Insektenbioraffinerie: Nutzung von Chitin, Fetten und Proteinen

Kokons, ein Abfallprodukt der Insektenzüchtung.
© Fraunhofer IGB
Kokons – bisher ein Abfallprodukt der Insektenzüchtung.

Insektenproteine stellen eine nachhaltige und immer wichtige werdende Nahrungsquelle für Mensch und Tier dar. Einige Vertreter des Insektenreiches werden bereits kommerziell unter kontrollierten Bedingungen gezüchtet. Die kommerziell hergestellten Insektenproteine besitzen großes Potenzial als Alternative zum Sojaprotein und werden beispielsweise schon als Fischfutter eingesetzt.

 

Verwertung aller Reststoffströme der Insektenzucht mit Insektenbioraffinerie

Am Fraunhofer IGB verfolgen wir das Konzept einer Insektenbioraffinerie, in welcher alle Stoffströme nach der Insektenzucht wertschöpfend verwertet werden. So wird ein nachhaltiges Bioraffinerie‑Konzept durch die ganzheitliche Nutzung von Insektenhäuten, -proteinen und -fetten realisiert.

Ziel ist es, neue Chemikalien aus dem Insektenfett herzustellen, um fossile oder tropische Rohstoffen zu substituieren. Die bioabbaubaren Biopolymere Protein und Chitosan möchten wir technisch einsetzen und so einen weiteren Umweltbeitrag leisten.

Unsere Entwicklung: Stoffliche Wertschöpfung aus Bioabfällen mithilfe von Insekten

Bioabfall, verdorbene Lebensmittel oder Großküchenabfälle werden bisher noch nicht ausreichend genutzt und größtenteils nur in der Kompostieranlage verwertet.

Fliegen legen ihre Eier gerne in der Biotonne oder auf verdorbene Lebensmittel ab, aus denen nach kurzer Zeit bis zu 1000 Larven pro Fliegeneiablage schlüpfen. Die Larven fressen sich durch den vielfältigen Bioabfall, bis sie nach sieben Tagen mit 1-1,5 cm Länge je Larve vollgemästet sind. Die Larve, aber auch die Fliege, ist voller Protein und Fett. Die Häute der Larve und der Körper der adulten Fliege bestehen zu einem Großteil aus dem Biopolymer Chitin.

 

Insektenbioraffinerie-Pilotanlage am Fraunhofer IGB

Dies nutzen wir in unserem neuartigen Ansatz und haben im Projekt InBiRa erstmals eine Insektenbioraffinerie am Fraunhofer IGB aufgebaut, in welcher Abfall- und Restströme in neue hochwertige Produkte umgewandelt werden. Das Projekt wurde vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und der Europäischen Union im Rahmen des EFRE-Programms »Bioökonomie – Bioraffinerien zur Gewinnung von Rohstoffen aus Abfall und Abwasser – Bio-Ab-Cycling« gefördert.

In unserer Insektenbioraffinerie nutzen wir Hermetia illucens, die Schwarze Soldatenfliege, als gegenüber verdorbenen biogenen Stoffen sehr robuste Fliege und Larve.

Aus dem Fett können wir mit (bio-)chemischen Reaktionen Dicarbonsäuren für Polyester, Biotenside als Seifen, Schmierstoffe und sogar Biodiesel gewinnen.

Aus den beiden Biopolymeren Protein und Chitin/Chitosan können bioabbaubare Stoffe, wie Folien für Verpackungen, Klebstoffe, Beschichtungen oder Verdickungsmittel für Farben oder Kosmetik hergestellt werden.

InBiRa, eine neue Insekten-Bioraffinerie, setzt organische Reststoffe und Bioabfälle als wertvolle Rohstoffe ein und wandelt sie in technisch nutzbare höherwertige Produkte um.
© Fraunhofer IGB
InBiRa, eine neue Insekten-Bioraffinerie, setzt organische Reststoffe und Bioabfälle als wertvolle Rohstoffe ein und wandelt sie in technisch nutzbare höherwertige Produkte um.

