Nachwachsende Rohstoffe
Pflanzen bilden photosynthetisch ein riesiges, bisher nur unvollständig genutztes Spektrum unterschiedlichster chemischer Verbindungen. Ausgangsmaterialien für die industrielle Biotechnologie sind in erster Linie landwirtschaftliche Produkte wie Getreide, Hülsenfrüchte oder Ölpflanzen. Diese biogenen Rohstoffe sind in Zusammensetzung und Rohstoffgehalt nicht völlig konstant, sondern variieren leicht – je nach Sorte und Kultivierungsbedingungen.
Der Gehalt an speziellen Metaboliten für »Building Blocks« oder als Substrat für die Biokonversion ist sowohl von der Pflanzenart als auch vom Umfang der züchterischen Bearbeitung abhängig. Wertgebende Pflanzenstoffe für die industrielle Biotechnologie sind vor allem Öle und Fette sowie Polysaccharide, aber auch Polyosen sowie verschiedenste sekundäre Pflanzenstoffe, beispielsweise Phenolsäuren, Flavonoide, Glucosinolate, Isoflavone, Lignane oder Pigmente.
Verschiedene Rohstoffquellen zur Gewinnung biobasierter Chemikalien wurden bereits intensiv betrachtet, beispielsweise Lignocellulosen, Kohlenhydrate, Fette und Öle sowie Mikroalgen. Biogas, Synthesegas und CO2 spielen zudem eine zunehmende Rolle.
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Roh- und Reststoffe |
Verwertbare Fraktionen |
Forstbasiert |
Holz, Rinde |
Lignocellulose |
Agrarbasiert |
Stroh | Ölsaaten |
Lignocellulose | Öle |
Aquatisch |
Algen, Krabbenschalen |
Kohlenhydrate, Proteine, Lipide | Chitin |
Industriell |
CO2, Altholz, Schwarzlauge, Lebensmittelreststoffe |
Trester, Obst- und Gemüseabfälle, Krabbenschalen |
Kommunal |
Klärschlamm |
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Tierisch |
Insekten, Krabbenschalen, Tiermehl |
Tierische Fette, Extraktstoffe |
Aufbereitung
Um die Rohstoffbestandteile den Mikroorganismen bzw. Enzymen zugänglich zu machen, sind – je nach Art des Ausgangsstoffes – mehrere Aufbereitungsstufen zu durchlaufen. Dabei handelt sich um mechanische, thermische oder chemische Prozesse, die auf die nachfolgende Biokonversion abgestimmt werden müssen.
Organische/biogene Reststoffe
Auch Reststoffe, wie sie in der Landwirtschaft oder bei der Lebensmittelherstellung anfallen, enthalten häufig noch nutzbare Metabolite. Ein Hauptaugenmerk am IGB liegt auf der Intensivierung der Nutzung von Rest- und Abfallströmen. Mit integrierten Bioprozessen, bei denen spezielle Mikroorganismen oder Biokatalysatoren einzelne, wertgebende Inhaltsstoffe gezielt und spezifisch umwandeln, lässt sich die Abfallbeseitigung mit der Wertstoffgewinnung verbinden. Ein Beispiel ist Sauermolke, einem Reststoff bei der Milchverarbeitung, die noch reichlich Lactose enthält. Diese kann durch eine Kombination aus Fermentation und verschiedenen Membranverfahren wie Filtration und Elektrodialyse in Milchsäure umgewandelt und als Produkt gewonnen werden. Milchsäure kann als Basischemikalie in der chemischen Industrie eingesetzt oder direkt durch Polymerisation zu Polylactid, einem bioabbaubaren Kunststoff, weiter veredelt werden.
Ein weiteres, in großer Menge vorkommendes Abfallprodukt sind Krabbenschalen aus der Aquakultur oder Insektenexuvien aus der Proteinherstellung von Futtermitteln. Diese enthalten Chitin, das nach Cellulose am häufigsten vorkommende Biopolymer. Das Fraunhofer IGB hat im Rahmen verschiedener Projekte Mikroorganismen und Enzyme identifiziert, um Chitin als Rohstoffquelle zunächst aufzureinigen und für die Konversion zu Chitosan oder Chitin-Oligomeren sowie dem Monomer zu erschließen. Darüber hinaus können funktionelle Gruppen eingeführt werden, um so neue Eigenschaften, z. B. für eine funktionelle Ausrüstung für Textilien zu ermöglichen.
Ein besonderes Augenmerk verdienen lignocellulosische Rohstoffe – Holz oder Stroh als Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft. Diese werden derzeit noch vorwiegend zur Erzeugung von Energie (Verbrennung) oder Zellstoff eingesetzt, da der Stoffverbund aus Cellulose, Hemicellulose und Lignin ohne eine geeignete Vorbehandlung weder für eine biotechnologische noch für eine chemische Umsetzung eingesetzt werden kann. Durch speziell entwickelte mechanisch-chemische Aufschlussprozesse lassen sich auch lignocellulosische Rohstoffe wie Holz oder Stroh effektiv stofflich nutzen. In nationalen Verbundvorhaben wie der Lignocellulose-Bioraffinerie hat das Fraunhofer CBP den am Fraunhofer ICT entwickelten Organosolv-Aufschluss für diese Fraktionierung weiterentwickelt und erfolgreich im Technikummaßstab umgesetzt. Parallel hat das Fraunhofer IGB einen biotechnologischen Ansatz zur enzymatischen Erschließung der Zucker aus vorbehandelter Lignocellulose aus Holzabfällen oder Stroh optimiert und aufskaliert. Zudem wurden neue Enzyme zur Funktionalisierung von Ligninbausteinen charakterisiert.