DEUS 21 – Dezentrale urbane Wasserinfrastruktursysteme

Semi-dezentrales Wasser- und Abwassermanagement

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts DEUS 21 hat das Fraunhofer IGB das neue Konzept des Wassermanagements in einem Neubaugebiet in Knittlingen, einem Ort in der Nähe von Pforzheim, entwickelt und erprobt.

Das Konzept für ein semi-dezentrales (bzw. semi-zentrales) urbanes Wasser- und Abwassermanagement umfasst:

  • Eine qualitätsgesicherte Regenwassernutzung
  • Eine neue Form des Abwassertransports (Vakuumkanalisation)
  • Eine semi-dezentrale, nachhaltige anaerobe Abwasserreinigung

Ziel der neu entwickelten und eingesetzten Abwasserreinigungstechnologie ist es, Stoffkreisläufe zu schließen, indem die Inhaltsstoffe des Abwassers zu Wertstoffen umgewandelt werden: Kohlenstoffverbindungen zu Methan, Stickstoffverbindungen zu Ammoniumdünger und Phosphorverbindungen zu einem Phosphatdünger.

Module des semi-dezentralen Wassermanagements

Vakuumanlage.
Vakuumanlage.
Anlage zur Stickstoffrückgewinnung.
Anlage zur Stickstoffrückgewinnung.

Vakuumkanalisation – Wasser und Kosten sparen

Die Industrienationen gehen in der Regel verschwenderisch mit Trinkwasser um. Mit entsprechenden Vorrichtungen wie Wasserspararmaturen oder -toiletten kann in jedem Haushalt Wasser gespart werden. Alternativen zur herkömmlichen Schwerkraftkanalisation sind Vakuum- oder Drucksysteme. Wasserspültoiletten können hierbei durch Vakuumtoiletten ersetzt werden, wie sie in Flugzeugen, Schiffen und Zügen oder in Haushalten einiger skandinavischer Länder bereits üblich sind. Diese Systeme und die Nutzung von Regenwasser als Brauchwasser senken den Trinkwasserverbrauch und die Kosten drastisch.

Mit dezentralen oder semi-dezentralen Abwasserreinigungssystemen können zudem Kosten eingespart werden, die derzeit für die Instandhaltung der Abwasserkanalisation aufgewendet werden müssen. So können Leitungsquerschnitte der Abwasserkanäle und deren Einbautiefe verringert werden. Bauwerke der Abwasserbehandlung müssen nur noch auf der Grundlage von Schmutzwassermengen ausgelegt werden. Auch dies senkt die Kosten, ebenso die Einsparung von Zentralkläranlagen und Regenrückhaltebecken.

 

Regenwassernutzung

In zahlreichen Fällen wie bei der Gartenbewässerung und der Toilettenspülung braucht das Wasser keine Trinkwasserqualität aufzuweisen. Besonders in wasserarmen Regionen lohnt es sich, Regenwasser und aufbereitetes Waschwasser für den Eigenbedarf zu nutzen. Das Fraunhofer IGB hat entsprechende Technologien entwickelt, um Regenwasser zur Verwendung im Haushalt aufzubereiten.

 

Semi-dezentrale anaerobe Abwasseraufbereitung und Nährstoffrückgewinnung

Eine attraktive Alternative für dezentrale Wasserinfrastruktursysteme bietet die anaerobe Biotechnologie, mit der organische Kohlenstoffverbindungen zu Biogas, einem Gemisch aus Kohlenstoffdioxid und Methan, umgewandelt werden. Biogas kann als regenerativer Energieträger in Blockheizkraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden. Alternativ wird Biogas gereinigt und in das bestehende Erdgasnetz eingespeist. Biomethan kann, analog zu Erdgas, auch für die Verwendung als Kraftstoff für Fahrzeuge aufgereinigt werden.

Im Gegensatz zum herkömmlichen, aeroben Belebtschlammverfahren verbleiben bei der anaeroben Abwasserreinigung in geschlossenen Bioreaktoren Stickstoff- und Phosphorverbindungen im gereinigten Wasser und in den zurückbleibenden Feststoffen. Mikroorganismen werden durch Mikrofiltration mit dem Rotationsscheibenfilter entfernt. Die Behandlung liefert ein Wasser, das hygienisch unbedenklich ist und sich zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen eignet. So wird nicht nur sauberes Wasser, sondern auch Dünger gespart. Alternativ ist es möglich, die Nährstoffe  direkt als Dünger aus dem gereinigten Wasser zu gewinnen.

