittel aus Mikroalgen, die das Zellwachstum von Agrarkulturen beeinflussen, sind hier ein gutes Beispiel.

 

Unser Know-how im Bereich biobasierte Chemikalien

Ionische Flüssigkeiten als neue Lösemittel für Lignozellulose.

Fermentations- und Aufarbeitungsverfahren wurden am Fraunhofer IGB beispielsweise für C2-Verbindungen (Ethylen, Essigsäure, Ethanol) und C3-Verbindungen (Propen, Propanol, Propandiol, Propionsäure, Milchsäure), darüber hinaus für Dicarbonsäuren (Äpfel- und Itaconsäure, Furandicarbonsäure), für Aminosäuren oder Proteine wie Thaumatin und Bacteriorhodopsin erfolgreich bearbeitet.

Ausgehend von nachwachsenden Rohstoffen wie Rapsöl oder Algenlipiden wurden auch Herstellungswege für die biotechnologische Synthese von Grundstoffen für die Kunststoffherstellung aufgezeigt, etwa langkettigen Dicarbonsäuren und Triglycerid- und Fettsäureepoxiden. Bei langkettigen alpha-omega-Dicarbonsäuren aus Ölen wurde der Prozess so optimiert, dass die anschließende Aufreinigung möglichst einfach ist.

Weitere Beispiele biobasierter Chemikalien, die am IGB bereits untersucht wurden, sind Aromaten, Lignine, Phenole und Furane sowie Extraktstoffe und deren Derivate (Terpene, Phytosterole und Campher) und gasförmige und flüssige Kohlenwasserstoffe wie Methan, Olefine und langkettige Alkane.

Ausgewiesene Expertise besitzen wir in der mikrobiellen Herstellung von Biotensiden für Anwendungen als Detergenzien, Emulgatoren und Wirkstoffe in Kosmetik, Pflanzenschutz und für technische Anwendungen. Durch Optimierung des Herstellungsverfahrens für Mannosylerythritollipide (MEL) und Cellobioselipide (CL) mit Brandpilzen der Gattungen Ustilago sp. und Pseudozyma sp. konnten wir die Produktkonzentrationen der ins Medium ausgeschleusten Biotenside signifikant erhöhen.

Leistungsangebot im Überblick

Am Fraunhofer IGB beschäftigen wir uns mit der Entwicklung von Verfahren zur Gewinnung von Plattform- und Feinchemikalien aus biogenen Stoffströmen. Fragen zur effizienten Nutzung biogener Rest- und Abfallströme werden ebenso beantwortet wie die Entwicklung von Prozessen zur Herstellung biobasierter Chemikalien und Produkte. Dabei untersuchen wir derivatisierte und funktionalisierte Rohprodukte sowie die Herstellung von Drop-in- und Plattformchemikalien als wichtige Intermediate oder von die Feinchemikalien und Spezialitäten.

Mit den am Fraunhofer IGB etablierten Kompetenzen kann ein weiter Bereich der Prozessschritte zur Entwicklung von Verfahren abgebildet werden. Dies vereint Verfahren zur Rohstoffbereitstellung und -konditionierung, der Isolierung der Stoffströme sowie der chemischen und biotechnologischen Umwandlung. Die Entwicklung chemischer Katalysatoren und maßgeschneiderter Enzyme ist etabliertes Know-how am IGB und kann als Technologiemodul zur Etablierung geeignet chemischer und biotechnologischer Prozesse zur Umwandlung nachwachsender Rohstoffe und biogener Reststoffe angewendet werden. Implementiert werden zudem Prozesse zur effektiven Produktabtrennung und -aufreinigung.

Mit den am IGB zur Verfügung stehenden Technikums- und Pilotanlagen zum Scale-up können entwickelte Verfahren validiert und hinsichtlich einer industriellen Umsetzung optimiert werden. Für anwendungstechnische Untersuchungen stellen wir Mustermengen im Kilogramm- und Tonnen-Maßstab zur Verfügung. Als Grundlage für eine weiterführende Prozess- und Anlagenauslegung im Demonstrations- oder Industriemaßstab führen wir gemeinsam mit Partnern eine techno-ökonomische Bewertung durch.