Insektenfett: Rohstoff zur Herstellung von Dicarbonsäuren, Schmierstoffen, Kraftstoffen und Biotensiden

Insektenfett und zerkleinerte Insektenlarven
© Fraunhofer IGB
Insektenfett und zerkleinerte getrocknete Insektenlarven

Das Insektenfett beinhaltet mittelkettige Fettsäuren. Es ist chemisch identisch mit tropischen Fetten wie Kokosfett oder Palmkernöl und stellt die einzige heimische Fettquelle dieser Art dar.

Aus dem Insektenfett können wir mit (bio-)chemischen Reaktionen Dicarbonsäuren als Ausgangsstoff für Polyester, Biotenside als Seifen, Schmierstoffe und sogar Biodiesel gewinnen.

Verwertung von Chitin

Die Häute der Larven enthalten Chitin, das in InBiRa extrahiert und in wertvolles Chitosan umgewandelt wird.
© Fraunhofer IGB
Die Häute der Larven enthalten Chitin, das in InBiRa extrahiert und in wertvolles Chitosan umgewandelt wird.

Im Projekt ChitoTex haben wir uns als Pioniere erstmals mit der Verwertung der Insektenhäute befasst. Es ist uns gelungen, hochreines Chitosan herzustellen und als Schlichtemittel zum Schutz von Garnen in der Textilindustrie einzusetzen.

Aufgrund seiner chemischen Struktur mit Bindestellen für weitere Funktionalitäten bietet sich das nachwachsende Biopolymer darüber hinaus auch zur nachhaltigen Veredlung und fluorfreien Hydrophob-Ausrüstung von Baumwolle, Polyester und Mischgeweben an. Dies haben wir in den Projekten HydroFichi und ExpandChi untersucht und erfolgreich demonstriert.

Eine weitere Anwendung von Chitosan haben wir im Projekt LaChiPur untersucht: Die Modifizierung mit Laccase zu einem biobasierten Flockungsmittel zur Behandlung komplexer agroindustrieller Abwässer.

Verwertung der Insektenproteine

Filterpresse mit Presskuchen
© Fraunhofer IGB
Mit einer Filterpresse werden getrocknete Larven gepresst. So kann flüssiges Insektenfett und proteinreicher Presskuchen gewonnen werden.

Das Fraunhofer IGB möchte zukünftig auch das Insektenprotein nutzen, etwa zur Herstellung von Verpackungsfolien, um damit eine bioabbaubare Alternative zu synthetischen Kunststoffen zu liefern.

Darüber hinaus eignet sich der Proteinanteil der Insekten zur Herstellung von biobasierten Klebstoffen, Bindemitteln und Beschichtungen.

Leistungsangebot und Zusammenarbeit

Für die Insektenmast besitzen wir eine Genehmigung  des  Regierungspräsidiums, um tierische Nebenprodukte (Fisch, Fleisch) als Substrat verwenden zu können.  

Folgende Untersuchungen führen wir im Kundenauftrag oder im Verbund mit Partnern in unserem Pilotanlagenkomplex der Insektenbioraffinerie durch:

  • Testen von verdorbenen Lebensmittelgemischen in der Larvenverwertung
  • Trocknen und Pressen von Larven
  • Analysen und Extraktionen von Fett, Protein und Chitin
  • Chemische Konversionen zu Fettsäureestern, Seifen, Proteinhydrolysaten und Chitosan
  • Fermentative Herstellung von Biotensiden (Mannosyerythritollipide)

Gerne führen wir auch Ihre Abfälle einer höheren Wertschöpfung zu. Kommen Sie gerne auf uns zu!

Weitere Informationen

Fermentative Herstellung von Biotensiden

Langkettige Dicarbonsäuren aus pflanzlichen Ölen

Aufbereitung von Chitin aus Krabbenschalen und Insektenexoskeletten