Vorteile

Ganzheitliches Konzept für die Wasser- und Energieversorgung

Wasserinfrastruktursysteme nach dem DEUS-21-Prinzip können in Verbindung mit nachhaltigen Abfallwirtschaftskonzepten, Energieversorgung aus regenerierbaren Quellen und zukunftsweisender Gebäudetechnik in ganzheitliche Infrastrukturkonzepte eingebunden werden, bis hin zur völligen Autarkie von zentralen Ver- und Entsorgungsnetzen.

 

Anpassung an aride und semi-aride Regionen

Für die zuverlässige Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in niederschlagsarmen Gebieten, die durch längere Trockenperioden und starke Sonneneinstrahlung charakterisiert sind, gelten andere Anforderungen an Wasserinfrastruktursysteme als in Mitteleuropa. Die am Fraunhofer IGB entwickelten Technologien können auch in ariden und semi-ariden Gebieten eingesetzt und entsprechend angepasst werden.

Die Mikrofiltration mit dem Rotationsscheibenfilter als innovative Filtrationstechnik trennt Feststoffe und mit ihnen bis zu 70 Prozent des chemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) des Rohabwassers ab. Das filtrierte Wasser enthält keine pathogenen Bakterien mehr, aber Stickstoffverbindungen und Phosphat, und weist einen CSB von weniger als 800 mg/l auf. Das gefilterte Wasser kann direkt zur Bewässerung und Düngung genutzt werden. Die abgetrennten Feststoffe werden anaerob biologisch abgebaut und zu Biogas umgewandelt. Alternativ kann das Abwasser nach vorheriger Entfernung der Feststoffe auch in einem anaeroben Bioreaktor behandelt werden. Hier werden die organischen Kohlenstoffverbindungen zu Biogas umgewandelt, die Stickstoffverbindungen zu Ammonium. Dieses Wasser ist dann zur Bewässerung und Düngung oder als Brauchwasser für geringwertige industrielle Nutzungen einsetzbar.

Für höherwertige Nutzungen und in urbanen Gebieten mit größerer Bevölkerungsdichte müssen Ammonium und Phosphat aus dem Wasser zurückgewonnen und zur Herstellung von mineralischem Dünger verwendet werden, um die Wasserqualität für die amtliche Genehmigung zu erreichen. Der Grad der Reinheit und der Aufwand für die Reinigung des Wassers werden durch die beabsichtigte Verwendung definiert.

DEUS 21 – Über das Demonstrationsvorhaben in Knittlingen

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts DEUS 21 hat das Fraunhofer IGB das neue Konzept des Wassermanagements in einem Neubaugebiet in Knittlingen, einem Ort in der Nähe von Pforzheim, entwickelt und erprobt.

Bereits Ende 2005 ging die Vakuumstation in Betrieb, die zuverlässig das Abwasser aus den Häusern des Neubaugebiets sammelt und der Abwasserreinigung zur Verfügung stellt. Eine von der Größe an die zunächst noch geringe Anzahl an Bewohnern angepasste Pilotanlage wurde seit 2006 zur Ermittlung exakter Auslegungsdaten für die technische Anlage im Wasserhaus betrieben. Im Jahr 2008 konnte dann eine technisch optimierte Anlage, welche in der Lage ist, das Abwasser von derzeit ca. 175 Anwohnern zu reinigen und einfach erweitert werden kann, angefahren werden.

Parallel zur Entwicklung der anaeroben Abwassertechnik wurden Technologien zur Rückgewinnung des Phosphors und des Stickstoffs aus dem Ablauf der Anlage untersucht und als technische Einheiten in die Prozesslinie im Wasserhaus integriert.

Das Regenwasser wird separat gesammelt, in unterirdischen Zisternen gespeichert und im »Wasserhaus« aufbereitet. Ziel ist es, hier Trinkwasserqualität zu erreichen, um das Regenwasser in einem separaten Netz an die Bewohner des Wohngebiets zu verteilen und damit einen großen Teil des Trinkwassers einzusparen. Genutzt werden soll das aufbereitete Regenwasser zur Toilettenspülung und Gartenbewässerung, aber auch für Wasch- und Spülmaschine sowie zum Waschen und Duschen. Zunächst wird das gesammelte Regenwasser noch über einen längeren Zeitraum untersucht sowie Verfahrenstechniken zur Aufbereitung getestet. Während dieser Zeit erhalten die Anwohner auch über die zweite Leitung Trinkwasser der Stadt Knittlingen.

Förderung

Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für die Förderung des Projekts »Dezentrale Urbane Infrastruktursysteme DEUS 21«, Förderkennzeichen 02WD0850.

Bundesministerium für Bildung und Forschung.