Biotenside

Zwei Biotensidklassen, die sich als vielversprechende Detergenzien, Emulgatoren und Wirkstoffe in Kosmetika, Pflanzenschutz und industriellen Anwendungen herausgestellt haben, sind Cellobioselipide (CL) und Mannosylerythritollipide (MEL). Sie werden besonders  von Mikroorganismen aus der Familie der Brandpilzverwandten (Ustilaginaceae), wie zum Beispiel Ustilago oder Moesziomyces-Spezies, in größeren Mengen gebildet. Ihre antimikrobiellen Eigenschaften machen sie auch für den Einsatz im klinischen und pharmazeutischen Bereich interessant.

Für die industrielle Produktion dieser Biotenside sind jedoch noch Verbesserungen der Ausbeute bei der Fermentation sowie bei der Reproduzierbarkeit der Produktzusammensetzung erforderlich. Hieran arbeitet das Fraunhofer IGB. Ziele dieser Untersuchungen sind daher einerseits eine Steigerung von Produktivität und Ausbeute sowie die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen als Substrate.

Organische Säuren

Mikroskopische Darstellung des Pilzes Aspergillus terreus.

Organische Säuren finden in zahlreichen Industriezweigen sowie in der Kosmetikindustrie und Medizintechnik Verwendung. Das Fraunhofer IGB entwickelt Prozesse zur Gewinnung von Plattformchemikalien unter Verwendung nachwachsender Rohstoffe oder von CO2.

Für die mikrobielle Produktion von Äpfelsäure und Itaconsäure haben sich pilzliche Systeme als besonders vorteilhaft erwiesen. Weitere Verfahren wurden für Xylonsäure und Furandicarbonsäure etabliert.

Am Standort Straubing haben wir in einem Teilprojekt des Verbundprojekts EVOBIO das methylotrophe Bakterium Methylorubrum extorquens AM1 mittels Metabolic Engineering zur gezielten Produktion einfacher difunktioneller organischer Säuren aus Methanol befähigt. Damit kann grünes Methanol aus CO2 oder Synthesegas wertschöpfend genutzt werden.

Langkettige Dicarbonsäuren aus Pflanzenölen

Langkettige Dicarbonsäuren (C>12) stellen interessante Zwischenprodukte für die Synthese von Kunststoffen mit neuen Eigenschaften dar. Beispielsweise werden Dicarbonsäuren bei der Herstellung von Polyamiden und Polyestern eingesetzt. Diese sind jedoch chemisch aufwändig zu synthetisieren. Alternativ können langkettige Dicarbonsäuren biotechnologisch aus dem nachwachsenden Rohstoff Rapsöl hergestellt werden. Im Rapsöl sind Fettsäuren an Glycerin gebunden. Nach Spaltung können die freien Fettsäuren beispielsweise von Hefen der Gattung Candida zu Dicarbonsäuren umgesetzt werden.

Candida-Zellen und Bildung von Dicarbonsäure (DCA) aus Ölsäuremethylester (OME).
© Fraunhofer IGB
Candida-Zellen und Bildung von Dicarbonsäure (DCA) aus Ölsäuremethylester (OME).

Interdisziplinäres Forschungsfeld zwischen Stuttgart, Straubing und Leuna

Das Themengebiet der biotechnischen Produktion von Chemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen oder biogenen Reststoffen wird am Fraunhofer IGB innerhalb verschiedener Innovationsfelder an allen drei Standorten des Fraunhofer IGB bearbeitet. 

Die am Institut entwickelten Prozesse können am Fraunhofer CBP in den Pilotmaßstab skaliert werden.

Weitere Informationen

Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie

Enthalten Reststoffe noch nutzbare Inhaltsstoffe, wie z. B. Molke eine Reihe von Proteinen, können wir diese direkt in funktionelle Fraktionen auftrennen.

Trennverfahren

Das Fraunhofer IGB hat eine breite Palette verschiedenster Trennverfahren etabliert und hält entsprechende Apparate und Anlagen sowohl im Labor- als auch im Pilotmaßstab vor.

Recycling organischer Struktursubstanzen

Die Rückgewinnung organischer Bestandteile aus Gärresten und Klärschlämmen nutzen wir für die Herstellung von Bodenverbessereren.